Der Anteil der Kinder, die eine Schule besuchen, ist seit der versprochenen kostenlosen Grundschulausbildung der Regierung 2003 auf ca. 87 Prozent gestiegen, das ist ein großer Erfolg. Aber die Qualität des Inputs, den die Schüler erhalten, ist oft mangelhaft. Hier sind digitale Angebote eine sinnvolle Ergänzung. Sie können Lernstoff flexibler und kostengünstiger verbreiten als Schulbücher, zudem schnell und auch in abgelegenen Regionen. Außerdem können sie in der Theorie auch lernschwächere Kinder besser fördern. Staatspräsident Uhuru Kenyatta hat deshalb zu seinem Amtsantritt 2016 jedem Schulkind ein Tablet versprochen.
Sind denn gerade in den abgelegenen Regionen die technischen Voraussetzungen dafür gegeben?
Längst nicht immer. Während einige Schulen noch gar keinen Zugang zu Elektrizität, geschweige denn zu einem Internetanschluss haben, können sich viele andere Schulen diesen schlicht nicht leisten. Selbst dort, wo die technischen Voraussetzungen gegeben sind, ist digitales Lernen oft zu teuer. Die Kinder haben dann vielleicht ein Tablet, aber die Zusatzkosten für Strom, Internetzugang und auch Instandhaltung sind für Schule und Familien zu hoch, und die Geräte werden gar nicht eingesetzt.
Das heißt, die Probleme sind vor allem technischer Art?
Nein. Das Wichtigste für den Erfolg digitalen Lernens ist trotz allem die Lehrerausbildung. Die Lehrenden mit den vielen Möglichkeiten von E-Learning vertraut zu machen, wurde bei all der Technik-euphorie bislang nie priorisiert. Viele Lehrer wissen nicht genau, wie sie digitale Angebote pädagogisch sinnvoll einsetzen können – das ist im Übrigen nicht nur im globalen Süden so. Unsere Untersuchungen haben eindeutig ergeben: EdTech kann guten Unterricht sinnvoll unterstützen, aber schlechten Unterricht macht auch sie nicht besser.
Woran mangelt es vor allem?
An qualifizierten Lehrern. Zunächst müssten Regierung und Bildungsorganisationen deshalb den Lehrberuf insgesamt stärken. Im Hinblick auf die Technologie ist die Ausbildung von entscheidender Bedeutung, damit die Lehrer in der Lage, aber auch motiviert sind, Technologie in ihren Klassenzimmern einzusetzen.
Sie haben in Ihrer Arbeit auch das Potenzial von EdTech-Start-ups untersucht. Wo liegen deren Chancen?
Von den großen Lernplattformen, mit denen die Schulen im Augenblick zusammenarbeiten, kommen die meisten aus den USA – und damit auch die Geschichten, die sie erzählen. Da geht es dann beim Lesen, Schreiben und Rechnen um Äpfel und nicht um Mangos, um Schnee und nicht um Sand. Die kenianischen Start-ups berücksichtigen viel besser den regionalen Erfahrungshorizont und die örtlichen Lehrpläne. Ihr nationaler Fokus und ihr kulturelles Verständnis ermöglichen es ihnen, ein Lernprodukt zu entwickeln, das sowohl Lehrer als auch Lernende befähigt und anspricht. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, brauchen die Schulen aber natürlich die entsprechende Infrastruktur.
Das Gespräch führte Barbara Erbe.
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