Kein Kontakt mehr ins Kriegsgebiet

Partnerschaften
Gemeinden mit engen Verbindungen nach Kamerun schlagen wegen des Bürgerkriegs im Westen des Landes Alarm – und finden bei Kirchenleitungen und in der Politik wenig Gehör. Nun fordert eine Unterschriftenaktion in den Kirchen, mehr Druck auf Kameruns Regierung auszuüben.

„Wir haben kaum noch Kontakt zu unseren Partnern im Bezirk Menchum“, sagt Annemone Hilsenbeck vom Partnerschaftsausschuss des evangelischen Kirchenbezirks Göppingen. Wie zehn andere Kirchenbezirke in Baden und Württemberg pflegen die Göppinger seit Jahrzehnten Beziehungen zu Gemeinden in Kamerun. „Von den 40 Kirchengemeinden in Menchum existieren meines Wissens nur noch zwei oder drei“, sagt Hilsenbeck, die im November 2017 zum letzten Mal in Kamerun war. Viele Dörfer seien niedergebrannt, die Menschen umgekommen oder geflohen. Mails kämen nicht mehr sicher an und würden wohl auch zensiert. Das einzige, was noch funktioniere, sei ein Messenger-Dienst.

Über den bekommt Hilsenbeck immer wieder Videos zugespielt, die das Ausmaß der Gewalt im Westen Kameruns zeigen. Hier im anglophonen Landesteil herrscht ein Bürgerkrieg, in dem bisher 2000 Menschen getötet und eine halbe Million zu Flüchtlingen geworden sind. Hintergrund ist der harte Kurs der Regierung von Paul Biya für eine nationale Einigung, für nur eine Amtssprache und ein einheitliches Bildungssystem. Im Herbst 2016 löste die Anordnung, dass im Gebiet der anglophonen Minderheit auch Schuldirektoren und Richter nur auf Französisch kommunizieren, Proteste aus, die der Präsident gewaltsam niederschlagen ließ. Dann radikalisierten sich Teile der Bewegung, die seit Jahren eine Autonomie des anglophonen Teils anstrebt, verlangten einen eigenen Staat und griffen zu den Waffen. Seither kommt es immer wieder zu Massakern und Gewaltexzessen gegen die Bevölkerung.

Unterschriftenaktion gestartet

Auch Steffi Feiler vom Partnerschaftsausschuss des Kirchenbezirks Öhringen bekommt immer wieder Videos aus Kamerun, nach denen sie nicht mehr schlafen könne. Seit Jahrzehnten ist sie mit Freunden im District Batibo verbunden und hat in Kamerun ein Patenkind. Das letzte Mal war sie 2015 dort. „Wir hatten viele Jahre lang einen wechselseitigen, lebhaften Austausch“, erzählt Feiler. Noch im November 2016 seien Partner in Deutschland gewesen. Unter Tränen habe damals eine Vertreterin der Frauenarbeit berichtet, dass die anglophone Jugend wegen der Sprachpolitik keine Zukunftschance habe, egal welche Abschlüsse jemand vorweisen könne.

Wie viele andere aus der Partnerschaftsarbeit haben sich Feiler und Hilsenbeck an Vertreter in Politik und Kirche gewandt mit der Bitte, sich für Frieden in Kamerun stark zu machen. Doch sie haben keine oder nur lauwarme Rückmeldungen von Oberkirchenräten, Bezirks- und Landessynoden, Bundestagsabgeordneten und Kommunalpolitikern bekommen. „Wir haben das Gefühl, dass unseren Vertretern in Kirche und Politik nicht klar ist, was da passiert. Kamerun hat in Württemberg und in Deutschland einfach keine große Lobby“, sagt Hilsenbeck.

Deswegen hat die Basler Mission Deutscher Zweig (BMDZ) nun eine Unterschriftenaktion gestartet. Die BMDZ, die Teil der Evangelischen Mission in Solidarität ist, unterhält enge Beziehungen zur presbyterianischen Kirche Kameruns und koordiniert die Partnerschaftsarbeit der verschiedenen Kirchenbezirke. „Wir sind auf Bitte der deutschen Vorsitzenden in den Kirchenbezirken tätig geworden“, sagt Johannes Stahl, Referent für Gemeinde- und Partnerschaftsarbeit bei der BMDZ.

Seit einigen Wochen liegen in Kirchen und bei Gemeindeveranstaltungen Unterschriftenlisten aus, mit denen einerseits die Bundesregierung aufgefordert wird, sich aktiv für Rechtsstaatlichkeit von Polizei und Militär in Kamerun einzusetzen. Andererseits werden die Kirchenleitungen in Deutschland zu Solidarität mit den Opfern der Krise aufgefordert und dazu, den Druck auf die kamerunische Regierung aufrecht zu erhalten, die Menschenrechte in den anglophonen Regionen Kameruns zu achten.

„Die Kirchen in Deutschland haben viele Möglichkeiten“, sagt Stahl. Akademien könnten zum Beispiel Räume schaffen, in denen Vertreter der Konfliktparteien an einen Tisch gebracht werden könnten. Fachkräfte in Krisenintervention könnten die Gesprächsprozesse begleiten. Die Evangelische Kirche in Deutschland könnte sich bereit erklären, die Flugtickets für solche Veranstaltungen zu zahlen. „Wenn die Kirchen tätig werden, kann auch die Bundesregierung tätig werden“, sagt Stahl und betont, dass die BMDZ nicht eine Seite in dem Konflikt unterstütze, sondern sich für einen gerechten Frieden einsetze.

Die Aktion läuft noch bis 1. Juli. Parallel dazu läuft eine Internet-Petition. Die Listen sollen im Sommer an alle wichtigen Regierungsstellen in Deutschland und an alle kamerunischen Zeitungen und Medien geschickt werden.

Weitere Informationen: www.brennpunktkamerun.org

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2019: Arznei und Geschäft
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