Von Transparenz und Geschäftsgeheimnissen

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Xinhua / eyevine / laif
Ein Mann aus der indigenen Volksgruppe der Mbya Guarani arbeitet während der Erntezeit in San Pedro, Paraguay. In dieser Region ist der Konzern PAYCO aktiv. FIAN berichtet von Landkonflikten zwischen PAYCO und Indigenen-Gemeinden der Mbya Guarani.
Paraguay
Zwei Menschenrechtsorganisationen klagen gegen die deutsche Entwicklungsbank KfW. Sie wollen wissen, welche Umwelt- und Sozialauflagen der Firma Payco gemacht wurden, die in Paraguay Rechte einheimischer Gemeinden missachten soll.

Schwere Vorwürfe haben zwei Menschenrechtsorganisationen Ende Juni gegen die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erhoben: Sie sei indirekt in Projekte involviert, die in Paraguay zu Entwaldung und Landkonflikten mit Indigenen führten. FIAN, die sich für das Menschenrecht auf angemessene Ernährung in aller Welt einsetzt, und der Verein ECCHR, der mit juristischen Mitteln gegen schwere Menschenrechtsverletzungen von Staaten oder Unternehmen vorgehen will, haben deshalb am Verwaltungsgericht Frankfurt eine Auskunftsklage gegen die KfW eingereicht.

Der Fall ist kompliziert und hat Bedeutung über die Vorgänge in dem südamerikanischen Binnenstaat hinaus. Es geht um die Frage, inwieweit Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden und wie weit diese Verantwortungskette reicht. Und es geht darum, ob deutsche Abgeordnete, Journalistinnen und Menschenrechtler ein Recht darauf haben, Auskunft zu erhalten über wirtschaftliche Tätigkeiten, die auch mithilfe deutscher Staatsgelder finanziert werden.

Paraguay verzeichnet eine der höchsten Entwaldungsraten weltweit. Laut UN-Angaben sind rund zehn Prozent der Bevölkerung unterernährt, große Teile der indigenen Bevölkerung leben in extremer Armut. Tragen ausgerechnet die KfW und ihre Tochter DEG, die es sich auf die Fahnen geschrieben haben, Entwicklungsprojekte voranzutreiben, zu diesen Zuständen bei? Und warum wird diese Frage nun vor einem deutschen Verwaltungsgericht verhandelt?  

Von Luxemburg über Deutschland bis nach Paraguay

Es ist, wie so oft in der Welt der Wirtschaft und Finanzen, schwer zu durchschauen, wer wofür die Verantwortung trägt. Im Zentrum dieses Falles steht der Agrarinvestor Payco, eine Firma, die in Luxemburg registriert ist, aber in Paraguay zu den größten Landbesitzern zählt. Das Unternehmen betreibt hauptsächlich Sojaanbau und Viehzucht und verkauft auch genmanipuliertes Saatgut.

An Payco ist eine öffentliche deutsche Förderbank beteiligt: die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Sie finanziert private Unternehmen, die in Entwicklungs- und Schwellenländern tätig sind. Die DEG gab 2013 bekannt, sich mit 25 Millionen Euro an Payco zu beteiligen. Sie erhielt dadurch 15,8 Prozent der Anteile an dem Agrarinvestor. Die DEG ist eine Tochtergesellschaft der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der drittgrößten Bank Deutschlands, die im Auftrag des deutschen Staates als Förderbank in aller Welt Projekte finanziert. Kredite an private Firmen in Entwicklungsländern werden dabei von der KfW-Tochter DEG vergeben.

FIAN und das ECCHR haben nun geklagt, weil die KfW und die DEG die Umwelt- und Sozialpläne zu den Geschäften von Payco in Paraguay nicht herausrücken. „Die DEG stellt Unternehmensinteressen über Menschenrechte“, kritisiert Gertrud Falk, Referentin bei FIAN. „Uns erreichen immer wieder Informationen über Verletzungen von Menschenrechten durch Investitionsprojekte der Bank.“

Giftige Chemikalien und ungelöste Landkonflikte

Falk nennt Beispiele: Auf der von Payco erworbenen Landfläche Estancia Golondrina leben zwei Gemeinden von Indigenen vom Volk der Mbya Guarani. Sie erheben Anspruch auf rund 2000 Hektar Land der Estancia – bis heute ohne Erfolg.  Im Norden der größten Farm von Payco in der Region San Pedro beanspruchen Gemeinden ebenfalls Land, das ihnen zugesprochen worden war. Doch trotz eines schwebenden Verfahrens hat Payco dort Eukalyptus-Plantagen angelegt. Hinzu kommt laut FIAN, dass dort Chemikalien per Flugzeug versprüht sowie die umstrittenen Agrarchemikalien Glyphosat und Fipronil eingesetzt werden. „Aber um die Verantwortlichen – auch in Deutschland – zur Rechenschaft ziehen zu können, müssen erst einmal die nötigen Informationen öffentlich sein“, sagt Falk. Daran beißen sich FIAN und das ECCHR schon seit Jahren die Zähne aus. Seit 2013 sind sie mit der DEG im Gespräch, erfolglos.

In Paraguay ist das Land zwischen einigen wenigen Großgrundbesitzern aufgeteilt. 2,6 Prozent der Landeigentümer halten rund 86 Prozent des Landes. Payco ist der zweitgrößte Landbesitzer. „Vielen Kleinbäuerinnen bleibt damit nicht mehr viel zum Leben, sie haben kaum die Chance, etwas anzubauen, um sich selbst versorgen zu können“, erläutert Falk das Problem.

