Was die Parteien zur Entwicklungspolitik sagen

Europawahl
Ende Mai wählen die EU-Bürger ein neues Europaparlament. Welche EU-Politik gegenüber dem globalen Süden wollen die deutschen Parteien? Ein Überblick über die Wahlprogramme.

Im gemeinsamen Programm von CDU und CSU umfasst die Entwicklungszusammenarbeit ganze sieben Sätze und steht unter dem Motto „Unser Europa schafft Perspektiven vor Ort“. Demnach soll sich Europa für eine Kooperation „auf Augenhöhe“ einsetzen; eine Hauptaufgabe sei die Bekämpfung von Fluchtursachen. Das Programm bekennt sich zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen und verweist auf den von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) initiierten Marshallplan mit Afrika, mit dem „wir einen ganz besonderen Schwerpunkt“ setzen. Jobs sollen vor allem durch Privatinvestitionen und faire Handelsabkommen erreicht werden.

Das Kapitel zur Agrarpolitik geht nicht auf Entwicklungsländer ein, das zur Handelspolitik kaum. Die Union plädiert für einen regelbasierten Freihandel sowie für Gegenseitigkeit: Wenn die EU ihren Binnenmarkt öffne, erwarte man von anderen Staaten dasselbe. In der Migrationspolitik wollen CDU/CSU „regionale Aufnahmezentren in Nordafrika“ und Abkommen mit Staaten in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten nach dem Vorbild des EU-Türkei-Pakts.

Die SPD will die Entwicklungszusammenarbeit ausbauen; sie soll grundsätzlich im Dialog mit Staaten und Zivilgesellschaften des Südens angelegt sein. Die Sozialdemokraten wollen die Beziehungen vor allem mit Afrika an den Menschenrechten, der Friedenssicherung, der nachhaltigen Entwicklung und „der Überwindung struktureller Ungleichheiten“ neu ausrichten. Sie bekennen sich zum Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit und wenden sich gegen eine Zweckentfremdung von Entwicklungshilfe für das Militär.

Die SPD lehnt außerdem eine Agrarproduktion ab, die „für den Zusammenbruch regionaler Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländern mitverantwortlich ist“. Sie strebt einen EU-Aktionsplan zu menschenwürdiger Arbeit in globalen Lieferketten an, wie es ihn ähnlich in Deutschland gibt. Größere Fairness etwa in der Handels- und der Agrarpolitik soll Fluchtursachen bekämpfen helfen; umgekehrt soll sich die Entwicklungspolitik aber nicht auf Migration konzentrieren.
 
Ziel der AfD ist es, „die Entwicklungspolitik der EU wieder auf die nationale Ebene der Mitgliedstaaten zurückzuführen“; die EU solle eine koordinierende Rolle spielen. Bei der Vergabe von Hilfen gelte es, die Eigeninteressen der Geberländer zu wahren. Die wirksamste Entwicklungshilfe ist aus AfD-Sicht der Freihandel. Vor diesem Hintergrund will sie die Ausfuhr subventionierter Produkte aus der EU in die Entwicklungsländer beenden.

Staaten, in denen Korruption, Vetternwirtschaft und Missmanagement vorherrschten, seien von Entwicklungshilfe auszuschließen, heißt es im Wahlprogramm der AfD weiter. Entsprechend dem von ihr geforderten Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik will die Partei Entwicklungshilfe zudem auf Staaten beschränken, „welche ihre abzuschiebenden Staatsbürger zurücknehmen und nicht eigenverantwortlich Fluchtgründe verursachen“. Budgethilfe solle ganz wegfallen, da sie Mittelverschwendung begünstige.

Keine Vision in Sicht

Zumindest auf dem Papier sind sich alle einig: Die EU soll sich an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen orientieren und an deren Umsetzung arbeiten. So liest sich das übereinstimmend in den Wahlprogrammen ...

Die FDP plädiert für eine Entwicklungszusammenarbeit im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele, nahtlos abgestimmt auf die Außen-, Sicherheits-, Handels- und Wirtschaftspolitik. Sie will dadurch unter anderem die Menschenrechte stärken; beispielsweise solle bei Strafverschärfungen gegen sexuelle Minderheiten in Entwicklungsländern die Kooperation auf den Prüfstand kommen.

