Alles begann mit einem Hilferuf. Das Volk der Asháninka im Regenwald von Peru war in den 1980er Jahren stark von militärischen Auseinandersetzungen zwischen der peruanischen Regierung und der Guerillatruppe Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad) betroffen. Es gab Tausende Tote, viele Menschen verloren ihre Lebensgrundlage. Nach der Befriedung in den 1990er Jahren bildeten die Indigenen eine Notstandskommission und baten auch Münchner um Hilfe, die als Entwicklungshelfer in Peru gearbeitet hatten.
München war nach der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 dem Klimabündnis europäischer Städte mit den indigenen Völkern der Regenwälder beigetreten. Dieses ist heute mit über 1800 Mitgliedskommunen in 27 Ländern das größte Städtenetzwerk Europas. Regenwald lässt sich nur erhalten, wenn auch seine Bewohner geschützt werden, so der Ansatz des Bündnisses. Für München kamen die Kontakte nach Peru gerade recht, um die Mitgliedschaft praktisch umzusetzen. Da eine Städtepartnerschaft im Regenwald nicht in Frage kam, wählte man 1997 eine damals noch neue Form der Kooperation, die Klimapartnerschaft.
20 indigene Standesbeamte ausgebildet
In München entstand der Arbeitskreis Asháninka, in Lateinamerika wurde aus der Notstandskommission die Regionalorganisation der Asháninka im zentralen Regenwald Perus (ARPI). Raubbau durch Holzfirmen, Rodungen für industrielle Landwirtschaft sowie die Verschmutzung von Gewässern durch Bergbau und illegalen Goldabbau, aber auch der Klimawandel bedrohen zunehmend die Lebensweise der Bewohner des Regenwaldes. In ihren Gesellschaften werden sie ausgegrenzt, weil sie angeblich der Modernisierung im Weg stehen.
Im Rahmen der Zusammenarbeit entstanden mit geringen finanziellen Mitteln Projekte, die von den Indigenen selbst ausgewählt wurden. Zentral für sie war vor allem, Landtitel für die Gebiete zu sichern, in denen sie leben. Nur so können sie sich gegen die Verdrängung durch Holzfirmen, Drogenmafia und Siedler wehren. Offiziell anerkannte Landtitel zu beantragen, ist umständlich und teuer. Auch Geburtsurkunden und Ausweise waren ihnen wichtig. Deshalb wurden in mehreren Dörfern im Landkreis Rio Negro einfache Standesämter eingerichtet und rund 20 indigene Standesbeamte ausgebildet. Diese werden inzwischen auch von der nationalen Behörde in Lima anerkannt. Jetzt haben fast 95 Prozent der Menschen in diesem Landkreis gültige Geburtsurkunden und Ausweise und können ihre Bürgerrechte wahrnehmen.
35.000 Hektar Regenwald gesichert
Mit Hilfe aus München konnten sich die Asháninka bis heute über 35.000 Hektar Regenwald sichern, das entspricht der Fläche der Kanareninsel La Gomera. Die Gelder für die Projekte stammen aus Spenden, aus dem Erlös des fair gehandelten München-Kaffees (fünf Cent aus jeder Packung gehen an die Asháninka) sowie aus dem Verkauf von Kunsthandwerk der Indigenen.
Dabei waren die Erwartungen an die Hilfe aus München anfangs größer. „Zunächst war es für manche Asháninka nicht einfach zu verstehen, dass aus dem reichen München nicht mehr Geld kommt“, sagt Heinz Schulze vom Arbeitskreis Asháninka. Sie hätten auch miteinander gerungen, denn die Münchner würden durchaus penetrant nachfragen, was mit dem Geld genau passiert. „Transparenz von A bis Z und eine absolut zuverlässige Abrechnung mit Vieraugenprinzip sind ein Muss für uns.“ Je größer die Summen im Spiel sind, desto schwieriger werde das, meint Schulze.
Nach und nach sei die Partnerschaft enger und intensiver geworden. Die Münchner gewannen ein besseres Verständnis der Lebenswelt im Regenwald, und die Asháninka merkten bei ihren mittlerweile rund 20 Besuchen in München, dass Aktive sich dort für Veränderung im globalen Norden einsetzen. Ihre Besuche in Schulen und bei Bildungsveranstaltungen sind zentrale Bestandteile des Projekts.
Trotz Rückschlägen weiter verbunden
Trotzdem gab es immer wieder auch Enttäuschungen, Projekte scheiterten. So konnte etwa eine geplante Unterkunft für Schüler nicht gebaut werden, weil der Dorfchef betrogen wurde: Ein bereits gekauftes Grundstück konnte nicht bebaut werden, weil der Boden nicht dafür geeignet war. Oder Partner erwiesen sich als unzuverlässig oder korrupt. Doch weitergemacht haben sie trotzdem und über die Jahre ist so etwas wie Verbundenheit entstanden. Sie ist auch dank politischer Aktionen der Münchner gewachsen, Protestbriefen an die peruanische Regierung etwa wegen Übergriffen der Sicherheitskräfte gegen Indigene.
Autorin
Claudia Mende
ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.deLediglich in humanitären Notlagen hilft die Stadt mehr, zuletzt etwa während der Pandemie im Frühjahr 2021 mit Masken und Medikamenten. Baringer sieht die Aufgabe der Stadt mehr darin, Beziehungen und Netzwerke zu knüpfen. So konnten im Rahmen des Klimabündnisses Vertreter der Asháninka bei Kongressen etwa zum lateinamerikanischen Konzept des „Buen vivir“ (Gutes Leben) teilnehmen und ein Besuch im ungarischen Parlament vermittelt werden.
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