Städte nehmen gern für sich in Anspruch, Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit zu sein. Es ist aber schwer zu sagen, ob deutsche Kommunen bei der Umsetzung der im Jahr 2015 verabschiedeten UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) weiter sind als die Bundesregierung. Für direkte Vergleiche ist die Datenlage zu schlecht. Zudem ist fraglich, ob alle 17 Ziele für Städte relevant sind.
Während es bei Ziel 11 um nachhaltige Stadtentwicklung geht, widmet Ziel 14 sich zum Beispiel dem „Leben unter Wasser“. Carlo Schick, Projektleiter Global Nachhaltige Kommune in Nordrhein-Westfalen, findet trotzdem, dass Städte zu allen Nachhaltigkeitszielen arbeiten können: „Zu jedem Ziel und zu mehr als der Hälfte der Unterziele gibt es Aspekte, die auch deutsche Kommunen betreffen.“
Das Projekt Global Nachhaltige Kommune der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) begleitet ausgewählte Kommunen in Nordrhein-Westfalen, Thüringen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Niedersachsen bei der Entwicklung von Strategien und ihrer praktischen Umsetzung. In Nordrhein-Westfalen startete das Projekt im Jahr 2016 in 15 Kommunen, darunter Münster, Solingen, Bonn, Eschweiler und Arnsberg. 2018 kamen weitere 15 Städte dazu. Die Kommunen haben Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt, mit denen sie ihrer globalen Verantwortung gerecht werden wollen. So hat die Stadt Solingen eine Klimapartnerschaft mit der zweitgrößten Stadt im Senegal, Thiés, begonnen und unterstützt sie bei der Wiederaufforstung.
Leipzig bezieht die SDGs in bereits bestehende internationale Partnerschaften ein. Die sächsische Landeshauptstadt ist seit 2003 mit Travnik in Bosnien und Herzegowina verpartnert. „Die Nachhaltigkeitsziele helfen dabei, uns zu fokussieren und strategisch vorzugehen“, sagt Sven Trautman von der Stadtverwaltung. Auf Wunsch der bosnischen Partner steht ein nachhaltiges Verkehrskonzept für Travnik im Mittelpunkt der Kooperation.
Trautmann sieht eine „neue Qualität“ darin, dass Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene heute in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ihren Platz hat und es auch Finanzmittel dafür gibt. Denn viele Kommunen sind chronisch überschuldet, auch in Nordrhein-Westfalen. „Sie haben innovative Ideen, aber Sparvorgaben hindern sie in manchen Bereichen an der Umsetzung“, sagt Carlo Schick.
Manchmal erschweren aber auch politische Faktoren die Arbeit an den SDGs. Etwa der Zielkonflikt zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz: Die Versiegelung von Flächen insbesondere in Ballungsräumen gefährdet die Artenvielfalt. Wenn dann etwa die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen Anfang 2019 das Ziel aufgibt, den Flächenfraß auf fünf Hektar pro Tag zu begrenzen, fehlt den Städten die Rückendeckung für eine umweltgerechte Stadtentwicklung. Diese politische Unterstützung von Bund und Ländern brauchen die Städte aber, wenn sie über einzelne Modellvorhaben hinaus zu einer grundlegend anderen Politik finden sollen.
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