Mit den rund zwanzig Erkrankungen, darunter Bilharziose, Dengue-Fieber, Flussblindheit, Lepra und Schlafkrankheit, infizieren sich meist die ärmsten Menschen, sie werden aber selten gut erkannt und behandelt. Nach WHO-Schätzung sind mehr als eine Milliarde Menschen – jeder siebte auf der Welt – von einer oder mehreren der Erkrankungen betroffen. Sie behindern, entstellen, stigmatisieren und enden in einer halben Million Fällen pro Jahr tödlich.
Damit ist die Krankheitslast vergleichbar mit der von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria. Sie wird aber sowohl in der Forschung als auch in der Bekämpfung weit weniger aufmerksam verfolgt. In Nigeria etwa gehen Behörden davon aus, dass knapp ein Drittel der Bevölkerung gefährdet oder mit mindestens einer der Krankheiten infiziert ist, ohne behandelt zu werden.
Die WHO will in Ruandas Hauptstadt Kigali bei einem Gipfeltreffen im Juni eine „NTD Roadmap 2030“ verabschieden und dafür 1,5 Milliarden Dollar einwerben. Trotz Fortschritten bei der Eindämmung werden gerade die Ärmsten wegen unzureichender Gesundheitsdienste, mangelnder Hygiene und Konflikten schwer erreicht.
Deutschland hatte in der G7 den anderen Industrienationen im Jahr 2015 ein Bekenntnis zum verstärkten Kampf gegen die Erkrankungen abgerungen. Aus dem jüngsten Bericht darüber ist abzulesen, dass zwar dreistellige Millionenbeträge in die Erforschung und Entwicklung von Diagnostika und Therapien fließen, auch in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie, die Medikamente spendet. Zu wenig Mittel fließen aber in die Vorbeugung und die Behandlung.
Ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag der Regierung
Aus Regierungskreisen wird zwar signalisiert, dass man das Engagement verstärken wolle. Doch nach groben Schätzungen von Hilfswerken stellen alle Bundesressorts derzeit zusammen bestenfalls einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr gegen NTDs bereit. Zum Vergleich: Allein die größtenteils spendenfinanzierte Christoffel-Blindenmission (CBM) wendet im Jahr rund sechs Millionen Euro für die Bekämpfung nicht übertragbarer Krankheiten auf.
Bislang hat sich besonders Kanzleramtsminister Helge Braun, selbst ehemaliger Intensivmediziner, für das Thema starkgemacht. Er hat 2009 einen interministeriellen runden Tisch von Staatssekretären eingerichtet, was Beobachter damals als Durchbruch werteten, nachdem bis dahin die NTDs „wie ein Wanderpokal herumgereicht“ worden seien. Inzwischen liegt die Zuständigkeit federführend beim Entwicklungsministerium, wie aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der FDP im Bundestag von Ende Januar hervorgeht.
Darin werden die seit dem Jahr 2012 erzielten „beachtlichen Erfolge“ gewürdigt. Dennoch werde die Bekämpfung armutsassoziierter Infektionskrankheiten verstärkt, heißt es weiter, beispielsweise über Neuzusagen zu multilateralen Gesundheitsfonds und zu speziellen Initiativen der WHO.
In nichtstaatlichen Gesundheitsorganisationen führt dieser Fokus auf multilaterale Initiativen allerdings zur Sorge, das BMZ wolle sich aus bilateralen Projekten ganz zurückziehen – obwohl in der Antwort an den Bundestag die Stärkung der Gesundheitsversorgung und die Aus- und Weiterbildung von Personal in bilateralen Partnerländern als enorm wichtig betont werden. Jedenfalls zeigen die Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung erhebliche Skepsis gegenüber krankheitsspezifischen Programmen. Im Deutschen Netzwerk DNTDs, dem Wissenschaftsinstitute, Unternehmen und Hilfsorganisationen angehören, schließt man daraus, dass die Regierung sich gar nicht ernsthaft damit auseinandersetze, warum bisherige Ziele zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten unerreicht bleiben.
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