Hilfe für eine starke vierte Gewalt

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Korruption in Südafrika
DW/Nazir al Jezairi

Was ist die richtige Kamera­einstellung? Im Flüchtlingslager Schatila im Libanon bildet die DW Akademie seit 2016 Flüchtlinge zu Bürgerjournalisten aus.

Entwicklungspolitik
Seit einem halben Jahrhundert werden Journalisten aus dem globalen Süden von deutschen Organisationen fortgebildet. Doch inzwischen umfasst die Medien­entwicklungszusammenarbeit mehr als Trainings.

Recherchieren, Interviews führen, eine gute Geschichte schreiben: Das hat Sofia Mapuranga schon in der Journalistenschule in Harare gelernt, der Hauptstadt Simbabwes. Nicht aber, wie sie verhindert, dass die Regierung ihre E-Mails mitliest oder korrupte Unternehmer ihr Handy ausspähen. „Ich hatte keine Ahnung von digitaler Sicherheit“, erzählt die 40-Jährige Journalistin aus Simbabwe Anfang Dezember 2019 in Berlin. 

Als eine der wenigen unabhängigen Journalistinnen lebt sie gefährlich in dem südafrikanischen Land. Auf der von Reporter ohne Grenzen erstellten Rangliste der Pressefreiheit steht Simbabwe auf Platz 127 von 180. Der Staat darf Telefonate und den ­E-Mailverkehr von Journalisten ohne Richterbeschluss überwachen. „Bedrohungen erleben wir tagtäglich“, sagt Mapuranga. Behörden und Unternehmen übten Druck auf Journalisten aus, die sich kritisch äußern. 

Seit Mapuranga am Berliner Stipendienprogramm zur Stärkung von Journalisten im digitalen Raum von Reporter ohne Grenzen teilgenommen hat, kann sie ihre Mails verschlüsseln und weiß, wie sie mit dem Tor-Browser auf von der Regierung gesperrte Internetseiten gelangt. Seit 2018 lädt Reporter ohne Grenzen Medienschaffende aus Kriegs- und Krisenländern für vier Monate nach Berlin ein und schult sie in Sachen digitaler Sicherheit. Insgesamt 17 Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt wurden bisher fortgebildet, zurück in ihren Heimatländern sollen sie das Erlernte an Kollegen weitergeben. 

Journalisten-Workshops sind eine wichtige Säule der Medienentwicklungszusammenarbeit

In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit haben Workshops für Journalisten aus dem Süden eine lange Tradition. Bereits 1965 wurden die ersten afrikanischen Radiojournalisten und -techniker von Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Auslandssenders Deutsche Welle (DW) geschult. Trainings für Journalisten aus Entwicklungsländern sind bis heute eine wichtige Säule der staatlichen und nichtstaatlichen Medienentwicklungszusammenarbeit. Doch sie sind heute nur noch ein Teil der Medienförderung – und auch ihre Ziele haben sich verändert. 

In den 1960er und 1970er Jahren wollten deutsche und internationale Geber mit dem Aufbau von Radiostationen und Fernsehsendern zur Entwicklung in anderen Bereichen beitragen, etwa der Wirtschaft und der Bildung. „Die Ziele der Medienförderung waren entwicklungsbezogen gedacht“, sagt Sofie Jannusch, Koordinatorin des Forums Medien und Entwicklung, eines Netzwerks von 24 deutschsprachigen Medienentwicklungsorganisationen. „Beispielsweise wurden Radiosender aufgebaut, damit dort Alphabetisierungskurse laufen.“  Erst seit den 1980er Jahren sei der Aufbau unabhängiger Medien als vierter Gewalt ein eigenständiges entwicklungspolitisches Ziel.

