Die christlichen Kirchen in Deutschland dringen auf eine gerechtere und humanere Migrationspolitik. Es sei skandalös und zutiefst beschämend, dass die Würde und die Rechte von Geflüchteten an vielen Orten weltweit missachtet und verletzt würden, so auch an den Außengrenzen der EU, auf dem Mittelmeer und derzeit an der polnisch-belarussischen Grenze, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, bei der Vorstellung des Gemeinsamen Wortes der EKD und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) am Donnerstag. Er nannte die Situation unerträglich.
Der 214 Seiten umfassende Text steht unter dem Leitgedanken „Migration menschenwürdig gestalten“. Es ist bereits das zweite Gemeinsame Wort zu Migration. Das erste erschien 1997. Mit-Autorin Marianne Heimbach-Steins sagte, der Text soll ein „migrationsethischer Kompass“ sein. Er sei als ethische Intervention zu verstehen und gehe inhaltlich über das hinaus, was im Moment politisch möglich erscheine. Biblisch fundiert sei er in der christlichen Nächstenliebe, die das Freund-Feind-Denken überwinde.
Migration ist nicht das Problem - sondern erzwungene Migration
Auf jeder Seite einer Grenze seien Menschen. „Dass wir das betonen müssen, ist angesichts der Situation im Mittelmeer, im Ärmelkanal, an der bosnisch-kroatischen und an der polnisch-belarussischen Grenze eigentlich eine Schande“, sagte die Professorin für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster. Nicht Migration sei das Problem, sondern die erzwungene Migration. Internationales Ziel müsse es daher sein, die Treiber dafür - Hunger, Armut und Gewalt - zu bekämpfen, sodass Menschen in ihren Heimatländern bleiben könnten.
Ihr Kollege aus der ökumenischen Arbeitsgruppe, der Hildesheimer Politikwissenschaftler Hannes Schwammann, sagte, wenn die Verhinderung von Migration das einzige sei, was die Europäische Union noch zusammenhalte, sei diese keine Wertegemeinschaft mehr. Die Arbeitsgruppe hatte den Text zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen erarbeitet.
Der stellvertretende DBK-Vorsitzende, Franz-Josef Bode, betonte, dass Migration für die Kirche nicht nur eine äußere Angelegenheit sei. Sie berühre alle Dimensionen kirchlichen Lebens. „Kirche ist stets eine Gemeinschaft von Migranten, mit Migranten und für Migranten“, sagte der Osnabrücker Bischof. Und die Bibel sei Migrationsliteratur.
Von Kirchenasyl bis Spurwechsel
Im letzten Kapitel definieren die Autorinnen und Autoren kirchliche Handlungsfelder. Die Kirchen sollten sich besonders gegen Menschenhandel, für zivile Seenotrettung, die Rechte von geflüchteten Frauen und Minderjährigen und das Recht auf Bildung und medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere einsetzen. Auch das Kirchenasyl als letzter Ausweg sei legitim.
Der EKD-Ratsvorsitzende äußerte Unterstützung für den Vorschlag von SPD, Grünen und FDP für einen sogenannten Spurwechsel. Dabei können Geflüchtete vom Asylrecht ins Migrationsrecht wechseln. Das sei vor allem dann sinnvoll, wenn die Personen zwar sehr gut integriert seien, aber nicht durchs Asylverfahren gekommen seien, sagte Bedford-Strohm.
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