Februar: Präsidentschaftswahlen in Costa Rica
Am 6. Februar stehen in Costa Rica Präsidentschaftswahlen an. Neben dem Präsidenten werden auch zwei Vizepräsidenten und alle 57 Kongressabgeordneten gewählt. Seit acht Jahren wird das Land von Präsident Carlos Alvarado und seiner Partido Acción Ciudadana (PAC) regiert, der »Partei der Bürgeraktion«, die als moderat-fortschrittlich gilt. Carlos Alvarado darf aufgrund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht erneut kandidieren. Seine Partei, die PAC, ist Umfragen zufolge abgestürzt. Sie wird herausgefordert von der linken Frente Amplio (Breite Front) mit ihrem Kandidaten José Maria Villalta sowie drei weiteren Parteien, darunter der rechten PNR. Die schickt einen evangelikalen Pastor ins Rennen, Fabricio Alvarado, der die Trennung von Staat und Kirche aufheben will und bei der Wahl vor vier Jahren mit homophoben Parolen Aufsehen erregte.
Aller Voraussicht nach wird es einen zweiten Wahlgang Anfang April geben, da sich insgesamt 27 Präsidentschaftskandidaten mit ähnlichen Programmen um das Amt bewerben und die erforderlichen vierzig Prozent der Stimmen für einen von ihnen im ersten Wahlgang unwahrscheinlich sind. Umfragen zeigen, dass viele Wählerinnen und Wähler noch unentschlossen sind. Zu den Themen, die im Mittelpunkt stehen, zählt die hohe Arbeitslosigkeit, die steigenden Lebenshaltungskosten und die Korruption, aber auch die Migration aus Haiti. Americas Quarterly stellt hier die vier aussichtsreichsten Kandidaten vor; in der Jungen Welt ist hier ein Interview mit José Maria Villalta, dem linken Anwärter aufs Präsidentenamt, zu lesen.
Update vom 7. Februar: Nach Auszählung von mehr als 75 Prozent der Wahllokale führt der ehemalige Präsident José María Figueres von der sozialdemokratischen PLN. Er kam auf etwa 27,3 Prozent der Stimmen und liegt damit deutlich vor dem Zweitplatzierten, Ex-Finanzminister Rodrigo Chaves von der Zentrumspartei PSD, der 16,6 Prozent der Stimmen erhielt. An dritter Stelle liegt mit rund 15,1 Prozent der evangelikale Prediger Fabricio Alvarado von der rechten Partei Nueva República. Da keiner der Kandidaten die erforderlichen vierzig Prozent der Stimmen erhielt, wird es zu einer Stichwahl am 3. April kommen. Die Partei PAC des bisherigen Präsidenten Carlos Alvarado liegt weit abgeschlagen bei weniger als 1 Prozent. Gewählt wurden auch die Kongressabgeordneten. Nach Hochrechnungen hat die PAC keinen einzigen der 57 Parlamentssitze erhalten.
Februar/ März: Regionalwahlen im größten indischen Bundesstaat Uttar Pradesh
Im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Indiens, der größten Demokratie der Welt, stehen im Februar und März Regionalwahlen an: in Uttar Pradesh, wo rund 200 Millionen Menschen leben. Sie sind zukunftsweisend für das ganze Land, erklärt der SZ-Korrespondent David Pfeiffer und schreibt: "Eigentlich sollte es um Infrastruktur, Hygiene und das Thema Armut gehen – tatsächlich geht es aber um Religion". In Uttar Pradesh liegt die Stadt Ayodyha, wo jahrhundertelang eine Moschee stand, die 1992 von radikalen Hindus zerstört wurde. Indiens Premierminister Narendra Modi, der den Konflikt zwischen Hindus und Muslimen weiter anheizt, hat den an der Stelle der Moschee errichteten, größten und modernsten Hindu-Tempel Indiens mit religiösem Pomp im Dezember 2021 eröffnet. Das wird von vielen der 40 Millionen Muslime in Uttar Pradesh als Signal der Ausgrenzung verstanden.