Heute betont das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) beide Aspekte. Die Meinungs- und Medienfreiheit und der freien Zugang zu Informationen seien unveräußerliche Menschenrechte und „tragende Pfeiler einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft“, erklärt eine BMZ-Sprecherin. Gleichzeitig begünstigten freie Medien gute Regierungsführung und Korruptionsbekämpfung. „Sie leisten einen Beitrag zu friedlicher Konfliktlösung, zu Bildung und Wissen und wirtschaftlicher Entwicklung.“

Mehr Geld und neue Konzepte

Die mit Abstand größte Partnerorganisation des BMZ im Bereich Medienförderung ist die DW Akademie, das 2004 gegründete Ausbildungszentrum der Deutschen Welle. 2013 hat das BMZ die DW Akademie zum strategischen Partner erklärt; in seinem Auftrag setzt sie in 25 Ländern Medienprojekte mit jeweils eigenen Schwerpunkten um. Die Akademie erhält den größten Teil des jährlichen BMZ-Budgets für die Medienförderung – 2019 rund 24 Millionen von insgesamt 30 Millionen Euro. Die restlichen 6 Millionen gingen an nichtstaatliche Organisationen wie Reporter ohne Grenzen. Insgesamt hat das Entwicklungsministerium das Budget für die Medienförderung seit 2014 fast verdoppelt.  

Doch es fließt nicht nur mehr Geld. Im Rahmen der 2013 vereinbarten Partnerschaft haben das BMZ und die DW Akademie einen neuen strategischen Ansatz erarbeitet, der den Mediensektor als Ganzes in den Blick nimmt. Die Ausbildung von Journalisten sei nur noch „ein Element neben anderen“, sagt Jan Lublinski, Leiter der Abteilung Policy and Concepts der DW Akademie. Früher war der gelernte Wissenschaftsjournalist selbst als Trainer in Entwicklungsländern unterwegs. „Nur Journalisten auszubilden, ändert nicht viel“, sagt er heute. „Ein Journalist, der sein Handwerkszeug gelernt hat, aber in eine Redaktion zurückkommt, die kaum Geld hat und vielleicht von Selbstzensur geprägt ist, wird nichts bewegen können.“ 

Unter anderem setzt sich die DW Akademie deshalb auch für die Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Medienschaffende ein. In der Mongolei und Myanmar habe sie beispielsweise die Regierung beim Aufbau von Presseräten beraten, sagt Lublinski. Grundsätzlich sei die Arbeit an den politischen Rahmenbedingungen aber heikel: „In manchen Ländern ist das nicht gewollt.“ Die neue Strategie sieht auch vor, dass die DW Akademie gemeinsam mit Redaktionen und Medienhäusern Konzepte erarbeitet, wie sie hochwertige Berichterstattung leisten und gleichzeitig nachhaltig wirtschaften können.

Auch parteinahe Stiftungen fördern Medienhäuser im Süden

Auch beim früheren Kerngeschäft, der Ausbildung und Beratung einzelner Journalisten, hat sich viel getan. „Früher wurden für ein paar Wochen Trainer aus Deutschland eingeflogen, um vor Ort Workshops zu geben“, sagt Lublinski. Inzwischen versuche man eher, die Ausbildungsinstitutionen in den Projektländern zu stärken. So berate die Akademie Universitäten oder Journalistenschulen bei der Erstellung der Lehrpläne. Oft versuchten sie dabei, praktische Elemente in die Ausbildung zu integrieren, etwa in Form von Lehrredaktionen oder einem Campusradio, sagt Lublinski.  „Das ist besser, als selbst hinzugehen und das Training zu machen.“ 

Autor

Moritz Elliesen

ist Online-Redakteur bei "welt-sichten".
Nicht nur die DW Akademie, sondern auch die parteinahen Stiftungen fördern Medienhäuser und Journalisten im globalen Süden – die CDU-nahe Konrad Adenauer Stiftung (KAS) etwa in Subsahara-Afrika, Asien und Südosteuropa. In Asien bietet sie unter anderem Seminare für investigativen Journalismus und Online-Formate an. Im Medienprogramm Afrika spielt die Ausbildung von Journalisten keine Rolle. „Wir müssen einem kongolesischen Journalisten nicht beibringen, was der Unterschied zwischen einer Nachricht und einer Meinung ist“, sagt der Leiter des KAS-Medienprogramms Subsahara-Afrika, Christoph Plate. 

