"Eine sinnvolle Ergänzung"

Zum Thema
Nichole Sobecki / VII / Redux / Laif
Das Kids Comp Camp in Kenia will jungen Leuten aus benachteiligten Gruppen zu guter Bildung verhelfen, gerade in Bezug auf digitale Technik.
Digitales Lernen
Kenia setzt so wie viele afrikanische Staaten auf digitales Lernen in der Schule. Die Entwicklung dort zeigt: Am wichtigsten ist die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer.

Leoni Roßberg hat ihre Masterarbeit an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg über Einsatz und Möglichkeiten von Bildungstechnologien am Beispiel Kenia geschrieben. Zusätzlich hat sie das Potential kenianischer Tech-Start-ups im Bildungsbereich untersucht.
Kenia hat in den letzten Jahren viel dafür getan, allen gute Bildung zugänglich zu machen, unterstützt auch von großen IT-Firmen und dem Digital Literacy Trust (DLT). Welche Rolle haben Bildungstechnologien dabei gespielt?
Der Anteil der Kinder, die eine Schule besuchen, ist seit der versprochenen kostenlosen Grundschulausbildung der Regierung   2003 auf ca. 87 Prozent gestiegen, das ist ein großer Erfolg. Aber die Qualität des Inputs, den die Schüler erhalten, ist oft mangelhaft. Hier sind digitale Angebote eine sinnvolle Ergänzung. Sie können Lernstoff flexibler und kostengünstiger verbreiten als Schulbücher, zudem schnell und auch in abgelegenen Regionen. Außerdem können sie in der Theorie auch lernschwächere Kinder besser fördern. Staatspräsident Uhuru Kenyatta hat deshalb zu seinem Amtsantritt 2016 jedem Schulkind ein Tablet versprochen. 

Sind denn gerade in den abgelegenen Regionen die technischen Voraussetzungen dafür gegeben?
Längst nicht immer. Während einige Schulen noch gar keinen Zugang zu Elektrizität, geschweige denn zu einem Internetanschluss haben, können sich viele andere Schulen diesen schlicht nicht leisten. Selbst dort, wo die technischen Voraussetzungen gegeben sind, ist digitales Lernen oft zu teuer. Die Kinder haben dann vielleicht ein Tablet, aber die Zusatzkosten für Strom, Internetzugang und auch Instandhaltung sind für Schule und Familien zu hoch, und die Geräte werden gar nicht eingesetzt. 

Das heißt, die Probleme sind vor allem technischer Art?
Nein. Das Wichtigste für den Erfolg digitalen Lernens ist trotz allem die Lehrerausbildung. Die Lehrenden mit den vielen Möglichkeiten von E-Learning vertraut zu machen, wurde bei all der Technik-euphorie bislang nie priorisiert. Viele Lehrer wissen nicht genau, wie sie digitale Angebote pädagogisch sinnvoll einsetzen können – das ist im Übrigen nicht nur im globalen Süden so. Unsere Untersuchungen haben eindeutig ergeben: EdTech kann guten Unterricht sinnvoll unterstützen, aber schlechten Unterricht macht auch sie nicht besser. 

Woran mangelt es vor allem?
An qualifizierten Lehrern. Zunächst müssten Regierung und Bildungsorganisationen deshalb den Lehrberuf insgesamt stärken. Im Hinblick auf die Technologie ist die Ausbildung von entscheidender Bedeutung, damit die Lehrer in der Lage, aber auch motiviert sind, Technologie in ihren Klassenzimmern einzusetzen.

Sie haben in Ihrer Arbeit auch das Potenzial von EdTech-Start-ups untersucht. Wo liegen deren Chancen?
Von den großen Lernplattformen, mit denen die Schulen im Augenblick zusammenarbeiten, kommen die meisten aus den USA – und damit auch die Geschichten, die sie erzählen. Da geht es dann beim Lesen, Schreiben und Rechnen um Äpfel und nicht um Mangos, um Schnee und nicht um Sand. Die kenianischen Start-ups berücksichtigen viel besser den regionalen Erfahrungshorizont und die örtlichen Lehrpläne. Ihr nationaler Fokus und ihr kulturelles Verständnis ermöglichen es ihnen, ein Lernprodukt zu entwickeln, das sowohl Lehrer als auch Lernende befähigt und anspricht. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, brauchen die Schulen aber natürlich die entsprechende Infrastruktur. 

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

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