Uttar Pradesh ist vor allem von der Landwirtschaft geprägt, und auch Modis Plan für eine Landwirtschaftsreform hat dort im vergangenen Jahr für Konflikte gesorgt. Viele Bauern protestierten gegen den Plan, bis Modi ihn Ende November überraschend zurücknahm. Naseem Shaikh von einer Kleinbäuerinnen-Organisation vermutet im Interview, dass dies auch ein taktischer Schachzug mit Blick auf die anstehenden Wahlen war, denn zahlreiche Demonstranten kamen aus Uttar Pradesh.
Eigentlich galt der Wahlsieg für Modis Partei BJP lange als sicher. Doch "nachdem drei Minister zusammen mit mehreren Abgeordneten zurückgetreten und zur oppositionellen Samajwadi Party übergelaufen sind, ist das Rennen möglicherweise wieder offen", kommentiert der Projektleiter Südasien der Friedrich-Naumann-Stiftung und erklärt, inwiefern die Überläufe auch mit dem indischen Kastensystem zu tun haben.
Mai: Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Kolumbien
Die Präsidentschaftswahlen in Kolumbien finden im Mai statt, mit einer möglichen Stichwahl im Juni. Aber eine Abstimmung zwei Monate zuvor könnte entscheidender sein: Im März einigen sich die jeweiligen Parteienbündnisse auf ihre Kandidaten. Am 13. März werden die Kolumbianer außerdem das Parlament wählen. Umfragen deuten auf einen Trend zur Mitte hin, insbesondere bei jüngeren Wählern.
Davon profitieren könnte die "Koalition der Hoffnung", zu der sich im Dezember vergangenen Jahres mehrere Parteien der politischen Mitte zusammengeschlossen haben. Sie versprechen Kampf gegen die Korruption und Einsatz für die Umsetzung des Friedensabkommens und die Gleichstellung der Geschlechter, erklärt die Plattform amerika21. Doch wirklich geeint sind sie nicht: Aus der Koalition bewerben sich acht Kandidatinnen und Kandidaten um das Präsidentenamt. Die wohl bekannteste von ihnen ist die 60-jährige Ingrid Betancourt, die vor zwanzig Jahren von den Farc-Rebellen als Geisel gehalten wurde. Insgesamt kämpfen mehr als zwanzig Kandidaten um das Präsidentenamt, Betancourt ist die einzige Frau. Ein Wahlbündnis aus dem linken Spektrum und Mitte-links, der "Historische Pakt", wird vom linken Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro angeführt. Der amtierende konservative Präsident Iván Duque darf nicht noch einmal antreten.
Kolumbien hat mit den Folgen der Pandemie und einem Wirtschaftseinbruch zu kämpfen. Ein weiteres Thema im Wahlkampf ist die Zuwanderung aus Venezuela. Fünf Jahre nach dem Abschluss des Friedensabkommens zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla steigt auch die Gewalt in vielen Gegenden Kolumbiens wieder an. Vor allem Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten werden attackiert und ermordet, Ende Januar forderte zudem eine Autobombe mehr als zwanzig Tote und Verletzte. Für scharfe Kritik sorgt auch das neue Sicherheitsgesetz. Die Opposition beklagt, es fördere Selbstjustiz und die Kriminalisierung sozialer Proteste.
Mai: Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auf den Philippinen
Am 9. Mai finden auf den Philippinen Präsidentschafts- und Vizepräsidentschaftswahlen sowie Parlamentswahlen statt. Die Umstände sind problematisch, erklärt Cleo Calimbahin, Professorin für Politikwissenschaft an der De La Salle Universität der Philippinen: Geld und Klientelpolitik werden eingesetzt, um die Wahlen zu beeinflussen, und die Parteien sind schwach – echte, programmatisch auftretende politische Parteien fehlten. Zudem sind mittlerweile alle Mitglieder der Wahlkommission, die die Wahl organisiert, vom amtierenden Präsidenten Duterte berufen. Dessen Politik des starken Mannes ist trotz der mörderischen Vorgehensweise gegen Drogensüchtige und Dealer bei vielen noch beliebt. Duterte hat autoritäre Tendenzen verstärkt und Menschenrechtlern und Journalistinnen den Kampf angesagt, sagt die Journalistin Ellen Tordesillas im Interview.
