Der alte und neue Entwicklungsminister Gerd Müller will persönlich Gutes, bescheinigt ihm Uwe Kekeritz von den Grünen. Allerdings komme er damit bei der Bundeskanzlerin und beim Finanzminister nicht an. Kekeritz fürchtet: Auch in Deutschland wird Entwicklungspolitik mehr und mehr zur Flüchtlingsabwehr missbraucht. Vierter Teil unserer Gesprächsreihe mit den entwicklungspolitischen Sprecherinnen und Sprechern im Bundestag.
Demnächst berät der Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (AWZ) über den Entwicklungshaushalt 2018. Was erwarten Sie?
In Haushaltsfragen ist unser Ausschuss leider schwach. Über den Etat entscheidet die Bundesregierung zusammen mit dem Haushaltsausschuss. Ich befürchte, für 2018 lässt sich nichts mehr reißen. Aber für die Beratungen des Etats 2019 im September fordern wir Grüne weit mehr Mittel für die Zivilgesellschaft und den humanitären Bereich. In der Koalition zeichnet sich das gleiche Muster ab wie zuvor: Entwicklungsminister Gerd Müller stellt öffentlich bejubelt große Forderungen auf, aber das Trio Merkel, Seehofer, Scholz, das keinen großen Zugang zur Entwicklungszusammenarbeit hat, lehnt diese ab. Seehofer will die Entwicklungszusammenarbeit zur Sicherheitspolitik umfunktionieren. Wird dies aber oberste Maxime, fällt die klassische Entwicklungspolitik zurück.
Fürchten Sie, dass steigende Ausgaben für das Grenzmanagement und zur Abwehr von Flüchtlingen zu Kürzungen bei Friedens- und Entwicklungsprojekten führen?
Ja, das befürchte ich. Grenzmanagement hat keinen entwicklungspolitischen Nutzen und kostet dazu noch viel Geld. Da der Finanzminister nicht bereit ist, mehr Geld hineinzustecken, müssen Mittel umgeschichtet werden. Auf EU-Ebene ist es ja offensichtlich, dass dort alle Mittel für den Außenbereich in einen Topf geworfen werden sollen. Im Bund ist das noch nicht geklärt. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit führt ja bereits EU-Projekte zur Flüchtlingsabwehr unter anderem im Sudan durch. Zugleich klagen nichtstaatliche Organisationen, dass ihre Projekte nicht fortgeführt werden. Und ob die Bundesregierung die ärmsten Länder (LDCs) wie angekündigt mehr in den Fokus nimmt, da habe ich große Zweifel.
Was muss die Bundesregierung tun, um die Handelsbeziehungen mit dem Süden fairer zu gestalten?
Müller fordert fairen Handel, sagt aber hinter vorgehaltener Hand, er hat keine Chance, die europäischen Partnerschaftsabkommen (EPAs) mit den Ländern Afrikas, der Karibik und im Pazifik (AKP) nachzuverhandeln. Das Problem ist, er lernt nicht daraus. Nun liegt der Entwurf für das Verhandlungsmandat für das neue Grundsatzabkommen mit der AKP-Gruppe vor. Aber statt die Bedürfnisse der Entwicklungsländer aufzugreifen, sind erneut die Mängel der EPAs eingebaut. Wieder soll der europäische Export landwirtschaftlicher Produkte gestärkt werden, statt die Landwirtschaft und junge Industrien in den AKP-Ländern zu schützen. Die Chance, das Mandat für die Verhandlungen zu ändern, besteht aber noch. Müller ist federführend, und wenn Deutschland sich einsetzt, hat das Gewicht.
Entwicklungsminister Müller hält an der Idee fest, einen „Grünen Knopf“ für nachhaltige Kleidung zu entwickeln. Ist das realistisch oder Utopie?
Müller steht unter Druck, nach vier Jahren Ankündigungspolitik im Textilbündnis zu liefern. Also versucht er, private Zertifizierungen zu einem staatlichen Siegel zusammenzufassen. Es ist ärgerlich, dass er sich für ein staatlich gefördertes Greenwashing der Branche einspannen lässt. Das gilt auch für andere Initiativen: Minister Müller behauptet zwar, 60 Prozent des in die EU importierten Palmöls seien zertifiziert. Allerdings zeigen Studien, dass nur zwei Prozent aller Palmölhändler sagen können, wo ihr Produkt herkommt. Statt menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in Lieferketten verbindlich zu machen, will er die Verantwortung auf den Verbraucher abwälzen.
Welche anderen Fehler sehen Sie bereits zu Beginn der Regierungszeit?
Ich halte Müller zugute, dass er das Thema Entwicklungspolitik breit aufgestellt hat und persönlich Gutes erreichen will. Leider schürt er dabei Erwartungen, die er in dieser Koalition nicht erfüllen kann. Das hat fatale Folgen: Die deutsche Bevölkerung denkt, dass sich jemand um die globalen Probleme kümmert. Gleichzeitig schöpfen die Menschen in den Partnerländern bei Begriffen wie „Marshallplan“ natürlich Hoffnung. Dass der Minister dann nicht liefert, schadet langfristig dem Ansehen der Entwicklungszusammenarbeit. Zudem muss sich der Minister der Kabinettsdisziplin beugen. Der Finanzminister kürzt ab dem kommenden Jahr seinen Haushalt. Und die Rückführung von Flüchtlingen aus Deutschland wird ihm als Schwerpunkt aufgezwungen
Das Gespräch führte Marina Zapf.
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