Auf Kosten der Entwicklungspolitik

Die EU-Kommission hat im September dem EU-Ministerrat und dem EU-Parlament vorgeschlagen, künftig nur noch anhand von fünf und nicht mehr wie bisher anhand von zwölf Bereichen zu prüfen, ob und wie stark die Politik der Europäischen Union entwicklungspolitische Anliegen berücksichtigt. Nichtstaatliche Organisationen kritisieren, das Verständnis der EU von Kohärenz nutze in erster Linie der Wirtschaft.

Ausgerechnet der Blick auf die Handelspolitik der EU und ihre „verheerenden“ Folgen fehle in der Mitteilung der EU-Kommission, stellt der Dachverband nichtstaatlicher Organisationen (NGO), Concord Europe, in einer Stellungnahme fest. Die Kommission nenne Ernährungssicherheit als einen der Bereiche, in denen die EU-Politik auf ihre Kohärenz geprüft werden solle, ignoriere aber einen wesentlichen Grund für deren Gefährdung: die EU-Agrar- und Außenhandelspolitik. Damit verliere die ganze Übung ihre Glaubwürdigkeit, sagte Rob van Drimmelen vom europaweiten Netzwerk protestantischer NGOs APRODEV bei der Vorstellung der Concord-Studie Mitte Oktober.

Zwar habe die EU-Kommission bei einzelnen Punkten durchaus Fortschritte gemacht. In vielen anderen Bereichen aber blieben vereinzelte Bemühungen, in der Handels- und der Wirtschaftspolitik entwicklungspolitische Ziele zu berücksichtigen, im komplizierten Gefüge der politischen Entscheidungen sowohl zwischen den Instanzen der EU als auch zwischen ihnen und den EU-Mitgliedstaaten stecken. Die Mitteilung der Kommission verdeutliche, dass die Entwicklungspolitik zunehmend  für die eigenen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen instrumentalisiert werde, urteilt Concord. Der NGO-Verband zeigt das in seinem Bericht  anhand der fünf von der Kommission vorgeschlagenen Bereiche, an denen künftig das Kohärenzgebot geprüft werden soll (Klimawandel, Nahrungssicherheit, Migration, geistige Eigentumsrechte sowie Sicherheit). In diesen Bereichen sei die EU-Politik durchaus konsistent, nur leider nicht im Sinne ganzheitlicher entwicklungspolitischer Ansätze etwa zur Bekämpfung der Armut.

Hinzu kommt, dass die Kommission in ihrer Mitteilung ankündigt, in ihrer Politik künftig neben der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) auch die Wirkung privater Finanzströme in die Entwicklungsländer stärker zu berücksichtigen. Die NGOs kritisieren an diesem Konzept, das die Kommission „ODA plus“ nennt, dass damit die öffentliche Hilfe als Hebel zur Mobilisierung privater Kapitalflüsse umfunktioniert werde. Es sei absehbar, dass sich die Hebelwirkung irgendwann umkehre und auch die öffentliche Hilfe privatwirtschaftlichen Interessen unterworfen werde.

 

erschienen in Ausgabe 12 / 2009: Klimawandel: Warten auf die Katastrophe
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