Viele in Mkombamosi erinnern sich noch heute an den Junitag im Jahr 2011, als alle in ihrem Dorf im Südosten Tansanias so glücklich wirkten. Damals hatte der Ort in der Region Lindi rund 2000 Einwohner. Jede und jeder von ihnen, ob jung oder alt, erhielt eine Zahlung aus dem Projekt zum Schutz des Likangiro-Waldes, der im Besitz des Dorfes war. Das Geld war ihre Dividende aus dem ersten Jahr im REDD+- Programm, unter dem Geld für den mit Waldschutz verbundenen Klimaschutz fließen soll.
Der Likangiro-Wald erstreckt sich über 32 Quadratkilometer, etwa die Hälfte des Landes von Mkombamosi. „Wir bekamen alles in allem 15.000 US-Dollar, das war eine Menge Geld“, erinnert sich Said Omari Likwena, der damals Mitglied der Dorfregierung war. Weil sie einen wirtschaftlichen Nutzen davon hatten, begannen sich die Dorfbewohner mehr für Waldschutz zu interessieren. „Ganz allgemein stieg das Interesse am Umweltschutz“, sagt Likwena, der auch heute noch in der Dorfregierung für den Ausschuss zu natürlichen Ressourcen zuständig ist.
Im folgenden Jahr, 2012, sank die Dividende des Dorfes um mehr als ein Fünftel. Weshalb, konnte der aufsichtführende Bezirksrat der Region Lindi nicht genau erklären. Damit hatten die Dorfbewohner nicht gerechnet. Sie hatten im Gegenteil gehofft, Jahr für Jahr mehr Geld zu erhalten, zumindest nicht weniger als im ersten Jahr.
„Damit begann der Ärger“, berichtet Likwena. Die Menschen fürchteten, die Zahlungen könnten über die Jahre weiter schrumpfen. Dann hätte der Waldschutz für sie keinen Sinn mehr. Dazu kommt, dass längst nicht alle die Details und Mechanismen des Schutzprogramms wirklich verstanden hätten, erklärt Likwena. „Deshalb verdächtigten wir, als die Summe schrumpfte, die Vertreter des Regionalrats, in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben.“
Der Bezirksrat hatte ursprünglich die Dörfer ausgesucht, die kommunalen Wald hatten und am REDD+-Programm teilnehmen sollten. Sie wurden dann von der Abteilung Wald des Ministeriums für natürliche Ressourcen und Tourismus bevollmächtigt, dem REDD+-Programm beizutreten. Das Ministerium wiederum stand in direktem Kontakt mit Firmen und Staaten, die in den Handel mit Kohlenstoff-Zertifikaten involviert waren; daraus sollte das Geld für die beteiligten Dörfer kommen.
Nicht einmal Heilkräuter durfte man noch pflücken
Lindi gehörte zu den für das Programm vorgesehenen Regionen. Ein Auswahlkriterium war, dass ein Ort Wälder im Dorfbesitz haben musste, die gut gediehen. Die Bezirksräte boten dann diesen Dörfern an, an REDD+ teilzunehmen. Die konnten frei entscheiden, ob sie mitmachen wollten oder nicht. Mkombamosi entschied sich dafür. Es verpflichtete sich damit, seinen Wald vor Holzfällern, Lauffeuern, grasendem Vieh und landwirtschaftlicher Nutzung zu schützen. Außerdem durften die Dorfbewohner ihren Wald auch nicht anderweitig verwerten: Feuerholz sammeln, Pfosten oder Masten aufstellen und Heilkräuter pflücken waren verboten.
Das Ganze sollte über fünf Jahre gehen. Doch bereits 2012, nur ein Jahr später, verabschiedete sich Mkombamosi aus dem Programm. Wegen der unerwartet niedrigen Zahlungen im zweiten Jahr hatten die Dorfbewohner ihre Meinung geändert. Man erklärte ihnen, dass der Markt für Kohlenstoff unzuverlässig sei und keine Garantie für ein dauerhaftes Einkommen biete. „Außerdem drangen Bewohner des Dorfes Kikonji, das nicht beim REDD+-Programm mitmachte, in unseren Wald ein und fällten dort Bäume, bauten Feldfrüchte an und ließen ihr Vieh grasen.“ Das habe den Wald so geschädigt, dass Mkombamosi im zweiten Programmjahr weniger Geld für den Schutz erhalten habe, erklärt Agdullahi Liguga, der seit den Zeiten des REDD+-Programms zur Dorfregierung gehört. Er denkt, das Programm habe die Hoffnungen der Dorfgemeinschaft auf wirtschaftliche Verbesserungen „von Anfang an nicht erfüllt“.
