Touristen kommen sich in den noblen Resorts an der Küste von Papua-Neuguinea vor wie im Paradies. Wer sich außerhalb der Touristengettos umschaut, merkt jedoch schnell, dass viele Bewohner des Landes zu den Verlierern der Modernisierung gehören. Sie sitzen an armseligen Verkaufsbuden am Straßenrand mit etwas Gemüse, ein paar Früchten oder Betelnüssen, einem Rauschmittel, dessen Verkauf für viele Menschen zu den Haupteinnahmequellen gehört. Die Kriminalitätsrate in den Städten ist so stark gestiegen, dass Touristen empfohlen wird, nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr das Hotel zu verlassen. Hier halten die modernen Zeiten rasant Einzug, während auf vielen Dörfern das Leben noch anmutet wie vor Hunderten von Jahren. Viele Gebiete im drittgrößten Inselstaat der Welt sind bis heute kaum erschlossen und nur zu Fuß oder per Flugzeug zu erreichen.
Mit Lichtgeschwindigkeit müsse das Land den Weg von der Steinzeit in die globalisierte Welt bewältigen, hat ein Besucher seine Eindrücke beschrieben. Was dabei passiert, ist beispielhaft in der Provinz Madang im Norden der Insel mit der gleichnamigen Küstenstadt als Zentrum zu sehen. Ausländische Unternehmen, vor allem aus Asien, investieren hier: In der Bucht von Madang errichten sie Fabriken zur Verarbeitung von Fisch aus den reichen Fanggründen vor der Küste, oder sie bauen in großen Minen Gold, Kupfer oder Nickel ab. Die großen Konzerne haben es nicht zuletzt auf das Holz in den Regenwäldern abgesehen. Seit Jahrzehnten verlassen riesige Frachtschiffe, voll beladen mit Baumstämmen, Madang. Verarbeitet wird das wertvolle Tropenholz im Ausland. Umweltschützer und Menschenrechtler prangern an, dass die Bevölkerung von Papua-Neuguinea deshalb kaum vom Holzexport profitiert. Stattdessen schuften die Einheimischen zu Hungerlöhnen für ausländische Konzerne. Und diese sichern sich ihre Konzessionen zum Holzeinschlag mit Schmiergeldern, erklärt Thomas Paka, der Direktor der einheimischen Umweltorganisation EFF (Eco Forestry Forum).
Autor
Rainer Lang
ist Journalist und arbeitet als Kommunikationsbeauftragter bei „Brot für die Welt“.Die Organisation geht gegen die rigorose Ausbeutung des Landes öffentlich an. Immer wieder verzeichnet sie dabei auch Erfolge vor Gericht. Die Politik reagiert aber mit Gesetzesänderungen und unterläuft den Umweltschutz ständig. So schrumpft der Regenwald rund um Madang Jahr für Jahr dramatisch – von der Küste aus muss man inzwischen mehr als drei Stunden fahren, um ihn zu erreichen.
Es hat zwei Tage lang heftig geregnet. Der unbefestigte Weg von Madang in das Gebiet, in dem Holzfäller arbeiten, hat sich in eine Schlammpiste verwandelt. Die Straße haben die Holzunternehmen anlegen müssen – das ist eine der Bedingungen, die mit einer Konzession verknüpft sind. Eigentlich müsste sie mit Schotter befestigt sein. „Aber wer kümmert sich schon um die Einhaltung der Vorschriften“, sagt Serenius Sokrim und zuckt mit den Achseln. Serenius repräsentiert die Waldbesitzer einer benachbarten Region, die für die Abholzung vorgesehen ist, und kämpft für den Erhalt des Waldes. Links und rechts der Piste gibt es keine großen Bäume mehr. Der nachwachsende, so genannte Sekundärwald wird von den Dorfbewohnern bewirtschaftet: Sie bauen schnell wachsende Bäume an, die nach fünf bis sechs Jahren abgeholzt und an die Holzkonzerne verkauft werden. Obwohl die Regierung nach den ersten Jahren, in denen die völlige Abholzung des Waldes erlaubt war, heute nur noch das Fällen ausgewählter Bäume erlaubt, wie Serenius erklärt, ist von nachhaltiger Bewirtschaftung nichts zu bemerken. In der Praxis geht der Kahlschlag weiter.
