Die verlorene Heimat der Flüchtlinge von Cabo Delgado

epd-bild / Stefan Ehlert
Ancha Omar Malique hat sechs Kinder, doch ihre jüngste Tochter Amina wird ihren Vater nie kennenlernen. Er ist ermordet worden, so wie rund 3500 Menschen, die während des Krieges in Cabo Delgado im Norden des Landes getötet wurden.
Mosambik
Rund 3.500 Tote und mehr als 730.000 Geflüchtete sind die Bilanz von vier Jahren Terrorkrieg in Cabo Delgado im Norden von Mosambik. Die Gewalt hält an, für Hunderttausende Menschen steht in den Sternen, ob sie je zurückkehren.

Ancha Omar Malique spricht mit klarer Stimme, anders als vor einem Jahr, als sie hochschwanger am Strand von Paquitiquete in Pemba eintraf. Erschöpft von der Flucht, traumatisiert von der Gewalt, gestrandet ohne Hoffnung. Seitdem hat sie Kraft geschöpft. Doch eine Perspektive hat sie nicht.

„Was soll jetzt aus mir werden, allein mit sechs Kindern?“, fragt Omar Malique, ihre jüngste Tochter auf dem Arm. Amina wurde kurz nach der Flucht vor der islamistischen Gewalt in der Provinz Cabo Delgado im Norden von Mosambik geboren. Damals fand die Mutter zusammen mit 43 anderen Personen Zuflucht bei einem Cousin, aus Platzmangel mussten aber viele am Strand schlafen. Tagelang sei sie unterwegs gewesen, berichtet Omar Malique, und dass sie in ihrem Heimatort Mucojo mitansehen musste, wie die Extremisten die Köpfe ihrer Nachbarn auf die Straße warfen.

Ihr Mann, Anlawe Almasse, war nicht bei ihr. Er kam erst kurz darauf nach und gab dem neugeborenen Mädchen seinen Namen. Ihren Vater wird Amina jedoch nie wiedersehen. Der 40 Jahre alte Fischhändler wurde einem Zeugen zufolge ermordet, als er wenige Wochen nach Aminas Geburt in die Nähe der alten Heimat fuhr, um Trockenfisch und Langusten zu kaufen.

Angst vor der Rückkehr in die Heimatorte

Eine Rückkehr in die von Überfällen, Gewalt und Tod gezeichnete Heimat steht für Omar Malique und ihre Kinder außer Frage. Selbst wenn es sicher wäre, würde sie das niemals tun, sagt sie ohne zu zögern. „Ich habe zu viel Angst. Ich will nicht daran erinnert werden, was ich dort erlebt habe.“

3.500 Tote und mehr als 730.000 Geflüchtete sind die Bilanz von vier Jahren Terrorkrieg in Cabo Delgado. Mithilfe ruandischer Truppen und Kontingenten der südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC ist es seit August zwar gelungen, wichtige Städte zurückzuerobern. Doch nun drängen die Al-Shabaab oder Mashababos genannten Islamisten in die Nachbarprovinzen. Und auch in Cabo Delgado haben die Attacken keineswegs aufgehört.

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Der Psychologe und Sozialarbeiter Vasquinho King in Pemba verweist auf Umfragen, wonach gut die Hälfte der Geflüchteten nicht in ihre Heimatorte zurückkehren will. Viele leben schon seit Jahren in Grashütten und einem Provisorium: abhängig von Lebensmittelhilfe, die Kinder ohne Schule, die Familie ohne nennenswertes Einkommen.

UN-Lebensmittelrationen halbiert, weil es an Geld fehlt

Im Lager Nangua steckt der Bauer Geraldo António fest. Vor einem Jahr war er noch guten Mutes, bald auf sein Land in Quissanga zurückkehren zu können. Seitdem ist er dünner geworden, die Kleidung ist verschlissen, die Zuversicht geschwunden. Die einzige Hilfe, die er und seine Familie erhielten, sei das Nahrungsmittelpaket des Welternährungsprogramms (WFP), sagt António. Doch auch das sei gekürzt worden, es reiche nicht.

Die Chefin des WFP in Cabo Delgado, Cristina Graziani, bestätigt, dass die Rationen halbiert wurden, weil es an Geld fehle. Erst ab Januar werde es wieder die volle monatliche Ration von 50 Kilogramm Reis, Bohnen, Salz und Öl je fünfköpfiger Familie geben können. Jetzt, kurz vor der Regenzeit, sei es wichtig, dass viele Menschen ihre eigene Nahrung anbauten, zumal unklar ist, wie lange die Krise noch anhält. Mindestens 60.000 Bedürftige hat allein das WFP laut Graziani Worten in ein Programm zur Selbstversorgung aufgenommen. So werden etwa auf der Insel Ibo Frauen darin geschult, Fisch zu trocknen oder Gemüse anzubauen.

"Zerschlagen und verwüstet"

Zu den Empfängerinnen von Saatgut gehört auch die dreifache Mutter Anli Omar in der Ortschaft Milamba. 42 Kilo Samen schleppt die 42-Jährige auf ihrem Kopf. Warum sie nicht in ihrem Dorf im Bezirk Quissanga lebt? „Vita“, antwortete die Frau. Das sagt alles: Vita bedeutet in der Kimwani-Sprache Krieg. Der sei noch nicht vorbei.

Und selbst dort, wo die Gewalt abflaut, ist der Weg für eine Rückkehr noch längst nicht geebnet. Die Sicherheit sei natürlich ein zentraler Aspekt, sagt der Gouverneur von Cabo Delgado, Valige Tauabo. Aber eben auch ein Minimum an Infrastruktur müsse wiederhergestellt sein: Wasser, eine Gesundheitsstation, Schulgebäude.

„Es war alles zerschlagen und verwüstet“, berichtet Amorane Arune. Vor sechs Wochen kehrte der Steuerberater mit Genehmigung der Behörden nach Mocímboa da Praia zurück, um beim Wiederaufbau zu helfen. „Es ist schwer“, sagt er. Die Stadt sei menschenleer. Zum Essen geht er ins Feldlager der Ruander. Sie versorgen ihn mit.

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