Die Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter der früheren Oppositionellen Aung San Suu Kyi hatte schon im Jahr 2015 bei den ersten mehr oder weniger freien Wahlen seit Jahrzehnten gesiegt. Allerdings bewahrte sich das Militär ein Viertel der Parlamentssitze, wichtige Ministerposten und ein Veto gegen Verfassungsänderungen.
Auch bei den Parlamentswahlen am 8. November hat die NLD nach offiziellen Angaben den Sieg errungen, wie verschiedene Medien berichteten. Die EU bezeichnete den aktuellen Urnengang, noch bevor Ergebnisse feststanden, als „Meilenstein in Myanmars demokratischem Übergang“. Zugleich forderte eine Sprecherin des Auswärtigen Dienstes Nachwahlen, wo noch nicht gewählt werden konnte, sowie „ alle ethnischen, religiösen und Minderheitsgruppen vollständig einzubeziehen“. Die EU biete weitere Hilfe bei der Demokratisierung an, erklärte die Sprecherin. Die EU unterstützt in dem südostasiatischen Land schon länger Bestrebungen hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; ein Teil der Entwicklungshilfe von über 650 Millionen Euro seit 2014 ist in diese Bereiche geflossen. Ein anderer Hebel sind Handelspräferenzen.
Überzogene Erwartungen
Trotzdem kommt es laut Beobachtern immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen, am stärksten gegen die muslimische Minderheit der Rohingya. Einen Höhepunkt erreichten diese im Jahr 2017 mit einer Gewaltwelle, in der Hunderttausende vor allem nach Bangladesch vertrieben wurden. Die EU reagierte unter anderem mit öffentlicher Kritik, einer Erweiterung ihres Waffenembargos und Sanktionen gegen 14 Vertreter des Militärs und der Sicherheitskräfte. Das Europaparlament schloss Suu Kyi deswegen im September 2020 aus der Gemeinschaft der Träger des Sacharow-Preises aus, den es ihr 1990 zuerkannt hatte – ein beispielloser Vorgang.
Nach Einschätzung des Asien-Experten Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik waren die EU-Erwartungen an Suu Kyi und ihre Partei allerdings von vornherein überzogen. Man habe in der charismatischen Politikerin „Myanmars Nelson Mandela“ und zugleich „unsere Verbündete“ gesehen, die zügig einen weitreichenden Übergang zur Demokratie umsetzen werde. Für ausgebliebene Reformen und die Verbrechen gegen die Rohingya macht Heiduk neben den Militärs Suu Kyi selbst verantwortlich. Der Forscher bezweifelt aber, dass eine schärfere Gangart der EU wirksam wäre. In Myanmar reagiere die gesamte politische Klasse, ob für oder gegen das Militär eingestellt, „extrem sensibel“ auf vermeintliche Einflussnahmen von außen.
Allerdings habe er schon vor den Wahlen beobachtet, dass EU-Verantwortliche ihre Fühler zu potentiellen neuen Partnern in Myanmar ausstreckten, sagt Heiduk. Dazu gehörten ethnische Parteien ebenso wie Akteure der Zivilgesellschaft sowie der Nachwuchs der NLD, die bislang auch innerparteilich ziemlich undemokratisch sei.
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