Antirassistische Demonstration in München im Sommer 2020. Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung erkennt das BMZ nicht als förderbare Bildungsarbeit an.
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Bildungsförderung: Neue Themen, aber weniger Geld

Das Entwicklungsministerium hat ein neues Konzept für die entwicklungspolitische Bildung vorgelegt. Die Zivilgesellschaft konnte mitreden, sieht aber dennoch etliche Lücken.

Bildungsarbeit ist der zentrale Schlüssel, um die Welt bis 2030 im Sinne der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sozial und ökologisch umzugestalten, betont das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Sein Ende August veröffentlichtes Konzept „Entwicklungspolitische Informations- und Bildungsarbeit“ beschreibt die Rahmenbedingungen, unter denen das Ministerium Organisationen aus der Zivilgesellschaft fördert, die eben diese Bildungsarbeit leisten. Als Unterorganisation des BMZ vergibt Engagement Global in dessen Auftrag Geld an Organisationen und Initiativen, die Förderanträge für Veranstaltungen, Seminare und Aktionen stellen.

Eine wichtige Basis dafür ist das UNESCO-Programm „Bildung für nachhaltige Entwicklung: die globalen Nachhaltigkeitsziele verwirklichen (BNE 2030)“. Es gibt den UNESCO-Mitgliedsstaaten Empfehlungen, wie sie ihre entwicklungspolitische Bildungsarbeit bis zum Ende des Jahrzehnts gestalten sollen. Auch das BMZ hat sich zu diesem Programm bekannt. 

Musik, Theater, Tanz als förderungswürdig anerkannt

Neu gegenüber dem letzten Positionspapier des Ministeriums zur entwicklungspolitischen Bildung, dem sogenannten Konzept 159 aus dem Jahr 2008, ist unter anderem, dass Migrantenorganisationen sowie Lehrkräfte und Dozenten explizit als Zielgruppen von Bildungsarbeit benannt werden, meint Jan Wenzel von Venro, dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe. Außerdem würden jetzt auch Musik, Theater, bildende Kunst oder Tanz als pädagogische Elemente in der Bildungsarbeit anerkannt und gelten damit als förderungswürdig. Bei beiden Punkten handelt es sich um Forderungen aus der Zivilgesellschaft. 

Venro und die Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke (agl) waren als Vertreter der Zivilgesellschaft bei der Erstellung des neuen Konzepts beratend eingebunden. Allerdings wurden nicht alle ihre Forderungen aufgenommen. So kritisiert Venro in einer Stellungnahme, die für die Agenda 2030 nötigen Veränderungsprozesse würden zu kleinteilig auf individueller Ebene gesehen, während umfassendere politische Veränderungen im globalen Norden nicht thematisiert würden. 

Anti-Rassismus-Arbeit sollte ebenfalls gefördert werden

Seit Jahren umstritten zwischen Zivilgesellschaft und dem Ministerium ist auch die Frage, inwiefern Anti-Rassismus-Arbeit, Diskriminierung und Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Themen der vom BMZ geförderten entwicklungspolitischen Bildungsarbeit sein können und sollen. „Die Bildungspraxis zeigt, dass diese Themen in der Gesellschaft sehr präsent sind“, sagt Wenzel. Das BMZ hat dieses Thema jedoch nicht in sein Papier aufgenommen. Manuel Blendin von der agl bedauert das, denn auch das UNESCO-Papier „BNE 2030“ legt eine rassismuskritische Arbeit nahe. „Wir werden weiter mit dem BMZ über diese Fragen diskutieren“, sagt Blendin.

Nicht so recht zu den Bekenntnissen im BMZ-Papier passen die vom Ministerium für 2022 geplanten Kürzungen bei der Bildungsarbeit. Im Haushaltsentwurf des Kabinetts der alten Bundesregierung für 2022, der im August ins Parlament eingebracht, aber nicht mehr verabschiedet wurde, veranschlagt das BMZ die Förderung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit im kommenden Jahr mit 35 Millionen Euro – das sind zehn Millionen weniger als in diesem Jahr. Für Befremden sorgt zudem der Zusatz im Haushaltsentwurf, es gebe weniger „wegen Anpassung im Rahmen des Gesamtbedarfs“, denn angesichts der SDGs und der UNESCO-Bildungsdekade, denen sich auch das BMZ verpflichtet sieht, sind die Anforderungen an Bildungsarbeit sicher nicht geringer geworden. „Bereits 2021 war der Haushaltstitel Förderung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit unseres Wissens um 200 Prozent überzeichnet“, sagt Jan Wenzel von Venro. Das heißt, es wurden doppelt so viele Anträge auf Förderung bei Engagement Global gestellt, als bewilligt werden konnten. „Das liegt nicht an der Qualität der Arbeit.“

Kurswechsel mit der neuen Regierung?

Bei Engagement Global sieht man das anders. Man könne keine Prozentzahlen mit Bezug auf diesen Titel ermitteln, heißt es aus der Pressestelle auf Anfrage. Denn aus dem maßgeblichen Haushaltstitel würden nicht nur Mittel für die Projektförderungen zur entwicklungspolitischen Bildungsarbeit entnommen, sondern auch für andere Programme von Engagement Global. Die Entscheidung über die Bewilligung von Förderanträgen liege letztendlich beim BMZ. Außerdem gebe es selbstverständlich Projektanträge, „die nicht gefördert werden können, weil sie die entsprechenden Fördervoraussetzungen nicht erfüllen“.

Aufseiten der Zivilgesellschaft besteht die Hoffnung, dass sich die im Haushaltstitel beantragten Kürzungen mit einer neuen Regierung noch verhindern lassen. Manuel Blendin von der agl sagt: „Wir hoffen, da ist mit einer neuen Regierung noch Bewegung im Haushaltstitel.“

erschienen in Ausgabe 12 / 2021: Das Spiel der großen Mächte

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