Die Schweiz setzt bei ihren Banken gerne auf Verschwiegenheit. Das zeigte sich lange beim Bankkundengeheimnis, das inzwischen abgeschafft wurde. Nun zeigt es sich erneut bei der Ausrichtung des Finanzplatzes auf klimaverträgliche Investitionen. Im November hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) die Ergebnisse eines Klimaverträglichkeitstests des Schweizer Finanzmarkts präsentiert. Wie die einzelnen Banken und Pensionskassen abgeschnitten haben, erfahren jedoch nur sie selber; der Öffentlichkeit wurde bloß das Gesamtergebnis der Studie präsentiert.
Dennoch lassen sich aus dem Test interessante Schlüsse ziehen. So beteiligten sich unter Zusicherung der Diskretion 179 Finanzinstitute an dem freiwilligen Test; auch die Schweizerische Bankiervereinigung hatte eine Teilnahme empfohlen. Laut dem Bafu erreichte der Test eine Abdeckung von 80 Prozent, die Ergebnisse seien „repräsentativ für den gesamten Schweizer Finanzmarkt“. Banken und Pensionskassen können das Thema nicht ignorieren.
Unter die Lupe nahmen die Analysten Investitionen in Form von Aktien und Obligationen in die Förderung von Öl, Kohle und Gas, die Stromerzeugung, den Transport sowie die Zementproduktion. Bereits 2017 hatte das Bundesamt einen Klimatest durchgeführt, dieser stand aber nur Pensionskassen und Versicherungen offen. Wer bereits damals teilnahm, hat nun beim zweiten Test im Durchschnitt besser abgeschnitten: „Die Hälfte aller Teilnehmenden an beiden Testrunden hat eigenen Angaben zufolge aufgrund der Testresultate von 2017 Klimamaßnahmen ergriffen“, schreibt das Bafu in einer Medienmitteilung. Zudem gaben bei der Befragung zwei Drittel der Teilnehmenden des aktuellen Tests an, über eine Klimastrategie zu verfügen.
Doch insgesamt ist der Schweizer Finanzplatz noch lange nicht auf Kurs, seinen Beitrag zu leisten, die globale Klimaerhitzung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, wie im Pariser Klimaabkommen gefordert. So investieren Banken und Pensionskassen laut der Studie viermal so viel in Firmen, die Strom aus fossilen Quellen wie Kohle oder Erdgas erzeugen als in Strom aus erneuerbaren Quellen. Laut einem Bundesratsbeschluss soll die Schweiz ein führender Standort für nachhaltige Finanzdienstleitungen werden.
Statt freiwilliger Tests brauche es neue Regulierungen
Damit der Finanzplatz seinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leiste, brauche es „noch mehr konkrete Maßnahmen“, räumt das Bafu in der Medienmitteilung ein. Der Test soll in zwei Jahren wiederholt werden. Auch Österreich, Luxemburg, Norwegen und Schweden führen Klimatests nach der gleichen Methode unter dem Stichwort Pacta 2020 (Paris Agreement Capital Transition Assessment) durch.
Die Klima-Allianz, ein Zusammenschluss von Schweizer Umweltorganisationen, fühlt sich durch den Report in ihrer Ansicht bestätigt: Statt solcher freiwilliger Klimatests brauche es neue Regulierungen. Banken und Pensionskassen seien wie in der Europäischen Union zu verpflichten, „ihre Strategien zur Reduktion der finanzierten Treibhausgasemissionen“ offenzulegen, heißt es in einer Medienmitteilung der Allianz. Zudem sollten sie verbindliche Handlungspläne festlegen, wie sie ihr Geschäft klimaverträglich ausrichten wollen. Aufgrund seiner weltweiten Bedeutung könne die Schweiz am wirkungsvollsten über ihren Finanzmarkt zum globalen Klimaschutz beitragen, ist das Bündnis überzeugt.
Der Druck der Zivilgesellschaft wird also nicht kleiner. Die Sozialdemokraten prüfen laut Medienberichten die Lancierung einer Volksinitiative, um den Finanzplatz zu klimaverträglicheren Investitionen zu zwingen. Und manchmal kommt der Druck auch von unerwarteter Seite, wie Jörg Gasser, der Geschäftsführer der Schweizerischen Bankiervereinigung, vergangenes Jahr während einer Tagung einräumte. Bei ihm zu Hause am Familientisch gebe es manchmal hitzige Diskussionen. Der Grund: Seine Tochter sei Mitglied bei Extinction Rebellion, einer Organisation, die unter anderem mit Straßenblockaden resolut für mehr Klimaschutz kämpft. Stefan Boss
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