Vergangenen Sommer machte der Fall eines pakistanischen Asylbewerbers in Salzburg Schlagzeilen. Das Kloster St. Peter hatte dem 23-jährigen Ali Wajid angesichts einer drohenden Abschiebung Kirchenasyl gewährt. Der Flüchtling aus einem kleinen Dorf im Punjab war im Herbst 2015 mit der großen Flüchtlingswelle nach Salzburg gekommen und hatte 2017 eine Kellnerlehre angetreten. Gegen einen ablehnenden Asylbescheid legte er Revision ein.
Ende Januar dieses Jahres wurde er bei einer Routinemeldung von der Polizei festgenommen. Er konnte der Abschiebung in sein Heimatland nur entgehen, indem er freiwillig nach Kenia ausreiste, wo ihn der Benediktinerorden vorübergehend in einem Kloster beherbergte.
Jetzt arbeite er in einem Straßenkinderprojekt und lebe in einem Studentenwohnheim, sagt Dechant Alois Dürlinger, der seinen Schützling nach Nairobi begleitet hat. Von dort versucht Ali Wajid, über ein Arbeits- oder Studentenvisum legal nach Österreich zurückzukehren. In Pakistan fürchtet er als Angehöriger einer Minderheit Verfolgung. Seit er in einem Kloster Zuflucht gesucht hat, steht er außerdem bei Landsleuten im Verdacht, zum Christentum konvertiert zu sein. Darauf steht in Pakistan die Todesstrafe.
Österreichs Asylrecht produziert solche Härtefälle in Serie. Seit mit Innenminister Herbert Kickl ein Vertreter der rechten FPÖ für Fremden- und Asylwesen zuständig ist, werden die im Halbjahrestakt verschärften Gesetze rigoros exekutiert. Jüngster Vorstoß: die Möglichkeit, über gefährliche Asylbewerber ohne richterlichen Beschluss, also auf Verdacht, Präventivhaft zu verhängen.
Offener Brief der Erzdiözese Salzburg an die Regierung
Fälle wie der des jungen Pakistani, der laut Dürlinger bereits sehr gut Deutsch spricht und sich bestens integriert hatte, veranlassten den Pastoralrat der Erzdiözese Salzburg Ende November letzten Jahres, einen offenen Brief an die österreichische Bundesregierung zu schicken.
Unter dem Titel „Wertschätzung statt Ignoranz“ klagen die Unterzeichner, dass die Behörden mit ihrer Vorgehensweise den zivilgesellschaftlichen Einsatz vieler freiwilliger Helferinnen und Helfer zunichtemachten. „Das ist nicht nur wirtschaftlich unsinnig, sondern trifft österreichweit Tausende Menschen, die aus Überzeugung dem Staat geholfen haben, die Flüchtlingskrise zu bewältigen und die notwendige Integration der Flüchtlinge zu bewerkstelligen“, heißt es in dem Schreiben. Allein für die Caritas hätten sich 2015 rund 50.000 Freiwillige für die Bewältigung der Flüchtlingswelle engagiert, etwa mit Deutschkursen oder der Begleitung bei Behördengängen.
Der Pastoralrat der Erzdiözese Salzburg appelliert daher an die Bundesregierung, „den guten Willen und das Engagement so vieler Menschen nicht weiter zu ignorieren und durch zweifelhafte Entscheidungen zu desavouieren“. Es wäre höchste Zeit, „Vertreter der Zivilgesellschaft in die Entscheidungen einzubinden oder zumindest anzuhören“.
Tatsächlich lud ein Regierungssprecher Vertreterinnen des Salzburger Erzbistums, des Österreichischen Frauenordens und anderer Einrichtungen zu einem Treffen Ende Februar in Wien ein. Die Anliegen der Flüchtlingshelfer würden an Bundeskanzler Sebastian Kurz herangetragen, hieß es im Anschluss; weitere Gespräche seien vereinbart. Zumindest kurzfristig hat aber beim Kanzler kein Umdenken eingesetzt. Deswegen traten kurz nach dem Treffen drei prominente Unternehmer zusammen mit dem grünen Landesrat in Oberösterreich, Rudi Anschober, vor die Presse, um ein Bleiberecht für Lehrlinge einzufordern. Rund tausend Flüchtlinge absolvierten derzeit eine Lehre in Österreich, sagte Anschober, Gründer der Initiative „Ausbilden statt Abschieben“. Davon seien 700 akut von der Abschiebung bedroht. Gerhard Drexel, Vorstandsvorsitzender der Supermarktkette SPAR, findet das „unmenschlich, unwirtschaftlich und deswegen unverständlich“.
Rein wirtschaftlich argumentierte der Personalchef der REWE-Gruppe, Johannes Zimmerl. Mit jedem abgeschobenen Lehrling verliere der Staat durch entgangene Steuern geschätzt über 100.000 Euro: Soviel würden sie im Laufe der Jahre zum Fiskus beitragen, wenn sie nach der Lehre arbeiten dürften. Der Baumagnat Hans Peter Haselsteiner, der sich schon lange für Flüchtlinge einsetzt, zog einen drastischen Vergleich: „Das ist so, als würden Sie in ihrem Garten eine Ölquelle entdecken und dann schütten Sie sie zu. Das ist einfach deppert.“Ralf Leonhard
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