Soll man Kohlenstoffdioxid besteuern? Vor der Europawahl ist darüber eine Kontroverse entbrannt. Annegret Kramp-Karrenbauer, die CDU-Chefin und Kanzlerin in spe, möchte eine CO2-Steuer nur europaweit, weil sonst die deutsche Wirtschaft benachteiligt werde; der Emissionshandel sei das bessere Instrument. Manfred Weber (CSU), der konservative Spitzenkandidat für die Europawahl, lehnt eine solche Steuer ab, weil sie das Autofahren teurer machen würde. Und von verschiedenen Seiten hört man, sie würde die kleinen Leute belasten.
Wie schön, dass CDU und SPD endlich offen über eine CO2-Steuer diskutieren. Das haben nicht so sehr die Fachleute bewirkt, die seit langem einen Preis für Emissionen fordern, sondern eher die streikenden Schülerinnen und Schüler. Vielen Dank an die Fridays-for-Future-Bewegung!
Doch viele Argumente gegen die Steuer sind schwach und scheinheilig. Nehmen wir die Sorge, kleine Leute zu schröpfen. Seit langem gibt es Modelle für CO2-Steuern, nach denen im Gegenteil überwiegend besser Gestellte belastet werden: Man leitet die Gesamteinnahmen an alle Bürgerinnen und Bürgern zurück, und zwar pro Kopf, für alle denselben Betrag. Dann zahlt drauf, wer viel fossile Brennstoffe braucht, weil er zum Beispiel große Dienstwagen oder SUVs fährt und große Häuser für wenige Leute beheizt. Wer wenig Wohnfläche pro Kopf nutzt und ein kleines oder gar kein Auto fährt, gewinnt in der Regel. Sicher gibt es Härtefälle, weil Landbewohner aufs Auto angewiesen sind und Mieter weder umziehen noch effizienter heizen können. Aber deshalb klimaschädliches Verhalten weiter zu fördern, schützt vor allem Begüterte und ist das dümmste mögliche Rezept gegen die soziale Kluft. Manfreds Webers Einwand ist so populistisch wie widersinnig.
Eine CO2-Steuer geht auch im nationalen Alleingang
Etwas klüger ist der Ruf der CDU-Chefin nach europaweiten Lösungen. Auch eine CO2-Steuer ist aber europaweit möglich. Nur müssten sich die EU-Mitglieder darauf einigen, genauso wie auf eine Ausweitung des Emissionshandels. Und der Vorteil der CO2-Steuer ist, dass man sie im nationalen Alleingang einführen, anheben oder senken kann, wenn in der EU eine Blockade herrscht.
Zudem ist der Emissionshandel aus gutem Grund auf Stromerzeuger und große Industriebetriebe begrenzt: Da die konzentriert große Mengen Treibhausgase ausstoßen, kann man jedem einzelnen ein Kontingent an Emissionsrechten zuteilen. Das für jedes Auto und jede Heizung zu tun, wäre schlicht unmöglich. Man kann sich auch nicht vorstellen, dass Hausbesitzer auf dem internationalen Markt überschüssige Emissionsrechte verkaufen oder fehlende zukaufen, wie Großbetriebe es tun. Wer verstreute Emissionsquellen wie den Verkehr und die Gebäudeheizung in den Emissionshandel einbeziehen will, müsste deshalb den Anbietern von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas die Zertifikate zuteilen. Die beliefern aber auch Stromerzeuger und die Industrie, die schon selbst dem Emissionshandel unterliegen. Und sie würden die Belastung auf die Preise aufschlagen, was für den Verbraucher genauso wie eine Steuer wirkt.
Einen Vorteil allerdings hat der Emissionshandel: Man kann damit im Voraus die Obergrenze für Emissionen festlegen, indem man entsprechend wenig Zertifikate ausgibt. Dagegen weiß man im Voraus nicht, wie hoch eine CO2-Steuer sein muss, um einen geplanten Einspareffekt zu erreichen – man muss es probieren und bei Bedarf den Steuersatz später hochsetzen. Ökonomisch gesprochen schafft eine Steuer relative Knappheit; Benzin etwa würde teurer, aber wer zahlen kann, bekommt immer welches. Mit Zertifikaten kann man hingegen absolute Knappheit schaffen: Ist die Menge ausgeschöpft, dann ist für keinen Preis mehr Benzin zu haben. Kurz vorher würde natürlich der Preis durch die Decke gehen.
Es müssen alle Mittel genutzt werden
So etwas wird Annegret Kramp-Karrenbauer aber kaum im Sinn haben. Vielmehr wird in der Debatte über die Steuer ein einzelnes der Instrumente für Klimaschutz zerredet, ohne ein anderes anzubieten, das ähnlich schnell eingeführt werden kann. Das steht in krassem Missverhältnis zum Ausmaß der Aufgabe, die Emissionen in wenigen Jahrzehnten auf netto Null zu senken. Wer das ernsthaft will, muss alle Mittel nutzen, die den nötigen Umbau anstoßen und beschleunigen können – ökologische Steuerreformen und den Emissionshandel ebenso wie Vorschriften für Energieeffizienz, Aufklärungskampagnen und auch Verbote besonders klimaschädlicher Praktiken.
Alle diese Instrumente wirken freilich nur, wenn sie politisch gestaltet werden mit dem klaren Willen, das Weiterwursteln schwierig und teuer zu machen – Emissionsrechte zum Beispiel müssen knapp und Steuern hoch genug sein. Genau an diesem Willen fehlt es. Natürlich muss man diskutieren, welches Instrument an welcher Stelle am besten ist. Dass es für niemanden teuer werden darf, kann aber kein Kriterium sein. Die Aufregung über CO2-Steuern belegt vor allem, wie sehr die führenden Parteien in Deutschland – wie in vielen Ländern Europas – vor seriösem Klimaschutz zurückschrecken. Für die Fridays-for-Future-Bewegung bleibt da noch viel zu tun.
