Das globalisierungskritische Netzwerk Attac ist nicht gemeinnützig. Das hat der Bundesfinanzhof vergangene Woche entschieden. Spender können ihre Überweisung an Attac damit nicht von der Steuer absetzen. Das Urteil schwächt die Arbeit der Globalisierungskritiker. Und es wirft die Frage auf, wie politisch gemeinnützige Vereine und Initiativen sein dürfen.
Dem Urteil ist ein jahrelanger Rechtsstreit vorausgegangen. Attac hat dabei argumentiert, im Rahmen der politischen Bildung gemeinnützig tätig zu sein. Dem widerspricht der Bundesfinanzhof nun: Attac mische sich zu stark in die Tagespolitik ein, etwa mit Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen oder der Bekämpfung der Steuerflucht. Eine politische Bildungsarbeit im Sinne der Gemeinnützigkeit setze ein „Handeln in geistiger Offenheit voraus“, heißt es in dem Urteil.
Wie das genau aussehen soll, lassen die Juristen des obersten deutschen Finanzgerichts offen. Politische Bildung beeinflusst immer auch die Willensbildung. Wenn Attac über die Steuertricks internationaler Unternehmen aufklärt, folgt daraus fast zwangsläufig der Ruf nach strengeren Regeln. Zumindest dann, wenn man sich als zivilgesellschaftliche Organisation für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzt. Ob man seine Forderungen so zuspitzen muss, wie Attac es gerne tut, ist eine Stilfrage. Fakt ist: Auch Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace skandalisieren Missstände und fordern konkrete politische Schritte, handeln damit aber anders als Attac steuerrechtlich gemeinnützig.
Demokratisches Engagement anerkennen
Grund dafür ist der Paragraph 52 der Abgabenverordnung, der Beispiele für gemeinnützige Arbeit aufzählt. Die Verordnung nennt unter anderem Umweltschutz, die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die Entwicklungszusammenarbeit. Von ähnlich relevanten Themen wie der Förderung des Klimaschutzes, der Stärkung der Menschenrechte oder sozialer Gerechtigkeit ist dagegen nicht die Rede. Organisationen wie Attac, die sich in der Liste thematisch nicht wiederfinden, berufen sich deshalb auf den vage definierten Begriff der politischen Bildung oder biegen ihren Vereinszweck zurecht, so dass er zur Verordnung passt – müssen sich dann aber häufig in einem Rechtsstreit mit den Finanzämtern rumschlagen.
Klarheit könnte eine Modernisierung der Abgabenverordnung schaffen. Die stammt noch aus den 1970er-Jahren. Klimaschutz oder Globalisierungskritik hatte damals niemand auf dem Schirm. Auch die demokratischen Prozesse haben sich seitdem gewandelt: Bürger treten nicht mehr nur in Parteien ein, sondern engagieren sich stärker in Initiativen und sozialen Bewegungen. Die Politik sollte dieses demokratische Engagement auch im Steuerrecht ausdrücklich anerkennen und fördern.
Folgerichtig wäre dann aber auch, die gemeinnützigen Organisationen zu mehr Transparenz anzuhalten. Etwa indem sie ähnlich wie Parteien Großspender offenlegen müssen, um zu verhindern, dass Einzelne verdeckt gesellschaftlichen Einfluss nehmen. Dass Politiker aus CDU und FDP statt neuer Regeln nun fordern, man müsse nach dem Urteil auch der Deutschen Umwelthilfe oder den Tierschützern von PETA auf die Finger schauen, lässt leider wenig hoffen. Ob eine Organisation gemeinnützig ist oder nicht, sollte als letztes davon abhängig sein, ob sie Politikern in Berlin genehm ist.
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