Wie eng ist der im Nahen Osten verwurzelte Islamische Staat (IS) mit seinem Ableger im Gebiet des Tschadsees verbunden, dem „Islamischen Staat in der Provinz Westafrika“ (ISWAP)? Darüber ist wenig Sicheres bekannt. Vincent Foucher von der Crisisgroup hat mit früheren Mitgliedern von ISWAP oder Boko Haram gesprochen – von Boko Haram hat sich ISWAP 20176 abgespalten – und sehr interessante Einsichten zutage gefördert.
Danach hat der Führer der in Nordnigeria entstandenen Terrorgruppe Boko Haram, Abubakar Shekau, 2015 Kontakt zum IS aufgenommen – was bei den schlechten Internetverbindungen in Nigeria nicht leicht war. Erst als Boko Haram militärisch in die Klemme geriet, suchte er aber vermehrt beim IS Hilfe, vermied es aber weiter, dem Kalifen Treue zu schwören. Der IS gab unter anderem Geld, vor allem aber theologischen, ideologischen und politischen Rat. Dem folgte Shekau aber oft nicht – auch nicht, als der IS eine Delegation nach Nigeria schickte. So fand der IS Angriffe auf Moscheen sowie den Einsatz von Kindersoldaten und von Frauen und Mädchen als Selbstmordattentäter kontraproduktiv an, um eine stabile Herrschaft zu errichten. Er riet auch zu regelmäßigem militärischem Training, wofür die Afrikaner laut einem Befragten aber zu faul waren.
Als sich Boko Haram 2016 über diese Fragen spaltete, versuchte der IS zu vermitteln. Doch das scheiterte und der IS unterstützte dann die Abspaltung ISWAP. Die folgte stärker seinem Rat und entwickelte sich in Richtung einer geregelten, staatsähnlichen Herrschaft. Das Bündnis, schließt Foucher, nützt beiden Seiten, der Einfluss des IS auf die afrikanischen Terrorgruppen ist aber schwach. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Zeit bis 2018, danach gehörte keiner der Befragten mehr zu ISWAP oder Boko Haram. Sie sind aber sehr aufschlussreich. Wenn afrikanische Dschihadisten vom IS Grundzüge einer disziplinierten Organisation übernehmen, kann sich das als folgenschwerer Import erweisen.
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