Die Programme der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz mit Haiti, Kuba, Honduras, Nicaragua und Bolivien werden ab 2025 schrittweise beendet. So sieht es die neue Strategie für Internationale Zusammenarbeit 2021-24 (IZA) vor. Die freiwerdenden Mittel sollen stattdessen in Nordafrika, im Mittleren Osten und in Subsahara-Afrika eingesetzt werden.
Außenminister Ignazio Cassis bekräftigt allerdings, dass die Schweiz „auch in Zukunft auf dem gesamten Kontinent eine starke Präsenz wahren und gezielte Partnerschaften in für beide Seiten Nutzen bringenden Bereichen anstreben“ werde. Dazu gehöre das Engagement in multilateralen Organisationen wie der interamerikanischen Entwicklungsbank oder dem Menschenrechtsrat, aber auch bei der Pazifikallianz und der Karibischen Gemeinschaft.
Außerdem werde das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Schwerpunktländer Peru und Kolumbien für die Zusammenarbeit beibehalten. Fortgesetzt würden auch die Förderung von Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, die Humanitäre Hilfe sowie die Globalprogramme der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Dazu kämen Programmbeiträge der DEZA an Schweizer NGOs, die in Lateinamerika arbeiten.
"Unsere Partner lassen wir auf diesem Weg allein"
„Diese Instrumente sind alle gut und wichtig“, sagt Esther Belliger, Regionalkoordinatorin für Lateinamerika und die Karibik bei der Entwicklungs-NGO Helvetas. „Aber sie können nicht die Konsequenzen des Rückzugs aus der Region abfedern.“ Dieser treffe den Kontinent hart: Gemäß der Weltbank leben von den 38 Millionen Menschen in Haiti, Bolivien, Honduras und Nicaragua über 42 Prozent unter der jeweils national festgelegten Armutsgrenze – die Folgen der Corona-Pandemie sind in diesen Zahlen noch nicht eingerechnet. Zudem findet aus Venezuela gegenwärtig die weltweit größte Fluchtbewegung statt – sechs Millionen Menschen haben laut UNHCR bislang das Land verlassen.
Um die Nachhaltigkeit bisheriger Programme und Projekte nicht zu gefährden, bräuchte man laut Belliger indes mehr Zeit. In Haiti etwa habe Helvetas aktuell zwei Mandate der DEZA inne, deren Projekte auf zwölf Jahre ausgelegt seien. „Wir befinden uns erst im vierten Jahr und müssen nun bereits abschließen“, sagt Belliger. „Die gesetzten Ziele können so nicht erreicht werden. Unsere Partner lassen wir auf diesem Weg allein.“ Helvetas sei zurzeit mit der DEZA im Gespräch über alternative Geber zur Fortführung der Mandate.
Die NGOs können die staatliche Hilfe nicht ersetzen
Ebenso bedeutend wie die finanzielle Lücke ist laut Esther Belliger der Verlust der Präsenz vor Ort. „Die offizielle Schweiz wurde in der Region als wichtige Partnerin wahrgenommen.“ Helvetas werde aber, wie die meisten Schweizer NGOs, ihre Programme in Lateinamerika fortführen.
Auch Comundo bleibt in der Region, das Schweizer Hilfswerk für personelle Entwicklungszusammenarbeit. Laut Geschäftsführer Erik Keller ist es zentral, dass die Programmbeiträge des Bundes an Schweizer NGOs auch in Zukunft für die Arbeit in Lateinamerika eingesetzt werden können, „damit die Menschen vor Ort nicht abgehängt werden.“ Die NGOs könnten jedoch nicht einfach in die Bresche springen, da die bilaterale Zusammenarbeit der Schweiz und die Arbeit der NGOs nicht deckungsgleich seien.
Die Amerikas-Strategie befasst sich neben den Beziehungen zu den USA und Kanada auch mit den sogenannten Jaguarstaaten mit „beträchtlichem wirtschaftlichen Potenzial“, namentlich Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru. Dort stünden vor allem Freihandelsabkommen, etwa mit den Mercosur-Staaten, und die Unterstützung von Schweizer Unternehmen im Vordergrund. Dabei sollen Nachhaltigkeitsaspekte und Menschenrechte berücksichtigt werden. „Damit das gelingt, braucht es den Druck der Zivilgesellschaft“, sagt Erik Keller von Comundo.
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