Viele Dorfbewohner wussten nicht, worum es ging
Vielleicht trug das Programm den Keim des Scheiterns bereits in sich, als es startete, ohne die Dorfbewohner inhaltlich mitzunehmen. Viele von ihnen verstanden nicht wirklich, worum es bei dem Schutzprojekt eigentlich ging. Deshalb stimmten sie zwar dafür, waren aber mit ihrem Herzen nicht dabei, erklärt Liguga. „Das Programm wurde dem Dorf vom Bezirksrat und den Experten, die hinter ihm standen, aufgedrückt. Die Dorfbewohner wollten nur das Geld, und als das nicht in dem Ausmaß kam, das sie erwartet hatten, waren sie nicht mehr interessiert. Das Projekt war an der Basis überhaupt nicht verankert.“ Transparenz wurde anscheinend auch nicht großgeschrieben. In die Berechnungen, wie viel Kohlendioxid im Wald gebunden wurde und wie viel Geld dadurch für die Gemeinde heraussprang, erhielten die Dorfbewohner keinen Einblick. „Uns sagte man nur, welchen Betrag wir am Ende bekamen. Den Rest erklärte man uns nicht“, sagt Likwena.
Mustafa Nkang’ola gehörte zur Zeit des REDD+-Projekts nicht der Dorfregierung von Mkombamosi an, steht ihr heute aber vor. Er äußert Ärger über das Programm: „Es hat den Einheimischen verwehrt, die Ressourcen des Waldes für sich zu nutzen. Stattdessen sollten sie darauf warten, dass sie Geld bekommen.“ Zu allem Überdruss hätten die Dorfbewohner kaum Gelegenheit gehabt, ihre Meinung zu äußern und ihr Wissen über den Wald und wie man ihn erhält einzubringen. „Geld ist nicht alles für Menschen auf dem Land, fernab der modernen Zivilisation.“ Für ländliche Gemeinden ist ein Wald so etwas wie in der Stadt ein Supermarkt: Sie bekommen dort, was sie brauchen. Deshalb sorgen sie selbst dafür, dass der Wald erhalten bleibt.
Auszahlungen an Haushalte statt soziale Projekte
Andere Stimmen kritisieren, das REDD+-Programm habe die Dörfer nicht ermuntert, die Rendite klug auszugeben. Anstatt sie für soziale Dienstleistungen zu verwenden, hätten sie sie bar unter den Dorfbewohnern verteilt. In Mkombamosi erzählt man sich von Dörfern, in denen einzelne Haushalte umgerechnet bis zu 55 US-Dollar pro Person erhielten – für das ländliche Gebiet eine beachtliche Summe. Wäre das Geld in die Versorgung mit sauberem Wasser, in die medizinische Betreuung oder in andere soziale Dienste geflossen, stünden die Dörfer besser da, argumentieren einige Einheimische.
Zainab Ndomondo, die in Mkombamosi lebt, gehört zu denen, die sich über die individuelle Zahlung sehr gefreut haben: „Dieses Geld ist das einzige, was ich an REDD+ vermisse.“ Als es damals an die Dorfbewohner verteilt wurde, seien alle glücklich gewesen. „Noch nie hatte jemand Bargeld an alle verteilt, und die meisten von uns hatten noch nie so viel auf einmal zur Verfügung gehabt.“ Folglich hätten die Menschen das Geld voller Freude mit vollen Händen ausgegeben. Leider sei das ja nur zweial der Fall gewesen, bedauert sie. „Aber es war genug, um uns eine schöne Zeit zu bereiten. Darum ging es bei REDD+.“
Die Dorfregierung selbst scheint aber ihren Anteil an dem Geld sinnvoll angelegt zu haben. Sie errichtete ein Dorfbüro, bohrte drei kleine Brunnen, die heute allerdings nicht mehr funktionieren, und ließ einige Tische für die Schule zimmern. Regierungsvertreter betonen zudem, dass das REDD+-Programm das Bewusstsein der Dorfbevölkerung dafür gesteigert habe, wie wichtig der Erhalt von Umwelt und Wäldern ist. Dadurch, dass sie für den Naturschutz Geld bekämen, nähmen die Leute ihn ernst. „Wir im Ausschuss für natürliche Ressourcen und in der Dorfregierung bereuen es aber nicht, aus dem Programm ausgestiegen zu sein“, sagt Likwena.