Duterte tritt nicht wieder an – doch für liberale, an den Menschenrechten orientierte Wählerinnen und Wähler ist das kein Grund zur Freude: Zu den aussichtsreichsten Kandidaten gehört Ferdinand Marcos Junior, der Sohn des einstigen Diktators Ferdinand Marcos, der politisch eng mit Duterte verbunden ist. Marcos junior hat versprochen, Dutertes Krieg gegen die Drogen fortzusetzen. Er kann auf eine große Anhängerschaft zählen, auch unter jungen Leuten. Sara Duterte, die Tochter des jetzigen Präsidenten, möchte unter ihm Vizepräsidentin werden.
August: Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Kenia
In Kenia sind für den 9. August 2022 Parlaments- und Präsidentschaftswahlen angesetzt. Da Wahlen in Kenia mehrfach mit Gewaltausbrüchen und Manipulationsvorwürfen einhergegangen sind, wird dies wahrscheinlich eine der am intensivsten beobachteten Wahlen des Jahres sein.
Präsident Uhuru Kenyatta darf nach der Verfassung nicht mehr antreten. Die einflussreichsten Politiker neben ihm sind Raila Odinga, der 2017 die Wahl gegen Kenyatta verloren und das Ergebnis als gefälscht bezeichnet hat, sowie Vizepräsident William Ruto. Dieser hat sich vor der Wahl 2013 mit Kenyatta verbündet, weil beiden damals eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof drohte; zuletzt hat sich der Vizepräsident vom Präsidenten abgesetzt und damit die gemeinsame Partei gespalten.
Parteien sind in Kenia stark von Politik-Unternehmern geprägt, die ihre Gefolgschaft auf Basis der eigenen Ethnie mobilisieren; Führer kleinerer Volksgruppen gewinnen über Bündnisse mit größeren an Einfluss. William Ruto (der zu den reichsten Menschen des Landes zählt) versucht nun, Arme und Arbeitslose über Ethnien hinweg zu mobilisieren, und greift Forderungen junger Leute nach einem Ende der auf Identitätspolitik basierenden Vetternwirtschaft auf.
Die politische Landschaft scheint sich neu zu ordnen. Zudem leidet auch Kenia unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, und die Einschränkungen, die die Ausbreitung des Virus verhindern sollen, sind umstritten.
August: Präsidentschaftswahlen in Angola
Seit fast 50 Jahren regiert die Linkspartei MPLA in Angola – seit der Unabhängigkeit des Landes von Portugal im Jahr 1975. Bei den Wahlen in diesem Jahr will die Opposition das endlich ändern. Der Politologe Olívio N'Kilumbu sieht für die Opposition erstmals seit der Unabhängigkeit die Chance auf einen demokratischen Regierungswechsel. Andere Beobachter sind nicht so optimistisch: Die Geschichte der politischen Gewalt im Land lasse "das Schlimmste befürchten, und die durch den Ölpreisverfall, die chinesische Schuldenfalle und den Druck des IWF verursachte sozioökonomische Krise wird das Land stark belasten", schreibt Le Journal de l'Afrique.
Die Wirtschaft in Angola liegt am Boden, das Land ist weiterhin vom Erdöl als Hauptexportprodukt abhängig, die Lebensmittelpreise sind 2021 gestiegen und ebenso die Arbeitslosenzahlen. Im August tritt Präsident Lourenço gegen das neu formierte Oppositionsbündnis "United Patriotic Front" an, das von Adalberto Costa Júnior angeführt wird, dem Vorsitzenden der größten angolanischen Oppositionspartei UNITA. Es darf bezweifelt werden, dass die Wahlen frei und fair sein werden – die US-amerikanische Denkfabrik Brookings berichtet von Einschränkungen der Pressefreiheit, Korruption und brutaler Unterdrückung von Demonstrationen gegen die Regierung.
Oktober: Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Brasilien
Die Wahlen in Brasilien im Oktober 2022 sind ein demokratischer Lackmustest. Mehr als die Hälfte der Brasilianer hält die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro für schlecht. Viele politische Beobachter finden einen Staatsstreich von Jair Bolsonaro wahrscheinlicher als seine Wiederwahl, schreibt Sarah Fernandes in „welt-sichten“.
