Der Streit über das neue Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit dem Mercosur zeigt erneut: Regeln zum Agrarhandel sind brisant. Kritiker fürchten nicht nur, dass einheimische Landwirte beim Abbau von Handelsschranken leiden, sondern auch, dass mehr Agrarimporte aus Lateinamerika zu mehr Abholzung und anderen Umweltschäden dort führen.
So etwas kann passieren, findet eine neue Studie von Chatham House. Doch der Agrarhandel trage wesentlich zur Ernährungssicherheit von Milliarden Menschen bei. Die Studie betrachtet die zwiespältigen Folgen des globalisierten Ernährungssystems im Zusammenhang und füllt damit eine Lücke.
Der Welthandel mit traditionellen Agrargütern wie Weizen wächst danach nur langsam, wesentlich schneller der mit Gütern wie Palmöl und verarbeiteten Produkten. Der Anteil von Produzenten im Süden, besonders Brasiliens, an den Exporten steige ebenso wie der Anteil des Süd-Süd-Handels. Und wenige große Konzerne kontrollierten wachsende Teile der agrarischen Produktionsketten.
Der Agrarhandel kann der Umwelt auch nützen
Für die Welternährung sei freier Agrarhandel unverzichtbar: Vier Fünftel der Menschheit lebten in Ländern, die per Saldo Agrargüter importieren; mindestens zwei Milliarden seien für ihre Ernährung von Importen abhängig. Zugleich wüchsen mit den Einkommen und der Verstädterung der Fleischkonsum sowie Probleme von Über- und Fehlernährung – befördert von großen Nahrungsmittelunternehmen.
Widersprüchlich sind laut dem Papier die Umweltfolgen des Handels. Emissionen für den Transport seien nicht entscheidend, zumindest nicht bei Schiffsfracht. Agrarexporte könnten aber zur Abholzung von Wäldern und zu Raubbau an Böden beitragen; besonders die Erzeugung von Fleisch und Tierfutter beanspruche große Flächen. Doch Agrarhandel könne der Umwelt auch nützen. Die Studie verweist auf den Handel mit virtuellem Wasser: Wenn wasserreiche Länder Güter, die mit viel Wasser produziert werden, in trockene Länder liefern, dann schone das deren knappe Wasservorkommen.
Gegen die Missstände im globalen Ernährungssystem sind – so eine Kernthese des Papiers – Handelsbeschränkungen kein guter Ansatz. Besser sei, schädliche Subventionen wie für Dünger abzubauen, die sozialen und ökologischen Kosten der Produktion auf die Preise aufzuschlagen und Werbung für ungesunde Nahrungsmittel zu beschränken. Zur Bekämpfung des Hungers wird ein System von Bezugsscheinen empfohlen, mit denen Arme Nahrung kaufen können.
Die Studie liefert eine gute Bestandsaufnahme und Argumente, die Kritiker des Freihandels ernst nehmen sollten. Ihre Schwäche ist die rein globale Perspektive: Sie betrachtet Staaten als Ganze, der Nutzen des Agrarhandels wird global und statistisch ermittelt. Wie er Macht- und Eigentumsverhältnisse innerhalb von Staaten ändert, ob billige Importnahrung bäuerliche Produzenten verarmen lässt und inwiefern Vorteile des Handels mit virtuellem Wasser tatsächlich eintreten – das bleibt weitgehend außer Betracht.
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