Im Aufsichtsrat der DEG: Das Entwicklungsministerium

Brisant ist der Fall auch, weil KfW und DEG nicht irgendwelche Banken sind. Die KfW wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als „Anstalt des öffentlichen Rechts“ gegründet. Ihr Kapital wird von der Bundesrepublik Deutschland und von den Bundesländern gehalten. Die Rechtsaufsicht hat das Bundesfinanzministerium, Vorsitzender des KfW-Verwaltungsrats ist der Wirtschaftsminister, zurzeit Peter Altmaier. Als nationale, öffentlich-rechtliche Förderbank hat die KfW ein besonderes Geschäftsmodell und verfolgt einen staatlichen Auftrag. So verhält es sich auch mit der DEG: Im Aufsichtsrat der DEG hat das Entwicklungsministerium den Vorsitz inne. „Projekte, die indirekt durch den deutschen Staat mitfinanziert werden, dem die KfW gehört, müssen menschenrechtskonform und öffentlich zugänglich sein“, erklärt deshalb das ECCHR.

Das sehen KfW und DEG anders. Sie lehnen die Auskunftsklage schon aus formalen Gründen ab. Die KfW betont, ihre Tochter DEG sei keine zur Auskunft verpflichtete Stelle nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). „Sie ist als privatrechtlich organisierte GmbH keine Behörde und steht einer Behörde auch nicht gleich (…) Die DEG gibt (…) eigenständig privatwirtschaftliche Finanzierungen an Unternehmen aus. Diese Aufgabe erledigt sie mit eigenen finanziellen Mitteln und handelt dabei unabhängig von der KfW“, heißt es in einem Schreiben, das „welt-sichten“ vorliegt. Was juristisch und abstrakt klingt, hat konkrete Folgen. Denn auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen sich die klagenden Menschenrechtsorganisationen in ihrer Forderung, die Banken mögen transparent über die Vorgänge in Paraguay Auskunft geben.

Von Bankgeheimnissen und Beschwerdemechanismen

Unabhängig davon, ob KfW und DEG gesetzlich verpflichtet sind, Informationen zu den Beziehungen der DEG zu Payco herauszugeben, stellt sich die Frage, warum sie die nicht aus eigenem Antrieb öffentlich machen. In einer Welt, in der Transparenz zu einem wichtigen Unternehmensziel erklärt wird – schon allein des guten Rufes wegen –, verwundert diese Haltung. Auf diese Frage verweist ein Unternehmenssprecher darauf, dass dies „aus Gründen des Bankgeheimnisses nicht möglich“ sei.

Während die KfW sich auf juristische Argumente zurückzieht, argumentiert die DEG inhaltlich. Sie betont, Sozialstandards und Nachhaltigkeit spielten eine große Rolle und würden selbstverständlich auch im Falle von Payco in Paraguay hochgehalten. Sie verweist auf Nachhaltigkeitsberichte von Payco, die online abrufbar sind (der letzte stammt aus dem Jahr 2019 und ist nur in spanisch vorhanden), und auf den Beschwerdemechanismus, den Betroffene nutzen könnten, wenn sie sich von Aktivitäten des Unternehmens benachteiligt sähen. „Die über den Beschwerdemechanismus eingehenden Beschwerden prüft ein unabhängiges, international erfahrenes Expertenpanel“, erklärt eine Sprecherin der DEG. „Zu diesen Experten zählt unter anderem Michael Windfuhr, stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Er hat FIAN-International mitbegründet und geleitet und war anschließend Menschenrechtsdirektor für Brot für die Welt.“

Der offizielle Beschwerdeweg der DEG: Kaum genutzt

Aber im Falle von Payco hat, obwohl FIAN von dokumentierten Verstößen spricht, noch niemand offiziell Beschwerde eingereicht. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. „Für betroffene Gemeinden im globalen Süden sind die bürokratischen Hürden oft hoch“, meint Falk von FIAN. Außerdem wüssten viele Indigene gar nichts von dem Beschwerdeverfahren. „Die DEG müsste diese Information gezielt verbreiten“, fordert sie. Zudem verweist sie darauf, dass Beschwerdeverfahren etwa in der Demokratischen Republik Kongo schon zwei Jahre liefen, ohne dass auch nur eine Mediation begonnen habe. Weder sei der Nutzen für die Betroffenen ersichtlich, noch gebe es Entschädigungsverfahren.

Dass die DEG sich an Unternehmen beteilige, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworden werden, sei weltweit zu beobachten, so Falk: „Wir wissen von solchen Fällen in Honduras, in Sambia, Panama, Sierra Leone und im Kongo.“ Mal würden Kleinbäuerinnen vertrieben, weil ihr Land für die Palmöl-Produktion genutzt werden soll, mal müssten indigene Gruppen weichen, wenn eine Zuckerrohrplantage entsteht. Bei neuen Staudammprojekten würden schon einmal Testflutungen durchgeführt, obwohl noch Menschen in den betreffenden Gebieten lebten. Ein ganz anderes Bild vermittelt die Zahl der offiziell vorgetragenen Beschwerden: Laut Homepage der DEG sind seit 2014 lediglich vier Beschwerden eingereicht worden – weltweit.

Ob das Informationsfreiheitsgesetz sowie das Umweltinformationsgesetz auf die KfW und ihre Tochter anwendbar sind, haben nun Frankfurter Richter zu entscheiden. Sollten sie die Banken zur Herausgabe der Umwelt- und Sozialpläne verpflichten, dann könnte zumindest im Falle von Paraguay etwas Licht ins Dunkel kommen.

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