Langer Abschied von Frankreichs Währung

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Der Franc CFA gilt vielen als Zeichen der Abhängigkeit von Frankreich: Afrikaner demonstrieren in Rom gegen die mit dem Euro verknüpfte Währung.

Franc CFA
Afrikanische Länder halten Währungsreserven in Paris – das könnte bald vorbei sein. Die gemeinsame Währung Franc CFA bindet 14 Staaten in West- und Zentralafrika an die frühere Kolonialmacht Frankreich. Alle beteiligten Länder wollen das ändern.

Der Franc CFA ist ein Relikt aus der Kolonialzeit. Genau genommen handelt es sich um zwei über Frankreich miteinander verbundene Währungssysteme: eines für die früheren französischen Kolonien in Westafrika und eines für die in Zentralafrika. Das Kürzel CFA stand dabei in den Jahren ab 1945 zunächst für Colonies Françaises d’Afrique (französische Kolonien Afrikas); das wurde in den 1960er Jahren geändert in Communauté financière en Afrique (Finanzgemeinschaft in Afrika) für die beteiligten Staaten Westafrikas und Coopération financière en Afrique centrale (Finanzkooperation im zentralen Afrika) für die Zentralafrikas. 

Französische Entscheidungsträger nehmen jedoch weiter eine Schlüsselrolle bei allen wichtigen Beschlüssen zur Finanz- und Geldpolitik im Währungsraum des Franc CFA ein. Den Aufsichtsräten der zwei Zentralbanken – der für das französischsprachige Westafrika mit Sitz in Dakar (Senegal) und der anderen für Zentralafrika mit Sitz in Yaoundé (Kamerun) – gehören neben Gouverneuren aus den Mitgliedsländern auch Vertreter Frankreichs an. Ursprünglich drei Viertel und heute die Hälfte der Währungsreserven und Deviseneinlagen der beteiligten afrikanischen Staaten müssen bei der französischen Zentralbank deponiert werden, die inzwischen wie die Bundesbank zu einer Art Filiale der Europäischen Zentralbank (EZB) geworden ist. Und die Geldscheine sowie Münzen werden in Frankreich hergestellt, in einer Druckerei in Chamalières in der Auvergne. 

Die beiden Währungen innerhalb des Franc CFA waren und sind frei und zu einem festen Wechselkurs in französische Francs beziehungsweise Euro konvertierbar. Vor Einführung des Euro erhielt man bis 1994 für 50, für danach 100 Francs CFA einen französischen Franc; nun sind etwa 656 Francs CFA einen Euro wert. Der feste Wechselkurs erleichtert erheblich den Abfluss von Gewinnen aus Afrika in Richtung Europa, den es vor allem deswegen gibt, weil meist französische oder europäische Firmen im Rohstoffgeschäft in Afrika verdienen und dort nur wenig Weiterverarbeitung stattfindet. Er beseitigt auch das Umtauschrisiko infolge schwankender Wechselkurse – für in Afrika tätige Firmen, die ihre Kapitalerträge abführen, für Im- und Exportfirmen, aber auch für Überweisungen in der Familie und für Touristen.

Das ändert sich nun. Im Dezember 2019 haben der französische Präsident Emmanuel Macron und das Staatsoberhaupt der westafrikanischen Côte d’Ivoire, Alassane Ouattara, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz den Ausstieg aus dem Franc CFA angekündigt. In französischen Medien war vom Ende dieser postkolonialen Sonderwährung die Rede; kurz darauf präzisierten dieselben Medien, es handele sich eher um eine Reform. Tatsächlich betrifft die Änderung zumindest vorläufig nur die Wirtschafts- und Währungsunion des westlichen Afrika (UEMOA), nicht den benachbarten zentralafrikanischen Währungsraum. Anfang August meldete aber die kamerunische Web­site „Actu Cameroun“, dass auch die Staaten der westafrikanischen Währungsgemeinschaft CEMAC in naher Zukunft einen identischen Beschluss fassen könnten.

