Marktradikalismus ist ungeeignet

Die Bundesregierung sollte ein Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe und Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen. Das fordern die Deutsche Welthungerhilfe und terre des hommes in ihrem diesjährigen Bericht „Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe“, den sie Anfang November vorgelegt haben. Der Dachverband entwicklungspolitischer Organisationen VENRO verlangt derweil von der neuen BMZ-Leitung ein „klares Bekenntnis zur Armutsbekämpfung“.

Im Mittelpunkt des diesjährigen Berichts „Die Wirklichkeit der Entwicklungshilfe“ stehen die finanziellen Anforderungen an die Bundesregierung, die die beiden Hilfswerke mit Blick auf den Klimagipfel in Kopenhagen sehen. Im Kern fordern sie, die staatlichen Entwicklungsgelder aufzustocken, so dass sowohl die bisherigen Aufgaben der Entwicklungspolitik als auch zusätzlich die Anpassung der Entwicklungsländer an die Folgen des Klimawandels bezahlt werden können. Als Marge hierfür nennen terre des hommes und Welthungerhilfe ein Prozent vom Bruttonationaleinkommen – rund ein Drittel mehr als die international vereinbarte Zielmarke von 0,7 Prozent für staatliche Entwicklungsleitungen und das Zweieinhalbfache der tatsächlichen deutschen Leistungen derzeit (etwa 0,40 Prozent). Das Engagement gegen den Klimawandel dürfe nicht auf Kosten anderer entwicklungspolitischer Aufgaben gehen, so die Hilfswerke weiter. Auch dürften zusätzliche Mittel nicht als Kredite vergeben werden. Andernfalls würden Länder, die als nicht kreditwürdig gelten, leer ausgehen und eine neue Schuldenspirale würde in Gang gesetzt.

terre des hommes und die Welthungerhilfe begrüßten es, dass die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin als „eigenes Politikfeld“ im Kabinett vertreten sei. Allerdings dürfe das jetzt FDP-geführte Entwicklungsministerium (BMZ) nicht auf das freie Spiel der Kräfte setzen, mahnte die Geschäftsführerin von terre des hommes, Danuta Sacher. „Marktradikale Konzepte“ seien „erwiesenermaßen ungeeignet“, Lösungen für die aktuellen Probleme – von der Klimakrise bis zu Ernährung, Bildung und Gesundheit – zu bieten. Das zeige auch der mäßige Erfolg der bisherigen öffentlich-privaten Partnerschaftsprojekte (PPP), sagte Wolfgang Jamann. Der Generalsekretär der Welthungerhilfe forderte, die ländliche Entwicklung in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit zu rücken.

Der neue Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel begrüßte die „kritische Begleitung“ der Entwicklungspolitik durch Hilfswerke und Kirchen: „Das schärft unseren Blick.“ Die Mittel für klimarelevante Projekte und Programme müssten erhöht werden. Besonders wichtig sei, dass die Bundesregierung mit Blick auf die Entwicklungsländer „kohärent“ handle, erklärte Niebel, ohne das jedoch näher zu erläutern. Welthungerhilfe und terre des hommes hatten vorgeschlagen, die Hälfte der Erlöse aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten, die das Bundesumweltministerium verwaltet, für Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern zu verwenden. Bis jetzt wird dafür wesentlich weniger verwandt.

Der Dachverband der entwicklungspolitischen Hinfsorganisationen VENRO forderte von Minister Niebel ein klares Bekenntnis zur Armutsbekämpfung. Leider habe die FDP bereits angekündigt, dass die vorgesehene Erhöhung des BMZ-Etats kleiner als geplant ausfallen werde. Zugleich müsse Niebel die Sorge zerstreuen, dass das Entwicklungsministerium künftig „außenpolitischen oder deutschen Wirtschaftsinteressen“ folge, erklärte die VENRO-Vorsitzende Claudia Warning, die auch dem Vorstand des Evangelischen Entwicklungsdienstes angehört. Die FDP hatte vor der Wahl gefordert, das BMZ ins Auswärtige Amt einzugliedern. Entwicklungszusammenarbeit und deutsche Außenwirtschaftsinteressen künftig stärker zu verknüpfen, steht ausdrücklich auf der Agenda des schwarz-gelben Koalitionsvertrags.

 

erschienen in Ausgabe 12 / 2009: Klimawandel: Warten auf die Katastrophe
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