Wer im EU-Parlament Entwicklungspolitik macht

European Union/Samuel Ochai

Ein Arzt prüft, ob das Baby an Unterernährung leidet. Der EU-Nothilfefonds finanziert die Versorgung mit Nahrungsmitteln und notwendiger Medizin eines Ernährungszentrums, das eine nichtstaatliche Organisation in Maiduguri (Nigeria) betreibt. 

 

 

Europäische Union
Der Entwicklungsausschuss (DEVE) des neuen Europaparlaments hat sich im Juli konstituiert. Woher kommen der Vorsitzende und seine Stellvertreter und was wollen sie erreichen?

Ausschussvorsitzender ist der Schwede Tomas Tobé (Europäische Volkspartei, EVP). Der frühere Abgeordnete im schwedischen Parlament nennt die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele als wichtigsten Punkt der künftigen Arbeit. „Der Ausschuss überwacht fast drei Viertel des EU-Budgets für auswärtiges Handeln und seine Arbeit trägt gewaltig zur Ausgestaltung der Beziehungen der Union mit vielen Ländern bei“, sagt Tobé. Über spezielle Kenntnisse in der Entwicklungspolitik verfügt er allerdings nicht.

Die Posten der Ausschussvorsitzenden und ihrer Stellvertreter werden unter den Fraktionen und nationalen Delegationen proportional zur Zahl ihrer Sitze im EU-Parlament aufgeteilt – mit Ausnahme der rechten Fraktion Identität und Demokratie (ID), denen die anderen Parteien kein einziges Amt überlassen haben.

Parlamentsneulinge und alte Hasen

Zwei Stellvertreterposten im Entwicklungsausschuss haben gemäß dieser Verteilung die deutschen Grünen erhalten. Pierrette Herzberger-Fofana ist in Mali geboren und im Senegal aufgewachsen. Die promovierte Romanistin hat eigenen Angaben zufolge viel zu Rassismus und Frauen gearbeitet. Im Ausschuss will sich die Grüne, die bis vor kurzem Stadträtin in Erlangen war, für „Beziehungen auf Augenhöhe“ mit Afrika einsetzen.

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Ihr Parteifreund Erik Marquardt hat als Fotograf Herkunfts- und Transitländer von Flüchtlingen besucht, etwa Afghanistan, wie er berichtet. Im Ausschuss will sich der 31-Jährige mit dem geplanten neuen EU-Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Internationale Zusammenarbeit (NDICI) beschäftigen, das auch die Entwicklungsfinanzierung enthalten soll. „Dies möchte ich genau im Auge behalten, um zu verhindern, dass hier wichtige Budgets für außen-und sicherheitspolitische Zwecke umgewidmet werden“, sagt Marquardt.

Während Tobé, Herzberger-Fofana und Marquardt Parlamentsneulinge sind, ist Norbert Neuser (SPD) ein alter Hase. Der gelernte Grund- und Hauptschullehrer ist seit zehn Jahren EU-Abgeordneter und DEVE-Mitglied; in dieser Legislaturperiode ist er ebenfalls stellvertretender Vorsitzender. In der Entwicklungspolitik ist Neuser eigenen Angaben zufolge schon seit den 1980er-Jahren aktiv, unter anderem in der Solidaritätsarbeit für Nicaragua. Als Schwerpunkte der künftigen Arbeit nennt der 70-Jährige zuerst die Verhandlungen über das Post-Cotonou-Abkommen, das die Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas, der Karibik und im Pazifik regeln soll.

Bekämpfung von Ungleichheit

Ebenfalls stellvertretende Vorsitzende wird die Französin Chrysoula Zacharopoulou. Die Gynäkologin wurde für die französische Regierungspartei La République en marche ins Europaparlament gewählt, wo sie zur Fraktion Renew Europe zählt. „Als Ärztin und Frauenrechtsaktivistin wollte ich Teil des DEVE-Ausschusses sein und mit meiner Erfahrung dazu beitragen, Gesundheit, Bildung und die Handlungsfähigkeit von Frauen in Entwicklungsländern zu fördern“, sagt Zacharopoulou.

Insgesamt umfasst der Entwicklungsausschuss 26 Mitglieder sowie deren Stellvertreter. Alle Parlamentsfraktionen sind vertreten: Sechs Mitglieder gehören der EVP an, fünf den Sozialdemokraten (S&D), vier Renew Europe, je drei den Grünen beziehungsweise der ID und zwei der Fraktion Europäische Konservative und Reformer (EKR), zwei Mitglieder der britischen Brexit-Partei sind fraktionslos.

Die Sozialdemokraten werden vom Deutschen Udo Bullmann vertreten, der schon seit 20 Jahren im Europaparlament arbeitet, zuletzt als Fraktionschef. Die Messlatte der Entwicklungspolitik müsse die Bekämpfung von Ungleichheit sein, verlangt der Politikwissenschaftler: „Das schafft mehr Fortschritt und Stabilität in den Ländern des Südens als eine Politik, die alles unter das Paradigma einer vermeintlichen Abwehr von Migrationsbewegungen stellt.“

AfD: "Kernprobleme werden nicht angegangen"

Für Renew Europe sitzt Charles Goerens im Ausschuss. Der Luxemburger war um die Jahrtausendwende Entwicklungsminister; seit damals übertrifft das Großherzogtum die internationale Zielmarke, mindestens 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Entwicklungshilfe auszugeben. Das selbe strebt Goerens jetzt für die gesamte EU an.

Für die ID-Fraktion wurde Bernhard Zimniok von der AfD zum DEVE-Sprecher gewählt. Zimniok war seinen Angaben zufolge 15 Jahre Berufssoldat und anschließend Diplomat an den deutschen Botschaften in Damaskus und Islamabad. Außerdem verweist er auf Erfahrungen mit einer eigenen Firma bei Kraftwerksprojekten in Afrika. Der 66-Jährige hält die bisherige EU-Entwicklungspolitik für verfehlt: „Kernprobleme“, etwa das Bevölkerungswachstum in Afrika, würden nicht angegangen beziehungsweise aus moralischen Gründen verschwiegen, sagt Zimniok. Weitere Fraktionssprecher sind der Ungar György Hölvényi für die EVP, die Polin Beata Kempa für die EKR, die Französin Michèle Rivasi für die Grünen und der Spanier Miguel Urbán für die Linken.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2019: Ab in die Steueroase
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