Leichtes Spiel für die Wirtschaft

Nationaler Aktionsplan
Die Vereinbarung der Regierungskoalition, heimische Unternehmen notfalls per Gesetz zu verpflichten, mögliche Menschenrechtsverstöße in ihren Lieferketten zu vermeiden, droht zu platzen. Das Bundeswirtschaftsministerium blockiert eine erste Befragung von Unternehmen – und das mit Rückendeckung des Kanzleramts.

Es geht um den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP). Darin gesteht die Regierung der Wirtschaft zu, sie werde zunächst prüfen, wie es um die freiwillige Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfalt bestellt ist. Dafür sollen Wirtschaftsprüfer von einer Stichprobe von rund 1800 Betrieben Fragebögen einholen. Das Ergebnis soll ein Bild geben, inwieweit Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten in der Lage sind, Risiken – meist im Auslandsgeschäft – zu identifizieren und im Ernstfall dagegen vorzugehen.

Diese Befragung zu fünf zentralen Anforderungen des NAP sollte im Mai in zwei Etappen beginnen, um bis Frühjahr 2020 zu bewerten, ob sich wenigstens die Hälfte der rund 7000 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten daran halten: Gibt es eine Grundsatzerklärung zu Menschenrechten? Verfügen sie über  Verfahren, Auswirkungen auf die Menschenrechte zu ermitteln? Treffen sie Vorkehrungen, mögliche Verstöße abzuwenden, und kontrollieren die Wirkung? Erstellen sie Berichte? Gibt es Wege, Beschwerden aufzunehmen und ihnen nachzugehen?

Weil bereits Testerhebungen im Vorfeld darauf hingedeutet haben, dass wahrscheinlich weniger als die Hälfte der Unternehmen diese erste kritische Hürde meistern wird, haben Unternehmerverbände offenbar Wirtschaftsminister Peter Altmaier dafür gewonnen, die Anforderungen zu senken. Armin Paasch von Misereor, der die NAP-Umsetzung für den Verband der Entwicklungsorganisationen Venro beobachtet, befürchtet, Unternehmen könnten selbst dann grünes Licht bekommen, wenn sie zu einzelnen Bausteinen der Sorgfaltspflicht gar nichts vorzuweisen haben. Gehe es nach dem Kanzleramt, könnte sogar schlechtes Abschneiden in einem Punkt mit guten Noten in einem anderen ausgeglichen werden. Auf diese Weise könnte die Zahl der Unternehmen, die den Test „bestehen“, künstlich in die Höhe getrieben werden. Zudem befürworten offenbar CDU-Ministerien, Unternehmen, die überhaupt nicht antworten, gar nicht erst in die Bewertung einzubeziehen.

Die SPD wehrt sich gegen die Verwässerung

Gegen diese Verwässerung wehren sich im Interministeriellen Ausschuss, der das Monitoring starten soll, die SPD-geführten Ressorts, darunter die für Äußeres, Justiz und Arbeit, sowie das Entwicklungsministerium. Die Blockade soll dem Vernehmen nach nun auf der Ebene von Staatssekretären gelöst werden.

Nach Einschätzung der beteiligten Zivilgesellschaft, zu der neben Venro der Gewerkschaftsbund DGB und das Netzwerk Cora gehören, droht das ohnehin schon als schwach und undurchsichtig kritisierte Monitoring vollends verwässert zu werden. „Man sollte sich die Zeit und Energie sparen, aufwendige Erhebungen für beendet erklären und unverzüglich mit der Gesetzgebung beginnen“, sagt ein DGB-Vertreter.

Tatsächlich steht die Glaubwürdigkeit des gesamten Unterfangens auf dem Spiel. Ohnehin enthält der Fragebogen, den Unternehmen anonym beantworten sollen, vor allem Multiple-Choice-Fragen. Ob Gefahren für die Menschenrechte wirklich gesucht, erkannt und etwas dagegen unternommen wird, sei dabei schwer zu erkennen, hatte die Zivilgesellschaft schon vor einigen Monaten kritisiert. Eine echte Qualitätsprüfung von Vorsorge und Risikomanagement sei so gar nicht möglich.
Unterdessen bekräftigte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer (BDA) in einem Interview anlässlich des Koalitionsstreits den Widerstand. Er hoffe, dass die Bundesregierung „von diesem Unsinn bald wieder absieht“. Es gehe nicht an, dass Betriebe „persönlich für etwas haften, das sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“. Armin Paasch hält das für gezielte Desinformation. Zwar würde ein Gesetz die Unternehmen verpflichten, ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten wahrzunehmen. „Haften würden sie aber nur für solche Schäden, die für sie vorhersehbar und mit angemessenen Maßnahmen vermeidbar gewesen wären.“

Wer vorsorgt, hat also mehr Sicherheit. Deshalb haben sich in der Debatte auch Unternehmen zu Wort gemeldet, die eine Regulierung nicht als Belastung empfinden. Der Textildiscounter Kik, der nach einer Brandkatastrophe bei einem pakistanischen Zulieferer 2012 auf Schadensersatz verklagt wurde, wünscht sich ein Gesetz, um Rechtssicherheit zu bekommen. Auch der Tchibo-Konzern oder der Autoriese Daimler befürworten einheitlich akzeptierte Standards.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2019: Arznei und Geschäft
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