Das Nyarugenge-Gefängnis gehört zu den ältesten Gebäuden in Kigali. Im Jahr 1930 von den belgischen Kolonialherren erbaut, diente es bis Sommer 2018 durchgehend als Gefängnis. Insbesondere während der Aufarbeitung des Genozids 1994 waren hier Tausende Menschen eingesperrt – zum Teil unschuldig.
Mittlerweile hat Kigali anderswo ein moderneres Gefängnis, und die Regierung hatte bereits überlegt, aus dem alten Gebäude eine Wohnanlage oder ein Hotel zu machen. Kulturschaffende hätten dort gern ein Kulturzentrum gesehen oder ein Theater. Doch all diese Ideen sind nun vom Tisch. Mitte Januar wurde offiziell bekannt gegeben, dass die katholische Kirche auf dem 5,5 Hektar großen Gelände mitten in Ruandas Hauptstadt eine große Kathedrale bauen werde.
Bisher hat die Erzdiözese Kigali ihren Sitz in einem schlichten Gebäudekomplex, der zwar auch mehr als 1000 Gottesdienstbesuchern Platz bietet, aber wenig repräsentativ ist. Den Wunsch nach einer schönen Kathedrale hatte Erzbischof Antoine Kambanda bereits bei seiner Amtseinführung vor einem Jahr geäußert. „Kigali hat sich bemerkenswert entwickelt. Wir danken unserer Führung und insbesondere unserem Präsidenten für die Infrastruktur und Sauberkeit, die von allen unseren Besuchern bewundert wird“, zitieren ruandische Medien den Erzbischof. Sein Wunsch sei, „dass wir eine Kathedrale bauen können, die zu dem derzeitigen Trend in Kigali passt“. Präsident Paul Kagame, der der katholischen Kirche aufgrund ihrer Rolle während des Völkermordes eher kritisch gegenübersteht, soll daraufhin eine gute Zusammenarbeit mit den offiziellen Stellen in Aussicht gestellt haben. „Wir sollten zusammenarbeiten und eine neue und große Kathedrale an einem neuen Ort bauen“, sagte Kagame.
Dass der Präsident so wohlwollend auf die Wünsche der katholischen Kirche eingeht, hat auch einen inoffiziellen Hintergrund, wie David Fechner, Friedensfachkraft der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Kigali, erzählt. Die bisherige St.-Michel-Kathedrale grenze an die Residenz des Präsidenten, die heute größer ist als noch zur Zeit seiner Amtseinführung. Eine der Zufahrtsstraßen zur Residenz münde direkt auf den Parkplatz der Kathedrale. „Da dort viele Gottesdienstbesucher vorbeigehen, braucht es mehr Sicherheitskräfte, um die Zufahrt zu bewachen“, sagt Fechner. Da käme es dem Präsidenten ganz recht, wenn die Kirche woanders ihre Gottesdienste feiern würde.
Bei aller Begeisterung über die Neubaupläne wird weder von der katholischen Kirche noch in den ruandischen Medien auf die historische Verantwortung eingegangen, welche eine neue Kathedrale auf einem ehemaligen Gefängnisgelände mit sich bringen könnte. David Fechner hat einen ruandischen Bekannten darauf angesprochen. „Der meinte, man müsse bedenken, dass sehr viele Kirchen, sowohl katholische als auch protestantische, während des Völkermords Schauplatz von Massakern geworden seien und manche Geistliche eine sehr unrühmliche Rolle gespielt hätten.“ Nur wenige dieser Kirchen seien Gedenkstätten geworden, sagt Fechner. In den allermeisten sei der Alltag nach dem Genozid sofort wieder weitergegangen. Dagegen sei die Tatsache, sagt Fechner, „eine Kirche auf einem ehemaligen Gefängnisgelände zu erbauen, aus ruandischer Perspektive doch eher harmlos“. Katja
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