Vereint gegen Kinderarbeit

Herausgeberkolumne
Die Vereinten Nationen haben für 2021 das Jahr zur „Beseitigung der Kinderarbeit“ ausgerufen. Das Lieferkettengesetz ist hilfreich für die Aufgabe, aber nicht ausreichend.

Carsten Montag ist Vorstandsmitglied der Kindernothilfe.
Bis 2025, so wollen es die UN, sollen alle Formen von Kinderarbeit beseitigt werden. Koordiniert werden die Bestrebungen von der Allianz 8.7, einem globalen Bündnis, das von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bereits 2016 ins Leben gerufen wurde. Benannt ist sie nach dem Unterziel 8.7 der Ziele für nachhaltige Entwicklung. Es fordert, Zwangsarbeit abzuschaffen, moderne Sklaverei und Menschenhandel zu beenden und die schlimmsten Formen der Kinderarbeit zu beseitigen, einschließlich des Einsatzes von Kindersoldaten. Ein Jahr lang sind Einzelpersonen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Wissenschaft und Regierungen nun aufgerufen, Aktionen und innovative Maßnahmen vorzustellen, darüber zu berichten und mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Durch das Bündeln der internationalen Kräfte soll weltweit das öffentliche Bewusstsein für das Problem wachsen. Eigene Methoden und Ansätze zur Zielerreichung hat die Allianz bisher allerdings nicht vorgestellt. 

Da es um Nachhaltigkeit geht: Was kann in einem Jahr zur Beseitigung der Kinderarbeit überhaupt erreicht werden? Werden innovative Programme und Lösungen gefunden und dann wirklich nachverfolgt? Voraussetzung ist, dass ergänzend zu öffentlichkeitswirksamen Kampagnen auch auf lokales Handeln geschaut wird. Denn eigentlich braucht es jeden Tag deutliche Signale und Taten gegen Kinderarbeit – nicht nur im „Jahr gegen Kinderarbeit“! Angefangen bei Entscheidungen, die jeder Einzelne täglich trifft. Wir können mit unserem Handeln ein Zeichen gegen Kinderarbeit setzen und uns für globale Gerechtigkeit stark machen. Etwa durch einen bewussten und nachhaltigen Konsum von Produkten, die unter fairen Bedingungen hergestellt wurden – also für gerechte Löhne, unter ordentlichen Arbeitsverträgen und wirksamem Arbeitsschutz. So können wir für das Morgen bereits heute einen Unterschied machen. 

Nicht länger aus der Verantwortung stehlen

Dass gerade unser Konsumverhalten einen Unterschied machen kann, zeigt die aktuelle Debatte rund um das Lieferkettengesetz in Deutschland. Wir dürfen uns nicht länger aus der Verantwortung stehlen und komplexe Probleme wie Kinderarbeit den Ländern überlassen, in denen wir für relativ wenig Geld unter menschenunwürdigen Bedingungen produzieren lassen. Lange haben Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier miteinander gerungen. Nun liegen Eckpunkte für ein deutsches Lieferkettengesetz vor, ein Entwurf wurde gerade erarbeitet. Der Kompromiss weist aber noch einige Lücken auf. Ein Gesetz, dessen Geltungsbereich lediglich direkte Lieferanten umfasst, ist gegen Kinderarbeit unwirksam. Denn diese findet überwiegend in den vorgelagerten Stufen, etwa auf Baumwoll- oder Kakaoplantagen statt. Und ein Großteil der Kinderarbeit findet im informellen Sektor statt. 

Ungeachtet dessen rückt das Gesetz – ebenso wie die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz – diese Rechte mehr in den Fokus. Auch das hilft, ihnen insgesamt eine größere Bedeutung zukommen zu lassen. 

Um der komplexen Herausforderung Kinderarbeit langfristig und wirksam zu begegnen, bedarf es dem jeweiligen Kontext angepasster Lösungen unter Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen selber. So fördert die Kindernothilfe mit ihren Partnern weltweit das politische Engagement von arbeitenden Kindern und Jugendlichen, die ihre Forderungen selbst an Politik und Gesellschaft richten. Sie kennen ihre Lebensrealitäten und Bedürfnisse am besten und fordern daher flexible Bildungsmöglichkeiten, die sich mit ihrer täglichen Arbeit kombinieren lassen, ein sicheres Arbeitsumfeld mit Recht auf Schutz vor Gewalt und Diskriminierung oder faire Löhne für ihre Eltern.  

Gerade jetzt ist das unabdingbar. Die Corona-Pandemie hat bestehende Probleme verstärkt und bisher funktionierende Programme außer Kraft gesetzt. Darum müssen für nachhaltige Lösungen alle Beteiligten eine Rolle spielen: Staaten, Regierungen, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen und die arbeitenden Kinder und Jugendlichen selbst. Wir benötigen einen gesellschaftlichen Konsens, dass der Fokus unserer Wirtschaft nicht vor allem auf Wachstum zielt, sondern Menschenwürde und ökologische Erneuerung in den Mittelpunkt rückt. Dies wird nur mit Kindern und Jugendlichen gelingen.   

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erschienen in Ausgabe 4 / 2021: Abholzen, abbrennen, absperren
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