Sehnsucht nach der ökologischen Idylle

Sehnsucht nach der ökologischen Idylle

Uwe Hoering Agrarkolonialismus in Afrika VSA-Verlag, Hamburg 2007, 160 Seiten, 12,90 Euro

Bauern sind die Verlierer der Globalisierung – darin sind sich Globalisierungskritiker und die Lobbyisten der Bauernverbände weitgehend einig. Sie werden zwischen den mächtigen Dünge-, Maschinen- und Saatgutlieferanten sowie den Nahrungsmittelkonzernen und dem Einzelhandel zerrieben. Die Chancen der Globalisierung werden hingegen in der Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft häufig ausgeblendet. Das tut auch Uwe Hoering. Teile seiner Kritik an den Praktiken internationaler Saatgutkonzerne und der forcierten Einführung der Gentechnik sind treffend. Doch die Glaubwürdigkeit des gesamten Buches leidet an seiner Einseitigkeit.

Nehmen wir das Beispiel Kaffee. Uwe Hoering zufolge sind die Kleinbauern, die 80 Prozent des Kaffees in Afrika produzieren, abhängig von einigen wenigen Händlern wie Volcafe und der Neumanngruppe sowie Kaffeeröstern wie Nestlé und Kraft Foods. Tatsächlich ist das Marktgeschehen um einiges komplexer. Auf der Produzentenseite gibt es starke Genossenschaften wie die Union de Cafétaleros de Colombia, und auf der Nachfrageseite spielen Unternehmen wie Starbucks oder Aldi eine zunehmende Rolle. Insgesamt ist der Markt wettbewerbsintensiv mit relativ geringen Margen für die Händler.

Zudem steigt die weltweite Nachfrage nach fairem, ökologischem und hochwertigem Kaffee sprunghaft an. Dafür werden Aufschläge von bis zu 60 Prozent über dem Weltmarktpreis gezahlt. Das stärkt die kleinbäuerlichen Produzenten, denn sie liefern eine höhere Qualität als die Großplantagen. Bislang profitieren davon allerdings fast nur die gut organisierten Genossenschaften der lateinamerikanischen Kaffeebauern. Der Großteil der Kooperativen in Kenia, Tansania und Kamerun kämpft dagegen mit schlechtem Management, mangelnder Transparenz und Korruption. Das sind die Hürden, die afrikanische Kaffeebauern überwinden müssen, um ihre Chancen auf den Weltmärkten wahrzunehmen. Davon findet sich allerdings bei Uwe Hoering kein Wort.

Auch bei der wichtigen Landfrage kratzt der Autor nur an der Oberfläche. Richtig ist, dass das Nebeneinander von traditionellen Landrechten und staatlichem Besitzanspruch komplexe Eigentumsprobleme verursacht. Aber die Verklärung traditioneller Landrechte übersieht wesentliche Strukturprobleme: In vielen Ländern wird das Land seit Jahrzehnten von zugewanderten Pächtern bewirtschaftet, die wesentliche Teile ihrer Erträge an die Eigentümer, in der Regel lokale Führer, abgeben müssen. Das ist nicht gerade ein Anreiz, aus Eigeninitiative in Produktivitätssteigerungen zu investieren.

Andererseits können diese Besitzverhältnisse eine Chance für die kleinbäuerliche Landwirtschaft sein, weil sie ein Hindernis für großflächigen Plantagenanbau darstellen. Voraussetzungen sind der Zugang der Kleinbauern zu Saatgut, Düngemitteln und insbesondere zahlungskräftiger Nachfrage. Dies ist etwa mittels Vertragsanbau möglich, der seine Leistungsfähigkeit bereits im Anbau von Baumwolle, Palmöl und Kautschuk, aber auch in der Milchwirtschaft unter Beweis gestellt hat. Die Einkommen der Kautschuk- und Palmölbauern in Afrika liegen heute deutlich über dem Durchschnitt ihrer Länder. Uwe Hoering hingegen unterstellt, die Bauern würden von den industriellen Agrarunternehmen systematisch übervorteilt. Dabei blendet er aus, dass die Bauern ihrerseits Einfluss ausüben können. Sie weichen auf andere Abnehmer aus, wenn sie die Vertragsgestaltung als ungerecht empfinden.

Die Grundmelodie des Buches ist die Sehnsucht nach dem Subsistenzbauern, der unbehelligt von den Kräften des Marktes in einer ökologischen Idylle produziert. Das verkennt die afrikanische Wirklichkeit. Subsistenzanbau in Afrika ist gleichbedeutend mit Armut und Umweltschäden. Afrikanische Bauern brauchen Zugang zu Märkten und eine Steigerung ihrer Produktivität. Nur eine leistungsfähige Landwirtschaft kann die ökologischen Schäden des Flächenverbrauchs einer schnell wachsenden Bevölkerung eindämmen.    

Roger Peltzer

welt-sichten 2/3-2008

 

 

erschienen in Ausgabe 2 / 2008: Pakistan - Staat in der Dauerkrise
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