Mosambik bekommt die Lage in der Provinz Cabo Delgado an der Grenze zu Tansania nicht unter Kontrolle. Begonnen hat der Konflikt vor gut drei Jahren mit einem Aufstand in der Hafenstadt Mocimboa da Praia: Am 5. Oktober 2017 besetzte eine Gruppe junger Männer zwei Tage lang den Hafen. Nicht einmal Schusswaffen hatten sie bei sich; sie wollten einfach ihrer Frustration Ausdruck verleihen, dass ihre Generation keine wirtschaftlichen Perspektiven hat.
Einige Jahre zuvor war vor der Küste Mosambiks eines der größten Gasfelder der Erde entdeckt worden. Im Landesinneren hatte man außerdem enorme Edelsteinvorkommen ausgemacht. Die Hoffnungen waren damals groß, dass es in der Region, die zu den ärmsten in Mosambik zählt, endlich aufwärtsgehen würde. Doch die Konzessionen für die Gasförderung und die Edelsteinminen vergab die Regierung in Maputo an ausländische Firmen. Bergarbeiter, die bisher in kleinem Stil Rubine geschürft hatten, wurden vertrieben, Bauern umgesiedelt, unter deren Feldern Edelstein führende Gesteinsschichten liegen.
Gleichzeitig passierte in der mehrheitlich muslimischen Provinz dasselbe wie in anderen muslimischen Regionen Afrikas schon viele Jahre zuvor: Junge Prediger, die im Ausland – vorwiegend in Ostafrika – ihre religiöse Ausbildung bekommen hatten, bauten mit Spendengeldern aus dem Ausland neue Moscheen, griffen armen Familien unter die Arme und lehrten die Gläubigen, dass eine Gesellschaft unter der Scharia fairer sei. Sie verdrängten die lokalen Imame und sagten ihnen nach, mit der korrupten Machtelite rund um die seit der Unabhängigkeit 1975 regierende Frelimo-Partei gemeinsame Sache zu machen. So beschreibt der langjährige BBC-Reporter für Mosambik, Joseph Hanlon, in einer jüngst erschienenen Analyse die Ausgangslage des Konflikts.
Die Besetzung des Hafens im Oktober 2017 wurde von den Sicherheitskräften niedergeschlagen. Der Aufstand war damit aber nicht beendet, vielmehr bekamen die Aufständischen immer mehr Zulauf. Es kam zu weiteren Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, unter denen zunehmend auch die Zivilbevölkerung litt. Keine der beiden Konfliktparteien nahm auf sie Rücksicht. Seit 2017 soll es 1500 Tote gegeben haben; Hunderttausende sind auf der Flucht.
Ist das Bekenntnis zum IS bloß Maskerade?
Mit der Zeit mehrten sich die Anzeichen, dass die Aufständischen von ausländischen Kämpfern unterstützt wurden. 2019 bekannten sie sich offiziell zum sogenannten Islamischen Staat, wobei Beobachter davor warnen, diesem Bekenntnis allzu viel Bedeutung beizumessen. Es könne auch nur eine religiös-fanatische Maskierung sein, um noch mehr Terror zu säen.
Seit Beginn des Jahres werden immer wieder Dörfer angegriffen und geplündert. Neben dem Raubgut geht es den Angreifern auch darum, neue Kämpfer zu rekrutieren. Weigern sich die jungen Männer mitzugehen, werden sie enthauptet. 52 Menschen wurden im April bei Überfällen im Distrikt Muidumbe umgebracht. Ende Oktober wurden sechs Dörfer im gleichen Distrikt angegriffen, geplündert und 20 Menschen enthauptet, darunter 15 junge Männer. Offiziell hat sich dazu der „Islamische Staat Zentralafrikanische Provinz“ (ISCAP) bekannt. Vermutet wird, dass dieser Angriff ein Vergeltungsschlag für eine Militäroffensive wenige Tage zuvor war, bei der 108 Terroristen getötet wurden. Der ISCAP hatte bereits im Sommer international für Schlagzeilen gesorgt, als es der Terrorgruppe gelungen war, den für die Gasförderung wichtigen Hafen Mocimboa da Praia einzunehmen. Mittlerweile sollen die Dschihadisten Dörfer auch im tansanischen Grenzgebiet überfallen haben.
International findet der Konflikt in Cabo Delgado immer größere Aufmerksamkeit. Die Nachbarstaaten Tansania und Südafrika sind alarmiert. Beobachter sehen Anzeichen für eine „Irakisierung“ der Region, weil der mosambikanische Staat in diesem Teil des Landes offenbar die Kontrolle verloren hat. Andere ziehen Vergleiche zu Boko Haram in Nigeria. Und die ARD-Tagesschau hat unlängst von Cabo Delgado als dem „südlichsten Brennpunkt islamistischen Terrors“ gesprochen.
Christliche Hilfswerke wie Kirche in Not oder Open Doors konzentrieren sich zunehmend auf die Situation der Christen, die in der Unruheprovinz zwar in der Minderheit sind, ansonsten in Mosambik mit insgesamt knapp 60 Prozent aber die Mehrheit bilden. In ihren Berichten fokussieren sie sich auf die christlichen Opfer, die Zerstörung von Kirchen oder die Entführung von Ordensleuten.
In der Öffentlichkeit in Mosambik wird der Konflikt bisher nicht als ein religiöser Konflikt wahrgenommen; die meisten Opfer sind schließlich selbst Muslime. Das Geschehen in Cabo Delgado werde in den lokalen sozialen Medien als ein Versagen des Staates gesehen, der nicht in der Lage sei, seine eigene Bevölkerung zu schützen, schreibt ein südafrikanischer Pfarrer, der seit einigen Jahren in Mosambik arbeitet, in einer E-Mail an „welt-sichten“. Seinen Namen will er nicht genannt sehen aus Sorge um seinen Aufenthaltsstatus. „Die Menschen in Mosambik wollen keinen Krieg mehr. Sie haben die Nase voll von der Korruption, von der vor allem die Mächtigen profitieren.“
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