Klimaschutz muss wehtun
Ludermann als Sado-Maso, das passt schon, wie Sie über Ihrem Beitrag verschmitzt lächeln. Nur ist die CO2 Steuer ein alter Hut, der zuvor Energiesteuer hieß. Es geht ja nicht um das CO2, das Sie und ich ausatmen, es geht um fossile Energie. Nur fossile Energieträger vermehren CO2 und es nützt nichts, in Europa CO2 zu vermindern und weltweit nimmt die CO2 Produktion gleichzeitig zu. Durch die von Ihnen favorisierte Steuer würden alle Produkte des täglichen Bedarfs spürbar teurer, und wer daraus nicht Betriebskosten machen kann, wird ärmer ohne irgendeinen Nutzen. Denn eine CO2 Reduzierung hier kann den weltweit ansteigenden Verbrauch fossiler Energie nicht kompensieren. Die Emissionen in wenigen Jahrzehnten auf Null zu senken, ist beim gleichzeitigen Wunsch nach Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum nicht durchdacht. Also die CO2 Steuer kommt nicht aus gutem Grund und es ist ohnehin wenig überzeugend, auf Taten von Parteien und Politikern zu warten, ohne selbst den Verbrauch fossiler Energie zu verringern. Und woher wissen Sie denn, dass die Erderwärmung aufhört, bei Null Emissionen? Erst richtig gelitten beim Energie sparen, Wohnungen dunkel und kalt, alle Wege zu Fuß und kein vermeidbarer Luxus und dann wird's doch Jahr für Jahr wärmer die nächsten hundert Jahre. Ein Fest für alle Sado-Masos.
Klimaschutz mus wehtun
Lieber Herr Lohmann,
über den Titel meines Kommentars kann man streiten. Aber zweierlei willl ich doch entgegnen: Erstens, es stimmt, dass Klimaschutz nur wirkt, wenn alle für die Emissionen relevanten Staaten mitmachen, und das ist im Moment nicht der Fall. Bloß wenn man so denkt wie Sie - "Lassen wir es also lieber!" -, dann sorgt man dafür, dass es auch so bleibt. Das ist wie im Sandkasten: Keiner will aufhören, denn der andere hat ja angefangen. Und zweitens: Ich weiß nicht, ob und wo die Erwärmung endet, wenn die Emissionen global sinken oder Null werden. Alle Klimamodelle ergeben nur mehr oder große Wahrscheinlichkeiten, das wissen Sie. Sicher ist dabei aber: Um die Erdtemperatur irgendwo zu stabilisieren - und seien es 3, 5 oder 8 Grad über dem vorindustriellen Niveau -, müssen die Emissionen früher oder später netto Null werden. Bis das passiert, geht, da CO2 sich anreichert, die Erwärmung immer weiter. Zum Ziel netto Null kann es deshalb überhaupt keine sinnvolle Alternative geben. Und da mit der Temperatur der wahrscheinliche Schaden wächst, der dann schon da ist, gilt für mich: Lieber gleich anfangen, statt das Problem für spätere Zeiten größer zu machen. Für Sie gilt anscheinend: Wenn es unbequemer wird, mache ich wenigstens vorher noch richtig einen drauf. Da wünsche ich ungetrübten Genuß.
Gruß, Bernd Ludermann
Klimaschutz mit Denkfehler
Lieber Herr Ludermann, wir korrespondieren seit Jahren. Deshalb könnten Sie wissen, dass ich es lieber bequemer habe, ist grundfalsch. Seit nunmehr 25 Jahren fahren meine Autos mit nachwachsender Energie, mein Wohnhaus wird mit Hackschnitzeln beheizt, mein privater Stromverbrauch 2018 war 759Kwh. Das habe ich so eingerichtet und das ist kaum zu toppen. Mein Beitrag zur Einsparung fossiler Energie zeigt, man kann CO2 verringern ohne Komforteinbußen. Was ich bei Ihrem Artikel aufs Korn nehme, ist die Vorstellung, man könnte mit seinem persönlichen Einsatz die Erderwärmung aufhalten. Freitags Arm in Arm mit Greta demonstrieren, ist wirkungsloser Aktionismus. Wer das weiß und Jung und Alt dazu auffordert, ist ein Heuchler. Viel wichtiger und sofort wirksam sind alle Massnahmen, die sich mit den unaufhaltsamen Folgen der Erderwärmung befassen. Da man z.B. den Anstieg der Meeresspiegel nicht aufhalten kann, sollten Sie und Ihr Team öfter Konsequenzen daraus ziehen. Netto Null? Wo leben Sie denn? Machen Sie das mal vor. Es geht für Sie persönlich nicht, mit jedem Schritt verbrauchen Sie auch fossile Energie, vom Rest der Menschheit ganz zu schweigen. Was Sie mit Netto Null andeuten, ist das Leben der Jäger und Sammler. Wenn Sie Netto Null von anderen fordern, ohne das selbst zu leisten---eine Bewertung will ich mir sparen. Fest steht, wenn CO2 die Erderwärmung hervorruft, dann ist es das CO2, das schon da ist als Folge der Industrialisierung, und nicht das, was täglich noch dazu kommt. Stillstand bei Netto Null hat also überhaupt keine Wirkung.
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