Im Januar liegt Luiz Inácio Lula da Silva, der Kandidat der Arbeiterpartei, der von 2003 bis 2011 schon an der Staatsspitze stand, in Umfragen weit vorne. Er hat auch in anderen politischen Lagern Verbündete. Von diesen beiden Schwergewichten abgesehen ist die Parteienlandschaft Brasiliens zersplittert: Mehr als dreißig Parteien sind beim Obersten Wahlgerichtshof registriert. Einige Kandidaten versuchen, einen dritten Weg einzuschlagen und der Polarisierung zwischen Bolsonaro und Lula etwas entgegenzusetzen. Dazu zählt etwa der ehemalige Justizminister der Regierung Bolsonaro, Sergio Moro.
Der Wahlkampf steht im Schatten der Covid-19-Krise, der mehr als 600.000 Brasilianer zum Opfer gefallen sind und die für einen großen Teil der Bevölkerung die Armut verschärft hat, erläutert die Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Arbeitslosigkeit und die Inflation sind hoch und die Abholzung des Regenwaldes hat eine Umweltkrise ausgelöst. Das Land ist polarisiert und die Themen Einkommensverlust und Gesundheitsversorgung dürften im Wahlkampf eine Hauptrolle spielen. Viele Brasilianerinnen und Brasilianer stimmen nicht an der Wahlurne ab, sondern mit den Füßen: Im vergangenen Jahrzehnt sind mehr als zwei Millionen ausgewandert.
Dezember: Parlamentswahlen in Tunesien
Tunesien galt lange als das einzige Land in Nordafrika, das nach dem Arabischen Frühling auf dem Weg zur Demokratie war. Doch seit Staatspräsident Saied im Juli vergangenen Jahres mithilfe eines Notstandsartikels der Verfassung die Regierung abgesetzt, die Arbeit des Parlaments ausgesetzt und die Immunität der Abgeordneten aufgehoben hat, ist fraglich, wie demokratisch der weitere Weg des kleinen nordafrikanischen Staates aussieht. Es gibt immerhin einen Fahrplan: Am 25. Juli sind die Tunesierinnen und Tunesier aufgerufen, über eine Verfassungsreform abzustimmen, im Dezember sollen dann Parlamentswahlen abgehalten werden. Bis dahin bleibe die Arbeit des Parlaments ausgesetzt, kündigte Präsident Kais Saied Ende 2021 an.
Gegner von Saied beschuldigen ihn, mithilfe der Justiz gegen seine politischen Widersacher vorzugehen. Mitte Januar kam es deshalb zu Demonstrationen. Zu den prominentesten und lautesten Stimme der tunesischen Opposition zählt Tunesiens Ex-Präsident Moncef Marzouki, ein Verfechter der Menschenrechte. Doch viele Tunesier stehen hinter dem Kurs von Staatspräsident Saied – warum das für sie kein Widerspruch zur Demokratie ist, erklärt das Nahostmagazin Zenith in diesem Beitrag: Die Beliebtheit des Präsidenten beruhe auf verbreiteter, tiefer Frustration über eine „elitäre, realitätsferne politische Klasse, die den Bezug zu den Alltagssorgen der Menschen verloren hat".
Ob Saied als Putschist und potenzieller Diktator anzusehen ist oder ob er mit der Absetzung der alten Regierung einen Ausweg aus der Sackgasse gesucht und die Macht der muslimisch-konservativen Ennahdha-Partei beschnitten hat, ist umstritten. Saied will laut eigener Darstellung das Land wieder in demokratische Bahnen lenken, indem er die Bevölkerung aufruft, sich am ersten Online-Referendum über die Zukunft zu beteiligen. Noch bis März können die Tunesier zu Themen wie Bildung, Kultur, Wahlen und Wirtschaft ihre Meinung abgeben. Kritiker merken an, dass circa zwei Millionen Menschen von der digitalen Volksbefragung praktisch ausgeschlossen seien – weil rund ein Drittel der Bevölkerung keinen regulären Internetzugang hat und fast ein Fünftel weder lesen noch schreiben kann.
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