Sind Deutschlands Klimaziele doch noch zu schaffen? Zumindest kommt eine Studie der Berliner Denkfabrik AGORA Energiewende zu dem Schluss, dass die CO2-Emissionen in Deutschland im vergangenen Jahr stark gesunken sind: um 50 Millionen Tonnen (sechs Prozent) im Vergleich zum Vorjahr 2018. Mit insgesamt 811 Millionen Tonnen im Jahr 2019 wurden damit 35 Prozent weniger Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre geblasen als noch 1990. Zur Erinnerung: Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent zu senken und bis 2030 um 55 Prozent. Das Ziel für 2020 scheint angesichts dieser Ergebnisse nicht mehr unerreichbar, dennoch sind die Forscher skeptisch.
Ironischerweise sind die CO2-Emissionen im Stromsektor auch dank der in Deutschland schon spürbaren Veränderungen des Klimas gesunken: Es gab mehr Sonne und mehr Wind. Die erneuerbaren Energien deckten 42,6 Prozent des Bruttostromverbrauchs ab und damit zum ersten Mal etwa genauso viel wie Kernenergie, Braun- und Steinkohle zusammen. Zugleich ist der Stromverbrauch im vergangenen Jahr gesunken – das hatte laut der Studie mit dem mäßigen Wirtschaftswachstum und der milden Witterung zu tun. Eine weitere Ursache für den Emissionsrückgang seien die gestiegenen Preise für CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel. Diese haben laut AGORA dazu geführt, dass fossile Kraftwerke ihre Stromproduktion im Jahresverlauf mehrmals deutlich reduziert haben, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig war. Gleichzeitig profitierten die Gaskraftwerke. Sie brauchen weniger CO2-Zertifikate für ihre Stromerzeugung und erhöhten ihren Stromabsatz um elf Prozent.
Maßnahmen der Bundesregierung genügen nicht
Soweit die guten Nachrichten, jetzt die schlechten: Im Verkehrssektor sind die Kohlenstoffdioxid-Emissionen gestiegen. Das erklären die Forscher vor allem mit der steigenden Nachfrage an spritfressenden SUVs, deren Marktanteil inzwischen bei 30 Prozent liegt. Im Verkehrs- und im Gebäudesektor wurde 2019 mehr Erdgas, Heizöl, Benzin und Diesel als im Vorjahr verbraucht.
Außerdem warnen die Forscher: Dass der Anteil der Windenergie an der Stromproduktion gestiegen sei, täusche über das fast völlige Erliegen des Windkraftausbaus im vergangenen Jahr hinweg. Denn der ist 2019 um 80 Prozent eingebrochen. Um in Zukunft auf 65 Prozent Anteil erneuerbare Energien zu kommen, müsse der Ausbau der Windkraft noch viel stärker gefördert statt erschwert werden. Insgesamt kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die bisher beschlossenen Maßnahmen des Klimapakets nicht genügen werden, um die Klimaziele zu erreichen.
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