So mancher Beobachter war erstaunt über die Kandidatur Müllers bei der UNIDO, der UN-Agentur für industrielle Entwicklung, war der Minister bislang doch bei multilateralen Organisationen kein allzu häufiger Gast. Wohl rückte er die Wirtschaft stärker an die Entwicklungspolitik, doch globale Strukturpolitik sei nie sein Faible gewesen, sagen manche. Der CSU-Politiker gab Impulse, meist in flammenden Reden, doch in der G20-Runde der Industrie- und Schwellenländer etwa, wo Deutschland wirklich etwas bewegen kann, war Müller nie in vorderster Reihe dabei.
So bilanziert der Dachverband Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe (Venro) acht Jahre Müller vor allem anhand der eigenen Projekte des Ministers – mit dem grundsätzlichen Lob, er habe in Zeiten von Kriegen in Syrien und im Jemen, von Fluchtbewegungen und der Corona-Pandemie die Entwicklungspolitik aus der Nische geholt. Ihr Bedeutungszuwachs sei bemerkenswert, lautet das Fazit.
Lieferkettengesetz als Erfolg
Zu den wichtigen Ergebnissen zählt der Verband, dass Müller in seiner Amtszeit Initiativen und Strategien entwickelt und in der Bundesregierung vorangebracht habe wie die Zukunftscharta „EineWelt – Unsere Verantwortung“. Diese habe schon vor der Verabschiedung der Agenda 2030 Antworten geliefert, wie Deutschland zu einer nachhaltigen Entwicklung weltweit beitragen könne. Leider habe die Charta später keine Rolle mehr gespielt, und die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung drehe sich viel mehr um nationale Ziele als um die globale Wirkung deutschen Handelns.
Die desolaten Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie weltweit waren für Müller Anstoß zur Gründung des Textilbündnisses. Grund zum Applaus sieht Venro darin, dass er die Grenzen freiwilliger Initiativen wie die seines Siegels „Grüner Knopf“ erkannt habe. Das Lieferkettengesetz, für das Müller mit dem SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil gemeinsam gestritten hat, sei ein Erfolg, auch wenn es Schwächen aufweise.
Wirtschaft lobt „Marshallplan mit Afrika“
Wirtschaftsvertreter sehen das naturgemäß anders. Das Lieferkettengesetz komme „sehr paternalistisch“ daher, kritisiert Christoph Kannengießer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft. Die Sorge der Wirtschaft sei, dass das Gesetz am Ende zu weniger Investitionen deutscher Unternehmen in Afrika führen wird.
Müllers Afrikapolitik findet hingegen Kannengießers Lob: Mit dem „Marshallplan mit Afrika“ habe der Minister „ein Konzept entwickelt, das berücksichtigt, dass klassische Entwicklungshilfe allein nicht die Antwort auf die Herausforderungen auf dem afrikanischen Kontinent sein kann“. Im Rahmen des „G20 Compact with Africa“ habe das Entwicklungsministerium die Tür für verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen weiter geöffnet.
Müllers Rolle beim Thema Migration
Genau das stößt bei Venro auf Kritik. Die Zusammenarbeit mit Afrika sei „zu stark auf die Wirtschaft ausgerichtet“. Trotz des Marschall-Plans sei es nicht gelungen, das Ziel einer gleichberechtigten Partnerschaft mit Leben zu füllen. Verhalten auch Venros Echo zum Thema Flucht und Migration: Die aufgelegten Programme konzentrierten sich auf die Themen Rückkehr sowie Migrations- und Grenzmanagement. Müller habe in der Zeit großer Fluchtbewegungen die Entwicklungszusammenarbeit aufwerten können. Leider hätten andere seinen Fokus auf die „Fluchtursachenbekämpfung“ vor allem als Migrationsabwehr verstanden und dargestellt – statt als das Ringen um bessere Lebensbedingungen. Kannengießer kritisiert wiederum, Gerd Müller habe „allzu oft Klischees über Afrika als Kontinent der Krisen und Katastrophen bedient“.
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