Wer Oscar Naomi mit seiner Kettensäge und seine Kollegen begleitet, weiß auch, warum das so ist. In kurzer Zeit haben die Waldarbeiter einen Urwaldriesen gefällt. In einer viertel Stunde ist der Baum abgesägt und mit einem Bulldozer aus dem Wald geschleppt – ohne Rücksicht auf die Umgebung. Der Bulldozer zerstört rund 15 Mal mehr Wald, als schließlich exportiert wird.
Für die vierköpfige Crew geht es um Masse. Denn Oscar bekommt ein niedriges Grundgehalt, aber eine Zulage pro Kubikmeter Holz. Daher arbeitet die Crew im Akkord. „Sonst können wir kein Geld an unsere Familien nach Hause schicken“, erklärt Oscars Kollege Joe Bukop. Oscar Naomi erhält 150 Kina (knapp 40 Euro) in 14 Tagen, das reicht nicht einmal für ihn zum Überleben. Doch er und seine Crew schaffen bis zu 30 Bäume am Tag, damit verbessert er sein Gehalt auf etwa 900 Kina. Beim Fällen überlegen die Arbeiter deshalb nicht, ob der eine oder andere Baum stehen bleiben sollte. Dennoch sind die Stämme zertifiziert mit einem Siegel, das für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes steht. Die Arbeiter leben weitab von der Stadt, mitten im Wald in einem Hüttenlager. Hier können sie ihre Lebensmittel nur im Laden des Holzunternehmens kaufen. Dafür reicht der Grundlohn gerade aus. Joe Bukop geht mit einer Zille auf Vogeljagd, um seine Mahlzeiten mit Fleisch aufzubessern. Manche müssen auch anschreiben lassen und geraten so immer tiefer in die Schuld des Holzunternehmens. „Wir arbeiten von sechs Uhr morgens mit einer Stunde Mittagspause bis sieben Uhr abends“, erzählt Bukop. Tagsüber erhielten sie als Verpflegung gerade mal ein Päckchen Kekse. Arbeitsschutzkleidung gibt es nicht. Die meisten haben nicht einmal richtiges Schuhwerk, einige arbeiten sogar in Badeschlappen. Seine festen Stiefel hat Oscar selbst gekauft.
Die Waldarbeiter arbeiten sieben Tage in der Woche mit nur einer Woche Ferien pro Jahr – an Weihnachten. Im Camp müssen sie mit ansehen, wie „Asiaten“ mit Frauen aus umliegenden Dörfern zusammenleben. Dies sind die Vorarbeiter aus Malaysia oder anderen Ländern, die die Konzerne als Fachleute mitgebracht haben. „Diese Ausländer heiraten Frauen von hier“, empören sich die Arbeiter – Zusammenleben ist für die Menschen in Papua-Neuguinea gleichbedeutend mit Heiraten. Bei der einheimischen Bevölkerung sorgt das für erheblichen Unfrieden.
Das bestätigt Bresley Mandang, der in dem schon abgeholzten Gebiet lebt. Es gebe zunehmend Mischlingskinder in den Dörfern, die jedoch nicht akzeptiert würden. Und die aus den Camps zurückgekehrten Frauen verdienten ihr Geld mit Prostitution in der Stadt. Das zerstöre die traditionellen Werte und den Glauben in den Dörfern. Der Vater von vier Kindern erklärt, die Holzunternehmen hätten den Bau von Straßen, Brücken, Gesundheitszentren und Schulen versprochen, aber nichts davon gehalten. Vor dem Abholzen habe es reichlich Nahrungsmittel gegeben, jetzt gebe es viel weniger wilde Tiere und kaum noch Fische. Auch die Ernte falle geringer aus. Seine Familie könne er kaum noch ernähren. Es sei schwierig, die Schulgebühren für die Kinder aufzubringen. Auch die Regierung habe viele leere Versprechen gemacht. Bresley, der selbst zwei Jahre lang als Holzfäller gearbeitet hat, ist ernüchtert.
