Wer sich mit der Lage von Binnenflüchtlingen befasst, kommt am jährlichen Global Report on Internal Displacement des Internal Displacement Monitor Centre (IDMC) in Genf nicht vorbei. Laut der neuen, 160 Seiten starken Ausgabe 2019 fanden sich 2018 in fast 150 Ländern insgesamt rund 41,3 Millionen Binnenvertriebene. Sie konzentrierten sich aber auf einige wenige Länder: 30,9 Millionen von ihnen lebten in nur zehn Ländern, darunter in Syrien, Kolumbien und der Demokratischen Republik Kongo.
Rund 28 Millionen Menschen waren laut IDMC „neue Binnenflüchtlinge“ – das heißt Menschen, die im Jahr 2018 neu zur Flucht gezwungen wurden, teilweise sogar mehrmals. Von ihnen verließen 17,2 Millionen (61 Prozent) wegen Naturkatastrophen ihre Heimat und knapp 10,8 Millionen aufgrund von Kriegen und Gewalt.
Betroffen von Naturkatastrophen und Gewalt
In Ländern südlich der Sahara sowie im Mittleren Osten war laut IDMC Gewalt die Hauptursache für Binnenflucht, im ost- und südasiatischen Raum sowie im Pazifikraum waren es dagegen Naturkatastrophen. Stürme, vor allem Zyklone und Hurrikans, zwangen in China und auf den Philippinen jeweils fast vier Millionen Menschen zur Flucht, in Indien 2,7 Millionen. Manchmal kamen dem IDMC zufolge Naturkatastrophen und Gewalt zusammen. So waren 2018 viele Afghanen von Dürre und von Krieg betroffen. Ebenso wurden die bereits von Gewalt gebeutelten Menschen in Nigeria und Somalia noch von langen Regenzeiten zur Flucht gezwungen.
Die mit Abstand meisten neuen Binnenflüchtlinge infolge von Konflikten zählt das IDMC in Äthiopien (2,9 Millionen). Hier flammten 2018 nach zwei Dekaden „relativer Ruhe“ die ethnischen Konflikte im Südwesten und entlang der Grenze zu Somalia erneut auf. In der Demokratischen Republik Kongo gab es wegen regionaler und kommunaler Konflikte 1,8 Millionen Vertriebene und in Syrien im achten Jahr des Krieges 1,6 Millionen. Neue Gewaltwellen in Nigeria, Kamerun und Somalia zwangen jeweils mehr als 500.000 Einwohner zur Flucht.
Städte sind dem Flüchtlingsansturm nicht gewachsen
Einen Fokus legt der Bericht auf die Folgeprobleme der Binnenflucht für Stadtgebiete. Viele afrikanische Städte wachsen ohnehin schnell; in Dar es Salaam in Tansania oder Kampala in Uganda soll sich laut Prognosen die Einwohnerzahl bis 2035 verdoppeln. Trotzdem fliehen viele Menschen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in städtische Gebiete im Süden. Die sind dem schnellen Ansturm nicht gewachsen. Es fehlt an Unterkünften, Jobs, Gesundheitsversorgung und Bildungsangeboten ebenso wie an Infrastruktur – etwa Straßen, Abwasser und Stromversorgung.
Das führe dazu, dass viele Binnenvertriebene in Armut gefangen bleiben und sich nicht integrieren können, schreibt das IDMC. Ihre prekäre Lebenssituation könne zu neuen Konflikten führen. Vor allem lokale Behörden und Institutionen seien gefordert, Krisen zu bewältigen und das Risiko dafür langfristig zu reduzieren. Das müsse einhergehen mit nationaler und internationaler Hilfe, so die Forscher.
Sie führen einige Beispiele an, wie es klappen kann. So wurden Vertriebene im irakischen Mosul bei kleinen lokalen Firmen angestellt, die sich um den Wiederaufbau der Stadt kümmerten, und so sowohl in den Bau von Häusern als auch in die Stadtentwicklung einbezogen. Solche Projekte sollten Schule machen, konstatieren die Forscher.
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