Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen

Wirtschaft und Menschenrechte
Die nächste Bundesregierung wird einen neuen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte fassen müssen. Ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen hat bereits formuliert, was drin stehen sollte.

Entwicklungsminister Gerd Müller hat in seiner Amtszeit nicht mit Kritik an der wirtschaftlichen Ausbeutung von Mensch und Natur in Entwicklungsländern gespart. Das im Juni verabschiedete Lieferkettengesetz geht maßgeblich auf sein Konto – und auf das der SPD. Ausgelaufen ist hingegen der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), der die entsprechenden Leitlinien der Vereinten Nationen umsetzen soll. Das Auswärtige Amt hat im August einen Statusbericht dazu vorgelegt und damit eine Grundlage für einen Nachfolgeplan für die nächste Legislaturperiode geschaffen. Ein vom Cora Netzwerk, dem Forum Menschenrechte und dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (Venro) verfasster „Schattenbericht“ dazu fordert ein stärkeres Engagement in allen drei Säulen der UN-Leitprinzipien: von staatlichen Schutzpflichten im In- und Ausland über Unternehmensverantwortung bis zum Zugang zu Rechtsschutz und Entschädigung für Betroffene. 

Folgen für Mensch und Umwelt müssten vor Verhandlungsbeginn eingeschätzt werden

In besonderer Verantwortung sehen die zivilgesellschaftlichen Organisationen den Staat da, wo er direkt am Wirtschaftsgeschehen teilnimmt, etwa bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Subventionen oder der Außenwirtschaftsförderung. Hier mangele es an verbindlichen Menschenrechtskriterien und Transparenz. Beihilfen sollten nur Unternehmen bekommen, die menschenrechtliche Sorgfaltspflichten erfüllen. Um das prüfen zu können, brauche es aussagekräftige Nachhaltigkeitsberichte über alle Subventionsprogramme. 

Global betrachtet erfordere die Schutzpflicht Vorkehrungen in Handels- und Investitionsabkommen. Deutschland müsse in allen solchen Abkommen für sanktionsbewehrte soziale, menschenrechtliche und ökologische Standards eintreten, fordern die Herausgeber des Schattenberichts. Mögliche Folgen für Mensch und Umwelt müssten vor Verhandlungsbeginn eingeschätzt werden. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sollten zu einer stärker menschenrechtsbasierten Kreditvergabe übergehen und Beschwerdewege eröffnen – Letzteres fehle auch in den Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. 

Zudem müssten in einer künftigen EU-Regelung Schwachstellen des deutschen Lieferkettengesetzes ausgebessert werden. Sorgfaltspflichten sollten nach Aussage des Schattenberichts nicht nur für Großbetriebe, sondern für alle in Risikosektoren tätige Unternehmen gelten und die gesamte Wertschöpfungskette statt nur die ersten Stufen umfassen. Eine zivilrechtliche Haftung sollte die Möglichkeit für Schadensersatzklagen schaffen. Zu regeln sei außerdem die Haftung von Audit- und Zertifizierungsstellen – die zum Beispiel beim Dammbruch in einer brasilianischen Erzmine im Jahr 2019 umstritten ist. 

Unklar bleibt, ob und wie Berlin den UN-Treaty unterstützt

Auf UN-Ebene sei die Rolle der Bundesregierung häufig „nicht hilfreich“ gewesen, kritisiert das Aktionsbündnis. So lasse auch der diesjährige NAP-Statusbericht im Unklaren, ob Berlin ein Verhandlungsmandat der EU zum UN-Treaty anstrebe und unterstützen wolle; dabei geht es um UN-Verhandlungen über verbindliche Regeln für Unternehmen. Der Schattenbericht fordert, die EU sollte nach Veröffentlichung des dritten Vertragsentwurfs möglichst schnell eine Analyse vorlegen, Verbesserungen vorschlagen und sich konstruktiv für ein ambitioniertes Abkommen einsetzen.

Im nächsten Nationalen Aktionsplan müsse zudem der Rechtsschutz für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen als Folge wirtschaftlicher Tätigkeit eine größere Rolle spielen. Konkret nennt der Schattenbericht kollektive Klagemöglichkeiten, ein Konzernstrafrecht, die Umkehr der Beweislast zugunsten von Betroffenen und bessere Prozesskostenhilfe. Der außergerichtliche Beschwerdeweg über die Nationale Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze müsse umgebaut und aus dem Wirtschaftsministerium ausgegliedert werden. 

Einer neuen Bundesregierung vorgreifend, hat der interministerielle Ausschuss, der die NAP-Umsetzung begleitet und auch den Statusbericht erstellt hat, beschlossen, seine Arbeit bis zur Annahme eines überarbeiteten Aktionsplans fortzusetzen.  
 

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erschienen in Ausgabe 10 / 2021: Pfingstler auf dem Vormarsch
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