So wie die Landbesitzer, die ihr Gelände am Hafen der Holzfirma zum Verladen verpachtet haben. In Papua-Neuguinea gehören 95 Prozent des Landes der Bevölkerung. Deshalb müssen die Unternehmen Landnutzungsverträge mit den Eigentümern aushandeln – in der Regel den Clanchefs. „Aber die Konditionen sind lausig“, sagt der Landbesitzer Marib Fanu wütend, der mit 500 Kina (rund 134 Euro) im Monat für den ganzen Clan abgespeist wird. Er deutet auf ein großes Frachtschiff, das vor Anker liegt: 7000 Stämme oder 20.000 Kubikmeter Holz kann das Schiff laden. Und er weiß, dass das auf dem Markt ein Vermögen wert ist. Ein Kubikmeter des wertvollen Kwila-Holzes kann zum Beispiel zu 26 Quadratmetern Parkett verarbeitet werden, für das gut 1500 Euro erzielt werden können.
Resigniert hebt Goodwill Amos von der staatlichen Forstbehörde die Hände. Der ausgebildete Förster arbeitet seit 32 Jahren im Forstministerium. Seine Empfehlungen werden vom Minister nicht gehört, klagt er. Außerdem habe er viel zu wenig Personal, um die Holzkonzerne wirksam überwachen zu können. „Unsere Gesetze sind gut“, erklärt er. „Aber sie werden nicht eingehalten.“ Vor zwanzig Jahren seien noch einzelne Unternehmen mit Arbeitsverboten belegt worden, weil sie die Regeln gebrochen hatten. „Heute können die Konzerne alles machen. Es gibt praktisch keine Kontrolle mehr“, kritisiert er.
Dass man den Wald auch schonend nutzen kann, zeigen Projekte, die unter anderem der EFF mit Unterstützung von Hilfswerken auf den Weg bringt. Dazu braucht es Landbesitzer wie den Clanchef Lukas Yarobe, die ihren Wald nicht ausländischen Konzernen überlassen wollen, sowie eine kleine Sägemühle und ein Training für die Arbeiter. Auf Yarobes 550 Hektar sind in einem halben Jahr nur sieben Bäume gefällt und zu Brettern zersägt worden. Dafür werden gleich neue gepflanzt. So ist gewährleistet, dass der tropische Wald auch für künftige Generationen erhalten bleibt.
Doch bisher werden überwiegend Stämme exportiert – zu 90 Prozent nach China. Rund sechs Prozent des Bruttosozialprodukts macht der Handel mit Holz aus, was rund 2,6 Milliarden Kina entspricht. Davon erhält der Staat rund 400 Millionen, nur 40 Millionen gehen an die Landeigner. Von den 30 Millionen Hektar Wald in Papua-Neuguinea sind laut Goodwill rund 13 Millionen gut zugänglich und deshalb wirtschaftlich nutzbar. Rund zwei Fünftel davon soll schon dem Holzabbau zum Opfer gefallen sein. Dazu kommt: Da sich die Bevölkerung innerhalb von 30 Jahren mehr als verdoppelt hat, werden mehr landwirtschaftliche Flächen gebraucht, die traditionell durch Brandrodung gewonnen werden. 3,9 Millionen Hektar Wald sind so in 30 Jahren verschwunden.
Goodwill Amos blutet das Herz. Denn der Regenwald in Papua-Neuguinea weist eine einzigartige biologische Vielfalt auf; er beherbergt fünf bis sieben Prozent aller weltweit existierenden Arten, unter anderem rund 20.000 Pflanzen-, 700 Vogel- und 230 Säugetierarten. Fachleute sagen, dass noch zu Lebzeiten der heutigen Politiker vom nutzbaren Wald nichts mehr übrig sein wird, wenn der Raubau so weitergeht. Dann werden auch Oscar und seine Kollegen vor dem Nichts stehen. Denn dann verlieren sie ihren mageren Verdienst.