Die Liberalen sprechen sich dafür aus, die verschiedenen EU-Finanzinstrumente im auswärtigen Handeln zu bündeln und eine EU-Entwicklungsbank als Tochter der Europäischen Investitionsbank zu schaffen. Außerdem soll der Posten der EU-Außenbeauftragten aufgewertet werden und die Entwicklungspolitik mit umfassen.

Die FDP bekennt sich zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) zwischen der EU und den Ländern der AKP-Gruppe (Afrika, Karibik, Pazifik). „Wir fordern jedoch, dass die damit einhergehenden vorübergehenden negativen Auswirkungen auf Einkommen und Beschäftigung in den betroffenen Regionen durch EU-Anpassungsmaßnahmen aufgefangen werden“, heißt es im Wahlprogramm. Auch die europäische Agrarpolitik solle nicht zu Lasten der Entwicklungsländer gehen.

In der Migrationspolitik setzen die Liberalen auf nachhaltige Entwicklung als Fluchtursachenbekämpfung. Zudem sollten europäische Ausbildungszentren  in Drittstaaten, etwa in Afrika, gegründet werden. Diese Zentren sollten Sprachkurse, Berufsausbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen anbieten; Absolventen könnten auf Basis eines Punktesystems nach Europa kommen.

Nach Ansicht der Linken wird die aktuelle EU-Entwicklungspolitik von Eigeninteressen der Geberländer und Konzernen geleitet und dient weitgehend der Abwehr von Migration. Die Partei will sie deshalb neu ausrichten und dabei „koloniale Beziehungen“ überwinden. Die europäische Entwicklungspolitik müsse „ein Instrument globaler Umverteilung im Sinne sozialer Gerechtigkeit sein“. Konkret bedeutet dies etwa einen Stopp für die EPAs.

Der Tendenz, Entwicklungsgelder als Hebel für Privatinvestitionen einzusetzen, stellt sich die Linke ebenfalls entgegen. Im Handels- und im Agrarkapitel des Wahlprogramms wendet sie sich gegen subventionierte Exporte aus der EU. Sie will ferner Landraub, das Leerfischen der Fischgründe und die Spekulation mit Nahrungsmitteln verbieten sowie EU-Firmen mehr Regeln auferlegen: „Wir wollen europäische Konzerne verpflichten, weltweit die sozialen und ökologischen Standards einzuhalten.“

In der Migrationspolitik wendet sich die Linke gegen eine Ungleichbehandlung aufgrund von Klassifizierungen von Schutzsuchenden. Der Flüchtlingsschutz sollte auf Armuts-, Umwelt- und Klimaflüchtlinge ausgeweitet werden.

Die Grünen wollen eine an den Menschenrechten und der Nachhaltigkeit orientierte Entwicklungspolitik. Einen Schwerpunkt legen sie auf die Förderung von Frauen. Die Entwicklungsgelder sollten vor allem den bedürftigsten Staaten zugutekommen. Um das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen, soll ein verbindlicher Stufenplan angenommen werden.

Um eine weitere „Aushöhlung der Entwicklungszusammenarbeit“ zu verhindern, stellen sich die Grünen gegen den Plan eines einheitlichen Finanzinstruments im auswärtigen Handeln der EU. Im Welthandel soll sich die Union für eine sozialökologische Regulierung einsetzen, wie sie etwa beim EU-Vertrag mit den Mercosur-Ländern in Lateinamerika fehle.

Ferner wollen die Grünen Dumpingexporte europäischer Waren in den globalen Süden sowie Landraub und die Patentierung von Saatgut bekämpfen. Mit Blick auf den Klimawandel soll die EU nach dem Willen der Grünen dazu beitragen, Betroffenen eine selbstbestimmte Migration zu ermöglichen, „innerhalb ihres Landes, in ihrer Region, gegebenenfalls auch nach Europa“.

 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2019: Arznei und Geschäft
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