Plate hat mehrere Jahre für die ARD und den „Spiegel“ aus Nairobi berichtet. „Guter Journalismus kann nur funktionieren, wenn den Journalisten ein ordentlicher Lohn gezahlt und die Anfälligkeit für Korruption reduziert wird“, sagt er. Deshalb versucht die Stiftung, gemeinsam mit Verlegern und Redakteuren, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dabei setzt Plate vor allem auf den Austausch zwischen den Redaktionen:  „Wenn ein Verleger aus Mali erzählt, dass sie die Diaspora anzapfen, ist das für die Kollegen aus Südafrika vielleicht eine wertvolle Anregung“, sagt er. Auch die SPD-nahe Friedrich Ebert Stiftung hat regionale Medienentwicklungsprogramme in Afrika und Lateinamerika. Die Stiftungen anderer Parteien wickeln einzelne Medienprojekte über ihre Länderbüros ab.

Radios für Indigene, Hilfe für bedrohte Journalisten

Darüber hinaus verfolgen eine Vielzahl kleiner und mittelgroßer Organisationen in der Medienentwicklungszusammenarbeit jeweils eigene Schwerpunkte. Der Catholic Media Council (Cameco) etwa berät kirchliche Hilfswerke aus Deutschland und Partnerorganisationen im globalen Süden bei lokalen Medienprojekten. Besonders indigene Gemeinschaften seien häufig auf lokale Medien angewiesen, weil ihre Anliegen in den großen, überregionalen Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsendern nicht berücksichtigt würden, sagt Christoph Dietz, stellvertretender Direktor von Cameco.

Schweiz: Hilfe für Medien in Krisenländern

Die Schweiz unterstützt seit mehreren Jahren Zeitungredaktionen, Radiostationen und Fernsehsender in Entwicklungsländern. Ziele seien unter anderem, eine informierte ö ...

Die deutsche Organisation Media in Cooperation and Transition unterstützt Journalisten aus Kriegsgebieten oder autoritär regierten Ländern. Reporter ohne Grenzen hilft Journalisten, in ihrem Land unterzutauchen, oder versucht ihre Ausreise zu organisieren, wenn sie ins Visier der staatlichen Behörden geraten. Insgesamt 140 Journalisten aus der ganzen Welt hat das Nothilfe-Referat 2018 unterstützt.  

Im Forum Medien und Entwicklung tauschen sich die deutschen und eine Schweizer Organisation aus, die Medien im Süden fördern. „Das wechselseitige Lernen, die Kooperation und Koordination stehen im Vordergrund, auch wenn viele von uns auf dieselben Geldgeber angewiesen sind“, sagt die Forumskoordinatorin Jannusch. Auch der Platzhirsch, die DW Akademie, ist Teil des Netzwerks. Die anderen Organisationen leisteten mit ihrem regionalen oder thematischen Fokus einen wichtigen Beitrag und ergänzten die eigene Arbeit, betont Lublinski von der DW Akademie. 

Firewalls schützen nicht vor Polizeigewalt

Die simbabwische Journalistin Mapuranga ist nach dem Aufenthalt in Berlin nach Harare zurückgekehrt. Von dort berichtet sie vor allem für die Online-Plattform „Zimeye“ aus dem autoritär regierten Land. Nebenbei trifft sie sich mit Kollegen, um das Erlernte weiterzugeben. „Meine Kollegen sind sehr wissbegierig“, sagt sie. Doch vor allem für freie Journalisten sei es schwierig, sich die Zeit für ihre Workshops zu nehmen. „Sie müssen sich entscheiden, ob sie Geld verdienen oder etwas lernen wollen.“ 

Ihr selbst hat die Schulung geholfen. Sie könne jetzt einschätzen, welche Risiken es online gibt und wie sie sich schützen kann. Doch im Einsatz draußen auf der Straße hilft ihr auch das beste Verschlüsselungsprogramm nichts: „Wenn ich eine Demonstration gegen die Regierung filme, muss ich immer mit dem Polizeiknüppel rechnen“, sagt Mapuranga.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2020: Meinungs- und Pressefreiheit
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