Das Projekt war für die Gemeinden nicht transparent
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Der dritte wichtige Faktor dafür, dass REDD+ in Tansania gescheitert ist, sei der Mangel an Transparenz bei der Durchführung der Projekte gewesen. „Die Gemeinden hatten keine Ahnung, wie das Programm funktionierte, wie die Kohlenstoffmengen berechnet wurden und wie der Handel überhaupt ablief.“ Selbst die örtlichen Programmverantwortlichen und Experten schienen kaum Bescheid zu wissen und konnten den Dorfbewohnern ihre Fragen nicht beantworten, berichtet Sianga. Das habe zu einem Vertrauensverlust gegenüber den Verantwortlichen und gegenüber dem ganzen Programm geführt.
Es dauerte dann sechs Jahre, bis Mkombamosi schließlich begann, aus seinem Wald Einkommen zu ziehen. Grund dafür war ein neuer Ansatz des gemeindeorientierten Waldmanagements. Die Dorfregierung überarbeitete die Verordnungen zur Ernte, zur Vermarktung und zum Schutz von Produkten des Waldes. Die Zielrichtung entspreche mehr oder weniger der von REDD+, berichtet Likwane. „Aber wir schützen jetzt, um zu ernten, und die Erzeugnisse tragen dazu bei, Armut zu lindern.“ Während der REDD+-Zeit war es den Dorfbewohnern nicht erlaubt, irgendetwas aus dem Wald zu nutzen, und die Entscheidung darüber, wie viel Geld sie erhielten, lag nicht bei ihnen. „Die Jahre danach waren eine Übergangszeit für uns. Nun entscheiden nicht mehr andere darüber, wie wir unseren Wald managen, schützen und nutzen, sondern wir selbst.“
Auch der Bezirksrat erhält jetzt Geld
Am Anfang der Übergangsjahre litt der Wald unter halbherzigem Schutz und illegalen Plünderungen, denn die Dorfbewohner waren durch die Erfahrung mit dem REDD+-Programm frustriert und nicht motiviert, berichtet Likwena. Dank der Beratung durch die Tanzania Forest Conservation Group und das Netzwerk der Gemeindewälder (Community Forest Conservation Network of Tanzania) verfügt das Dorf heute aber über einen nachhaltigen Nutzungsplan für seinen Wald. Im Finanzjahr 2019-20 erzielte es Einnahmen in Höhe von 12.000 US-Dollar aus Holzverkäufen. Zwischen Juli und Dezember 2020 nahm Mkombamosi über 8000 US-Dollar ein. „Wir hoffen, mit der Zeit mehr Geld zu verdienen. Wir sind ja noch neu im Geschäft, kennen noch nicht viele Käufer und müssen noch an unseren Marketing-Fähigkeiten arbeiten“, sagt Likwena.
Der Bezirksrat von Lindi profitiert inzwischen von den Waldschutzmaßnahmen im Dorf Mkombamosi: Der Rat bekommt 19 Prozent von dem, was das Dorf jährlich mit der nachhaltigen Waldwirtschaft einnimmt. Die verbleibenden Einkünfte gehen zu gleichen Teilen an den Dorfausschuss für natürliche Ressourcen und die Dorfregierung. „Letztes Jahr hatten wir hier schwere Überschwemmungen, die viele Einheimische trafen. Da haben wir umgerechnet 650 US-Dollar an den Katastrophenfonds der Region Lindi gegeben.“ Auf diese Weise hätten nicht nur die Dorfbewohner, sondern auch viele weitere Menschen in der Region von dem Waldschutzprojekt profitiert, betont der Dorfvorsitzende Mustafa Nkang’ola.
Die Dorfregierung hat auch den Bau des Bezirks-Gesundheitszentrums mitfinanziert und Tische und Möbel für verschiedene Schulen besorgt. „Wir sind noch nicht so weit, dass wir unseren Bewohnern individuell Bargeld auszahlen können“, erklärt er. „Wir konzentrieren uns darauf, die sozialen Dienste zu verbessern. Aber sobald unser Einkommen wächst, wird es auch individuelle Ausschüttungen geben.“
Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
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