Kinderrechte gehören ins Grundgesetz

Herausgeberkolumne
Die Kindersterblichkeit halbiert, der Zugang zu Bildung für fast alle Menschen in greifbarer Nähe. Und: bessere Lebens- und Entwicklungschancen als in jeder Generation zuvor! Es bleibt aber noch genug zu tun.

Der 20. November 1989 war ein historischer Tag auf diesem Weg. Damals wurde die Kinderrechtskonvention verabschiedet und mittlerweile von fast allen Staaten der Vereinten Nationen ratifiziert. Damit haben sich 193 Staaten verpflichtet, Kinderrechte umzusetzen. Tatsächlich gibt es unendlich viele Erfolge, die das Leben von Millionen, wenn nicht Milliarden Kindern nachhaltig verbessert haben.

Die Wahrscheinlichkeit, zur Schule gehen zu können und gesund und sicher aufzuwachsen, ist innerhalb einer Generation deutlich gestiegen. Fast alle Staaten räumen Kinderrechten heute mehr Priorität ein als noch vor 30 Jahren. Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass die meisten Regierungen nationale Gesetze für Kinderrechte entwickelt oder verbessert haben, das heißt,  Kinderrechte sind in vielen Ländern einklagbar geworden. Die Lebenschancen von Mädchen und Jungen haben sich dadurch spürbar verbessert – hauptsächlich durch zusätzliche Ausgaben für den Schutz ihrer Rechte, wie etwa in Äthiopien sowohl im Bildungs- als auch im Gesundheitsbereich.

Stetiger Aufklärungsarbeit ist es zu verdanken, dass die Zahl der Kinder, die keine Grundschule besuchen, seit 1990 von weltweit 120 Millionen auf 64 Millionen gesunken ist. Auch der Anteil der Mädchen und Jungen, die unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten müssen, ist in den vergangenen drei Jahrzehnten um die Hälfte zurückgegangen. Und dank besserem Zugang zu gesunder Ernährung, sauberem Trinkwasser, medizinischer Versorgung und Hygiene ist die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, von 12,6 Millionen 1990 auf 5,4 Millionen in 2018 gesunken.

Jedes vierte Kind durch Kriege und Katastrophen gefährdet

All das sind Meilensteine im Kampf für Kinderrechte. Doch selbstverständlich gibt es auch heute noch Bereiche, in denen die Umsetzung mangelhaft ausfällt. Die Kindernothilfe hat vor kurzem eine Studie zur Zukunft der Kinderrechtsarbeit herausgebracht. Sie macht deutlich, dass Gewalt und Konflikte die größten Bedrohungen für Entwicklungschancen von Kindern sind. Entgegen den Verpflichtungen aus Artikel 39 der Kinderrechtskonvention ist heute das Leben jedes vierten Kindes weltweit durch Kriege und Katastrophen gefährdet. Rund 300 Millionen Kinder sind infolge der rasanten Verstädterung in Slums häufig Armut und Gewalt ausgesetzt. 15 Millionen Teenager erleben jährlich ungewollten Sex und oft auch ungewollte Schwangerschaften.

Diese bittere Bilanz zeigt: Rechte haben und recht bekommen, das klafft oft weit auseinander. Der am wenigsten verwirklichte Bereich der Kinderrechtskonvention betrifft Artikel 12 – die Teilhabe von Kindern in allen Belangen, die sie betreffen. Dass Mädchen und Jungen sich ausreichend über ihre Rechte informieren können und ernsthaft in Beratungen und Entscheidungen miteinbezogen werden, liegt oft noch in weiter Ferne. Besonders benachteiligte Kinder, zum Beispiel aus Minderheiten, Kinder mit Behinderungen, geflüchtete Kinder oder schlicht Mädchen,  haben keine Chance, mitzubestimmen, wenn es um ihre Belange geht.

Die Agenda 2030 versucht, universelle Lösungsansätze für alle Menschen zu bieten. Deshalb lässt sie auch für die Verwirklichung von Kinderrechten für die Zukunft hoffen. Der Klimawandel, demografische Veränderungen, Flucht und Migration, Einschränkungen der Zivilgesellschaft, extreme Ungleichheiten und zunehmende Gewalt sind gemeinsame Anforderungen an die Weltgemeinschaft. Der Anspruch der Agenda 2030, niemanden zurückzulassen, setzt bei den Schwächsten an. Rechte für besonders verletzliche Kinder zu verwirklichen, ist deshalb eine wichtige und gemeinschaftliche Aufgabe, der sich die Weltgemeinschaft stellen muss. Denn nur, wenn auch die verletzlichsten Mädchen und Jungen Entwicklungsmöglichkeiten und die Chance auf ein gesundes Leben haben, ist die Welt nachhaltig und zukunftsfähig. Deutschland will den Stellenwert von Kinderrechten erhöhen und diskutiert daher deren Aufnahme ins Grundgesetz. Ich meine: Nur so kann die Kinderrechtskonvention 30 Jahre nach ihrer Verabschiedung auch tatsächlich verwirklicht werden!

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Neue Rechte können fast nur mit mehr Wohlstand geschaffen werden. Die meisten Rechte kann man nur von einem zum anderen verlagern. Wer kann diesen Rechten dann Nachachtung verschaffen? Die Eltern? Die Kirche? Die lokale Moschee? Das Jugendamt? Die Parteijugend?

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erschienen in Ausgabe 12 / 2019: Armut: Es fehlt nicht nur am Geld
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