Ob die Personelle Entwicklungszusammenarbeit (PEZA) heute noch zeitgemäß ist, sei „nicht die richtige Frage“, sagt Raji Sultan, Geschäftsleiter von Unité, des Schweizer Dachverbands der in der PEZA tätigen Organisationen. Dass die Entsendung von Fachkräften sinnvoll ist, hätten verschiedene Studien ausreichend belegt. „Eine generelle Debatte über die Relevanz von PEZA müssen wir also nicht führen“, sagt Sultan.
Beat Geiser, Berater bei cinfo, dem Zentrum für Information, Beratung und Bildung für Berufe in der internationalen Zusammenarbeit in Biel, sieht das genauso. Die Frage nach dem Sinn der Personalentsendung werde oft von Laien gestellt, „die die Entwicklungszusammenarbeit nicht kennen. Sie meinen, man geht hin und sagt, wie es geht, oder man übt seinen Beruf einfach im Ausland aus.“ Tatsächlich aber gehe es um Know-How-Transfer, Koordination und die Begleitung von Projekten und Programmen der Partner im Süden. „Schweizer Fachleute sind eine Brücke zwischen der Schweiz und den Partnern", sagt Geiser.
Raji Sultan bestätigt, dass sich die Arbeit der heute 20 Unité-Mitglieder entsprechend verändert hat. Heute werde in der Entwicklungszusammenarbeit an umfassende Programme gedacht und nicht mehr an Einzeleinsätze von Entwicklungshelfern. Die „richtige Frage“ ist für Sultan deshalb, inwiefern die PEZA ein sinnvolles Instrument in einem mit einer lokalen Partnerorganisation durchgeführten Entwicklungsprogramm ist.
Austausch auf Augenhöhe
So sieht es auch Ruedi von Rotz, der beim Unité-Mitglied Comundo für die Rekrutierung von Fachkräften verantwortlich ist. Er sagt, die personelle Entwicklungszusammenarbeit sei heute flexibler als früher. Neben der Entsendung von Schweizer Fachpersonal in Länder des Südens sei heute auch der Süd-Süd- oder Süd-Nord-Austausch möglich. Die PEZA-Programme von Unité und Comundo werden unter anderem von der Schweizer Regierung gefördert. Comundo entsendet jährlich durchschnittlich 25 Fachleute, mehrheitlich Schweizer, für drei Jahre ins Ausland. „Zentral ist der Austausch auf Augenhöhe“, sagt von Rotz.
Dabei seien die Ansprüche der Partnerorganisationen in den vergangenen Jahren gestiegen; sie würden eine angebotene Schweizer Fachkraft durchaus auch ablehnen, sagt von Rotz. Das sei ein gutes Zeichen. Unité-Geschäftsleiter Sultan nennt ein Beispiel: „Vor 15 Jahren wurde generell nach Onkologen gesucht, während heute Onkologen mit einer Spezialisierung gefragter sind, zum Beispiel für die Kinder-Onkologie. Für Entwicklungsorganisationen ist es schwerer, einen solchen Spezialisten zu finden.“
Ohnehin setzen Schweizer Entwicklungsorganisationen lokale Fachkräfte ein, wo diese zu finden sind. Gemäß Remo Gesu, dem stellvertretenden Geschäftsleiter von Helvetas, ist es für Bereiche rund um Wasserversorgung und -nutzung oder Landwirtschaft kein Problem, gut ausgebildete Fachkräfte in Lateinamerika, Afrika oder Asien zu finden. Für Bereiche wie gute Regierungsführung, Demokratisierung oder Anpassung an den Klimawandel sei das schon schwieriger, sagt Gesu. Auch für Themen wie Berufsbildung oder Dezentralisierung – klassische „Exportprodukte“ der schweizerischen Entwicklungshilfe – fehlten in vielen Ländern sowohl die Kenntnisse als auch die Erfahrung.
Es sollten schon Schweizer sein
Wenn Fachkräfte aus dem Norden gebraucht werden, dann stellen Schweizer Entwicklungsorganisationen zunehmend Personen aus der Europäischen Union oder aus anderen Industrieländern ein. Das zeigt eine seit 2010 durchgeführte Analyse des Schweizer Arbeitsmarkts in der internationalen Zusammenarbeit.
Das ist auch bei Helvetas so. Gesu ist jedoch überzeugt, dass eine Schweizer Organisation auch Schweizer Fachleute einsetzen müsse, schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit. „Es macht etwas aus, ob ein Schweizer in einem Schweizer Dezentralisierungsprojekt arbeitet oder ein Amerikaner. Das wird durchaus wahrgenommen.“
Auch bei Interviews in den Medien komme es „nicht gut in der Öffentlichkeit an“, wenn Schweizer Medien einen Holländer über die Arbeit einer Schweizer Organisation befragt, sagt Gesu. Denn die Öffentlichkeit gehe davon aus, dass in einer Organisation mit einer starken Schweizer Identität wie Helvetas auch Schweizer Fachleute arbeiten.
Rückkehr in die Zentrale ist ein Muss
Ein soziales Umfeld und zumindest ein längerer Aufenthalt in der Schweiz gehören zu Comundos Grundanforderungen an das Fachpersonal, auch wenn der Anteil der Schweizer abnimmt. „Es reicht nicht, nur Einsätze im Ausland zu machen. Die Fachleute haben auch den Auftrag, die Schweizer Bevölkerung für die Entwicklungszusammenarbeit zu sensibilisieren. Das funktioniert am besten über das soziale Umfeld der Mitarbeitenden“, sagt von Rotz. „Uns ist die Identifikation der Mitarbeitenden mit der Schweiz wichtig.“
In der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit ist ein Schweizer Pass für Fachkräfte, die ins Ausland entsendet werden, ohnehin Voraussetzung. Für diese Fachkräfte besteht Versetzungspflicht: Spätestens nach zwei vierjährigen Einsätzen im Ausland müssen sie wieder für vier Jahre in die Zentrale nach Bern – auch um die Verbindung zur Schweiz zu erhalten.
Allerdings ist es sowohl für die staatliche Entwicklungszusammenarbeit als auch für nichtstaatliche Organisationen zunehmend schwer, Schweizer Fachleute zu finden, die bereit sind, mehrere Jahre ins Ausland zu gehen, insbesondere in politisch instabile Länder. Dafür steigt die Beliebtheit von Kurzeinsätzen mit einer Dauer von weniger als 12 Monaten, wie eine Unité-Statistik zeigt: Zwischen 2014 und 2017 hat sich ihr Anteil an allen Auslandseinsätzen von 34 Prozent auf 44 Prozent erhöht.
Laut Remo Gesu sind bei Helvetas auch kurzzeitige Einsätze zur Beratung lokaler Fachkräfte in den Partnerländern immer gefragter. Helvetas kann dafür auf einen Pool von rund 40 in der Schweiz lebenden, thematisch spezialisierten Fachleuten zurückgreifen.
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