Die Ankündigung hat eine Vorgeschichte: Die Mitgliedsstaaten der westafrikanischen Zentralbank in Dakar hatten bereits seit längerem den Grundsatzbeschluss gefasst, sich ab 2020 aus der Währungsunion mit Frankreich zu lösen. Das war seit Jahrzehnten immer wieder diskutiert worden. So schlossen die Länder der UEMOA und kurz darauf auch die der zentralafrikanischen Währungsunion CEMAC im Jahr 1994, infolge der Abwertung des Franc CFA um die Hälfte, einen sogenannten Konversionspakt, dem zufolge sie ihre jeweiligen wirtschaftlichen Niveaus angleichen wollen. Das ist ungefähr vergleichbar mit den im Maastricht-Vertrag 1991/92 für die Europäische Union festgeschriebenen Konvergenzkriterien. Die multilateralen Verhandlungen über den Ausstieg aus dem Franc CFA gerieten jedoch immer wieder ins Stocken, da viele der beteiligten afrikanischen Staaten Frankreich als postkoloniale Macht mit nach wie vor hegemonialem Einfluss nicht brüskieren wollten.

Autor

Bernard Schmid

ist Anwalt und Publizist in Paris. Er ist unter anderem im Ausländer- und Asylrecht tätig und vertritt auch Menschen aus afrikanischen Ländern. 2011 ist von ihm im Unrast Verlag (Münster) ein Buch über Frankreichs Rolle in Afrika erschienen.
Nun haben also Emmanuel Macron und Alassane Ouattara genau diesen Ausstieg angekündigt. Demnach sollte der Franc CFA in der westafrikanischen Währungszone ab Juni 2020 einer neuen Währung unter dem Namen Eco weichen. Das Datum konnte man nicht einhalten, unter anderem weil die Covid-19-Pandemie alle wirtschaftlichen und politischen Planungen über den Haufen geworfen hat. Hinzu kommen die politische Instabilität in einigen Ländern der Region, etwa der Militärputsch in Mali im August sowie der Tod des Premierministers und aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten Amadou Gon Coulibaly in der Côte d’Ivoire im Juli. 

Seit Präsident Alassana Ouattara eine erneute Kandidatur für die Wahl Ende Oktober angekündigt hat, haben die Spannungen in der Côte d’Ivoire zugenommen (siehe den Beitrag auf Seite 32). Das Land, das allein 40 Prozent der Wirtschaftsleistung der französischsprachigen Länder Westafrikas (also der Region ohne Nigeria und Ghana) auf sich vereinigt, wird mindestens bis zum voraussichtlichen Wahltermin am 31. Oktober mit inneren Schwierigkeiten zu kämpfen haben und sich darauf konzentrieren. Das Nachbarland Mali steht seit dem Putsch unter einem wirtschaftlichen Embargo der Nachbarstaaten; am 21. August schloss die westafrikanische Zentralbank BCEAO ihre drei Niederlassungen in Mali. 

Der Eco muss noch warten

Die Staaten der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas haben die Einführung einer gemeinsamen Währung namens Eco ohne neues Datum verschoben. Das hat ein Gipfeltreffen im September beschlossen und ...

Die Pläne für eine Währungsumstellung dürften also nur mit erheblicher Verzögerung umgesetzt werden. Dennoch ist damit zu rechnen, dass nach der Ankündigung vom Dezember 2019 der westafrikanische, nach Meldungen aus dem Sommer 2020 auch der zentralafrikanische Franc CFA früher oder später abgeschafft wird. Die französische Regierung hat im Mai dieses Jahres einen Gesetzesentwurf dafür vorgelegt. Frankreich wird demnach seine Gouverneure aus dem westafrikanischen Zentralbankrat und infolge der neueren Entwicklung wohl auch aus dem der zentralafrikanischen abziehen. 

Dies könnte die Tür für eine Beteiligung der beiden stärksten Ökonomien im westlichen Afrika öffnen: der ehemaligen britischen Kolonien Nigeria und Ghana. Beide Länder sind an den bisherigen Entscheidungen im Währungsraum des Franc CFA nicht beteiligt, diskutieren jedoch auf regionaler politischer Ebene über die Einführung des Eco mit und haben grundsätzlich Interesse an einer gemeinsamen Währung bekundet. Das deutet auf einen von Frankreich gemeinsam mit seinen regionalen Verbündeten kontrollierten Übergang hin. Eine gemeinsame Währung hätte für Nigeria und Ghana den Vorteil stabiler Wechselkurse im Austausch mit ihren regionalen Nachbarn.

