Nach dem Willen des Parlaments soll die Schweiz den Anteil der Entwicklungshilfe bis 2015 schrittweise auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens erhöhen. National- und Ständerat hatten vor rund einem Jahr der Aufstockung zugestimmt und verlangt, dass der Bundesrat 2009 einen Zusatzkredit vorlegt. Die Regierung beschloss jedoch im Frühjahr, wegen der Wirtschaftskrise zunächst die finanziellen Folgen analysieren zu lassen. Mitte Oktober hat sie nun das Ergebnis präsentiert und einen Bericht verabschiedet. Fazit: Die Entwicklungshilfe soll vorerst nicht steigen. Der Bundesrat rechnet vor, dass die öffentliche Entwicklungshilfe jährlich um 7,1 Prozent wachsen müsste, um das 0,5-Prozent-Ziel bis 2015 zu erreichen. In den Jahren 2010 bis 2013 würden die zusätzlichen Kosten rund 775 Millionen Franken jährlich betragen, von 2013 bis 2015 wären es rund 960 Millionen Franken. „Dem steht die Konsolidierung des Bundeshaushalts gegenüber“, hält der Bundesrat fest. Das Finanzdepartement sei beauftragt worden, ein Sparprogramm auszuarbeiten, das in den Jahren 2011 bis 2013 Entlastungen von jährlich rund 1,5 Milliarden Franken bringe. Mehrausgaben für die Entwicklungshilfe müssten aus anderen Budgetposten kompensiert werden, was der Bundesrat als unrealistisch erachte.
Nächstes Jahr will die Regierung lediglich Kapitalerhöhungen für die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken sowie die Wiederauffüllung von zwei Entwicklungsfonds vorschlagen. Zusätzliche Mittel dafür sollen allerdings erst ab 2013 bereitgestellt werden. Damit könnte es statt zu einer Zunahme sogar zu einer Kürzung der Hilfe kommen: Weil das Parlament multilaterale Beiträge auf 40 Prozent der gesamten Entwicklungshilfeausgaben begrenzt habe und die Hilfe insgesamt nicht steigen soll, müssten andere Posten entsprechend gekürzt werden, zum Beispiel die Zuschüsse für UN-Organisationen. Der Bundesrat fragt deshalb in seinem Bericht, ob das Parlament auf den 40-Prozent-Beschluss „zurückkommen“ sollte.
Die Hilfswerke kritisieren den Bericht scharf. Der Bundesrat weigere sich, die beschlossene Erhöhung umzusetzen. Das sei unannehmbar. Noch schlimmer aber sei, dass zusätzliche Beiträge an internationale Finanzierungsinstitutionen durch Kürzungen bei den UN-Organisationen und der bilateralen Hilfe kompensiert werden müssten, kritisiert Alliance Sud. Die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke fordert das Parlament dazu auf, im kommenden Jahr nur dann einen Zusatzkredit für die internationalen Finanzierungsinstitutionen zu genehmigen, wenn dafür zusätzliche Mittel aufgewendet werden. Im Parlament will die überparteiliche Gruppe „Suisse-Solidarité internationale“, der rund 70 Abgeordnete angehören, den Bundesrat mit Vorstößen zur Umsetzung der Parlamentsbeschlüsse zwingen. Ob sich jedoch angesichts des Sparprogramms erneut eine Mehrheit für mehr Entwicklungshilfe aussprechen wird, ist offen. (Charlotte Walser, InfoSüd)