Die Umfrage, die im Februar 2022 anonym und online unter 175 Medienvertretern durchgeführt wurde, hat ergeben, dass mittlerweile die meisten unabhängigen afghanischen Verlagshäuser und Redaktionen vor dem wirtschaftlichen Bankrott stehen. 88 Prozent der Befragten gaben an, schwere oder sehr schwere Finanzierungsprobleme zu haben. Zwei Fünftel der Redaktionen sind demnach momentan nicht imstande, ihre Mitarbeiter zu bezahlen. Dazu passt der Bericht der Internationalen Journalisten Föderation, dass seit August 2021 über die Hälfte der vor der Machtübernahme der Taliban existierenden 623 afghanischen Medienhäuser ihre Arbeit gänzlich eingestellt haben.
Zwei Drittel der Befragten äußerten darüber hinaus, dass sich ihre jeweiligen Redaktionen nicht oder nur sehr bedingt frei äußern könnten. 85 Prozent gaben an, Kontroversen oder gar Kritik an den Taliban so gut wie gar nicht publizistisch aufgreifen zu können. Die von den Taliban erlassenen „Elf Regeln des Journalismus“ lieferten den Machthabern etliche Möglichkeiten, unliebsame Journalistinnen und Journalisten unter einfachen Vorwänden zu verfolgen. Selbst eher unpolitische Filme oder gewöhnliche Seifenopern unterlägen einer strengen Zensur, beispielsweise wenn sie Frauen ohne Schleier zeigten. Drei Viertel der Befragten gaben schließlich an, seit August 2021 wegen ihrer journalistischen Tätigkeit schon verbal und/oder körperlich bedroht worden zu sein.
Sechs Monate nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 hat die Hälfte der Teilnehmenden der Deutsche Welle Akademie – vor allem Frauen – ihre journalistische Arbeit verloren. Mindestens 50 Medienschaffende sind seit dem Machtwechsel laut Reporter ohne Grenzen willkürlich festgenommen worden, sieben weitere wurden laut Internationaler Journalisten Föderation in den ersten drei Monaten getötet. Unabhängige Medien in Afghanistan finanziell zu unterstützen ist eine wichtige Forderung an Organisationen und Regierungen, die sich aus den Ergebnissen der Befragung ergibt.
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