Wofür engagiert sich Enda Tiers Monde?
Werden Sie aus Europa unterstützt?
Zu Beginn sind wir als Netzwerk stark von Frankreich unterstützt worden, heute auch von Luxemburg und der EU. Unsere Mitglieder beschaffen sich die Mittel für ihre Arbeit auch selbst. Daneben hat Enda Tiers Monde in Europa aber Partner, die wie wir zur Zivilgesellschaft zählen, sich denselben Grundsätzen verschrieben haben und sehen, dass die Probleme etwa in Afrika mit Europa zusammenhängen. Solche Partner brauchen wir für nachhaltige Entwicklung.
Treten in der Zusammenarbeit mit europäischen Gebern oder NGOs Probleme auf?
Es kommt vor, dass Geber ihre Schwerpunkte ändern, zum Beispiel aus einem Land rausgehen oder das thematische Gebiet wechseln. Das erschwert es manchmal, mit langem Atem die Ursachen der Probleme anzugehen, und macht uns ein paar Schwierigkeiten. Die Partnerschaften im Netzwerk selbst sind aber nicht kurzfristig. Wir finden in Frankreich oder Deutschland NGOs, die unsere Vision teilen und sich auf Dauer mit uns engagieren. Dazu gehören Misereor in Deutschland und das HEKS in der Schweiz. Sie lassen uns auch Neues und Riskantes ausprobieren.
Machen Sie die Erfahrung, dass Förderer aufwendige Nachweise für die Wirkung von Projekten verlangen?
Wenn man die eigene Arbeit nicht evaluiert, kommt man nicht voran. Mir ist auch klar, dass finanzielle Unterstützung für uns gewissen Zwängen unterliegt, auch auf Seiten unserer Partner. Unter anderem werden Messungen der Resultate verlangt. Wir haben die Kriterien dafür mit unseren Partnern zusammen erarbeitet. Es ist auch klar, dass die Finanzen abgerechnet werden müssen. Aber ja, es gibt Projekte, wo die Anforderungen zu belastend sind.
Kommt es vor, dass Geber aus dem Norden Ihnen ihre eigenen Modelle überstülpen wollen?
Ich gebe mal ein Beispiel: Bevor ich zu Enda Tiers Monde gekommen bin, habe ich für eine NGO gearbeitet, die sich für ökologische Landwirtschaft einsetzt. Seit 1981–82 wurden wir trotz unserer Kenntnisse über die kleinbäuerliche afrikanische Landwirtschaft gedrängt, viel mehr Dünger und Pestizide einzusetzen. Wir konnten uns bei den Gebern kaum Gehör verschaffen. Aber Dürren und der Klimawandel zeigen, dass wir unser Produktionssystem und unsere Lebensweise ändern müssen, statt auf mehr Dünger und Pestizide zu setzen. Heute entstehen im Süden zunehmend Bauernorganisationen, NGOs, Forschungsgruppen und sogar staatliche Gremien, die diese Vision unterstützen. Der Präsident des Senegal hat gesagt, dass eine ökologischere Landwirtschaft zum Kern seiner zweiten, 2019 begonnenen Amtszeit gehört. Aber es ist deprimierend, dass Regierungen, die einen anderen Weg einschlagen wollen wie jetzt unsere, unter Druck von internationalen Organisationen stehen, die eine eigene Agenda verfolgen. Unsere Staaten sind immer noch in einer Position der Abhängigkeit. Sie beugen sich den Wünschen derjenigen, die das Geld geben.
Meinen Sie Organisationen wie die Weltbank und die Gates-Stiftung mit ihren Vorstellungen von der Entwicklung der Landwirtschaft in Afrika?
Zum Beispiel. Hinzu kommt seit 2009 das Phänomen des Landgrabbing. Große Konzerne wollen Land und Wasser in Afrika nutzen, um Probleme des Nordens zu lösen. Das ist eine neue Form der Kolonisierung. Die Weltbank verlangt vom Senegal, den Umgang mit Grund und Boden zu ändern und dem Markt zu überlassen. Auch Länder, die uns helfen, unsere kleinbäuerliche Landwirtschaft zu verbessern, drängen auf Änderungen beim Landrecht zugunsten eines Marktes.
Sie möchten, dass Partner-NGOs in Europa auch versuchen, die Politik in Europa zu ändern?
Genau. Wir versuchen die Politik in unseren Heimatländern zu beeinflussen, und unsere Partner wenden sich an ihre Regierungen in Europa. Es muss global viel gerechter zugehen. Zum Beispiel hört man heute ständig, dass Afrika die Zukunft ist und die Rohstoffe hat. Aber wenn man die nicht gerecht verteilt und Afrika auch davon profitiert, statt nur Rohmaterial zu exportieren, wird es weitergehen wie bisher. Oder beim Klimaschutz: Die Solarenergie bietet Afrika eine Möglichkeit zu Wertschöpfung. Aber sie muss unseren eigenen Energiebedarf decken, statt den weiter zu ignorieren und Vorkehrungen für Energieexport anderswohin zu treffen. Und man kann nicht Milliarden an Entwicklungshilfe verteilen und der Großteil fließt in der einen oder anderen Form wieder zurück in die Geberländer. Ich frage mich manchmal, ob die untergeordnete Lage Afrikas nicht von den sogenannten Geberländern bewusst herbeigeführt wird.
Das Gespräch führte Bernd Ludermann.
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