Vor allem Nigeria, der mit Abstand einwohnerreichste und wirtschaftlich stärkste Staat im westlichen Afrika, stellt dafür jedoch Bedingungen. Dazu gehören eine Abkehr von der Bezeichnung Franc CFA, die ohnehin schon beschlossen ist, und ein Auszug oder Ausschluss französischer Gouverneure aus dem Zentralbankrat. Auch diese Bedingung dürfte in Erfüllung gehen. Nigerias Regierung wünscht jedoch auch, dass keine Deviseneinlagen mehr in Frankreich getätigt werden müssen und dass die neue Währung neben dem Euro auch mit anderen Währungen, jedenfalls dem Dollar, konvertibel sein müsse – und dies „ohne Umweg“: Bisher kann der Wechselkurs gegenüber einer anderen Währung nicht unabhängig vom Euro festgelegt werden.

Ob diese beiden Bedingungen erfüllt werden, ist ungewiss. So fordern zwar auch westafrikanische Wirtschaftswissenschaftler, für eine neue Währung müsse der feste Wechselkurs zum Euro aufgegeben werden. Bei der offiziellen Verkündung des Beschlusses im Dezember 2019 war davon jedoch nicht die Rede: Vielmehr soll demnach auch der Eco fest an den Euro gekoppelt werden.

Ungeklärt scheint auch, wie hoch der Wechselkurs angesetzt werden soll. In sozialen Netzwerken und manchen Medien in Westafrika ist die Rede davon, der Kurs könnte künftig 1200 Eco für einen Euro betragen; das wäre laut Kritikern eine weitere Abwertung nach der im Jahr 1994 einseitig von Frankreich beschlossenen Abwertung des Franc CFA um die Hälfte. Wird eine Währung in Relation zu einer anderen abgewertet, verteuert das Importgüter und macht Exporte ins Ausland billiger. 
In Westafrika wird über diese Fragen heftig diskutiert. Wirtschaftswissenschaftler in den betroffenen Ländern äußern sich unterschiedlich, und auch auf politischer Ebene verläuft die Diskussion kontrovers. Der in Frankreich und Afrika tätige Wirtschaftsanwalt Boris Martor etwa begrüßt das Ende des westafrikanischen Franc CFA als „historische Entscheidung“.

Dagegen schreibt der auf afrikanische Ökonomien spezialisierte französische Publizist, Zeitungsjournalist und Betreiber des Blogs „Questions Africaines“ Loup Viallet, der künftige Eco werde aus Sicht der betroffenen Länder „noch schlimmer als der Franc CFA“, da ihm kein gemeinsamer Markt als ökonomische Basis zugrunde liege. Stattdessen blieben die jeweiligen Länder weiterhin am Export auf Märkte außerhalb der Region ausgerichtet. Wirtschaftswissenschaftler aus Kamerun wie Dieudonné Essomba formulieren ähnliche Bedenken. Ihnen zufolge wäre es entscheidend, dass unabhängig von einer realen oder nur vermeintlichen währungspolitischen Souveränität Rohstoffe in den afrikanischen Ländern verarbeitet und nicht überwiegend unverarbeitet exportiert werden. 

In dieser Situation trifft die Covid-19-Pandemie Westafrika hart. Aufgrund von Corona sind die Exporte der stark von Rohstoffausfuhren abhängigen Region eingebrochen. Ihr droht eine Rezession, sollte die Krise länger dauern. Im April wurde der Konversionspakt der UEMOA ausgesetzt; Nigeria hatte das bereits im Februar 2020 verlangt, also vor der Pandemie. Begründung: Die Unterschiede in der Wirtschaftsleistung der künftigen Mitgliedsländer des Eco seien bislang zu groß. 
Die Währungsumstellung wird mittel- bis längerfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit kommen, jedenfalls wenn nicht innenpolitische Verwerfungen wie derzeit in Mali und Côte d’Ivoire das verhindern. Offen ist, ob über die bislang am Franc CFA beteiligten Länder hinaus auch englischsprachige Staaten wie Nigeria oder Ghana daran teilnehmen werden. Eine Lösung ohne diese beiden genannten Staaten wäre zwar einfacher zu erreichen, da die französischsprachigen Länder in West- und Zentralafrika sich ja bisher schon eine gemeinsame Währung und zwei regionale Zentralbanken geteilt haben. Andererseits wäre eine wirtschafts- und währungspolitische Union ohne Frankreich und ohne den regionalen ökonomischen Giganten Nigeria deutlich schwächer aufgestellt.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2020: Idealismus und Karriere
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