Auf den mehr als 200 Seiten des Zwischenberichts ist viel zusammengetragen, was deutsche Politik leistet – von Versöhnungsarbeit nach Bürgerkriegen, über Rüstungskontrolle bis hin zu Beschäftigungsinitiativen für Geflüchtete. Kritiker monieren, in dem Zwischenbericht fehle eine Analyse zur Wirksamkeit des deutschen Engagements. Sie vermissen zudem einen strategischen Überbau, in welchem Maß und wo Deutschland Frieden fördern will.
Im Bundestag haben Ausschüsse damit begonnen, die Ende März federführend vom Außenministerium vorgelegte Bilanz zu erörtern. Außenminister Heiko Maas (SPD) hebt darin positiv hervor, dass sich die Bundesregierung besser abspreche. Instrumente und Fähigkeiten, die zum Krisenengagement zur Verfügung stehen, seien ressortübergreifend enger zusammengeführt worden: „Wir sind besser in der Lage, eskalierende Konflikte und Notlagen frühzeitig zu erkennen und häufiger vorbeugend einzugreifen“, schreibt Maas.
Abstimmung in permanenten Arbeitsgruppen
Für diese so genannte Politikkohärenz wurden tatsächlich permanente Arbeitsgruppen angelegt und ausgebaut. Darin stimmen sich die Ministerien für Äußeres, Inneres, Entwicklung und Verteidigung ab. Gemeinsam verfassten sie auch Strategien für wichtige Bereiche wie Rechtstaatsförderung, die Reform von Sicherheitssektoren oder die Vergangenheitsarbeit in konfliktträchtigen Gebieten. Es habe sich viel getan, lobt der Grünen-Politiker und Vorsitzende des Unterausschusses für zivile Krisenprävention Ottmar von Holtz.
Gleichzeitig sieht er noch viel Handlungsbedarf. So stoße die Kohärenz vor Ort oft an ihre Grenzen. Wenn bei einem friedensfördernden Vorhaben aus entwicklungspolitischer Perspektive der Bau eines Brunnens Sinn mache, müsse dafür oft ein komplett neues Projekt beantragt werden. Maßnahmen vor Ort müssten sinnvoll ineinandergreifen, sagt von Holtz. Zudem müssten alle Ressorts mit eingebunden werden. „Die Koordinierung muss über die Klassiker hinaus ausgeweitet werden“, fordert der Grünen-Politiker. „Wenn Wechselwirkungen zwischen Klimakrise und Sicherheit stärker in den Blick rücken sollen, wie der Bericht es als künftigen Schwerpunkt setzt, dann müssen auch die Ressorts für Umwelt und Wirtschaft mit an den Tisch.“ Gerade letzteres schaue aber nur ungern über den Tellerrand und auf Auswirkungen außerhalb der Landesgrenzen.
Kein stimmiges Gesamtbild
Auch der Beirat Zivile Krisenprävention und Friedensförderung stellt der deutschen Friedensarbeit ein gemischtes Zwischenzeugnis aus. Einerseits hätten die im Jahr 2017 veröffentlichten Leitlinien für mehr Dynamik gesorgt. Gleichzeitig moniert die aus Wissenschaftlern, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen bestehende Fachgruppe eine gewisse Planlosigkeit. Zum Beispiel vermisst der Beirat in dem Zwischenbericht ein Gesamtbild der eingesetzten Gelder und des Personals. Er untersuche auch nicht, welche Instrumente funktionieren und ziehe keine fundierte Bilanz zu einzelnen Ländern, etwa dem Engagement in Afghanistan. Zudem würden die diplomatischen Bemühungen in vielen Konflikten keiner kritischen Reflexion unterzogen.
Der Beirat spricht sich für einen weiteren Ausbau der zivilen Krisenprävention und der Friedensförderung aus – und zwar mit messbaren Ambitionen ähnlich dem Zwei-Prozent-Ausgabenziel des Bruttoinlandsprodukts für deutsche Verteidigungsausgaben. Derzeit sei das Management bestehender Konflikte mit Kapazitäten in den Ministerien immer noch besser ausgestattet als die Prävention von Ursachen und die Vorbeugung von Krisen.
Dass sich das ändern müsse, sieht auch der Ausschussvorsitzende von Holtz so. Der Grünen-Politiker plädiert vor allem dafür, bei jedem Herangehen an Krisen die Entwicklungs- und Friedensarbeit von vornherein mitzudenken – sei es bei Friedensmissionen oder der militärischen Ertüchtigung von Ländern im Sahel. Fehlender Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung oder Wasser verschärfe Konflikte immer. Mit dem nächsten Bericht über Deutschlands Friedensengagement sollen die Leitlinien in vier Jahren überarbeitet werden.
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