Es besteht kein Zweifel daran, dass Frauen immer noch praktisch nirgends gleichberechtigt sind und dass sich das ändern muss. Aber der Hinweis auf die Ungleichheit der Geschlechter wirkt dadurch, dass es sich jede und jeder zunutze machen möchte, ritualisiert und entwertet das dahinter liegende Problem.
Es erscheint eher schädlich für das Erreichen des Ziels der Gleichberechtigung, dass jede Organisation meint, sie müsse mit dem Weltfrauentag und mit dem Schlagwort „Frau“ auf ihr spezifisches Anliegen aufmerksam machen. Jedes Problem bekommt den Stempel „besonders schlimm für Frauen“ verpasst, jede Aufforderung, dieses oder jenes Problem anzugehen, wird mit dem Nachteil der Frauen begründet. Der Klimawandel sei nicht geschlechtsneutral, Krieg treffe Frauen besonders und die Armut habe ein weibliches Gesicht, heißt es etwa in Pressemitteilungen zum Weltfrauentag. Damit, so scheint es, soll auch dem jeweils eigenen Anliegen Aufmerksamkeit verschafft werden, um Spenden einzuwerben oder Mitleid zu erzeugen. Auf diese Weise verkommt der Einsatz für Frauenrechte zur Farce.
Für manche nicht mehr als eine Werbestrategie
Das wirkt nicht viel besser, als wenn Firmen den Frauentag nutzen, um ihre Waren anzupreisen. Wie etwa die Drogeriemarktkette Rossmann, die sich zeitweise in Rossfrau umbenannt und mit Rabatten auf Hygieneartikel für die Emanzipation geworben hat. Oder der US-amerikanische Spielzeugkonzern Mattel, der den diesjährigen Frauentag dazu genutzt hat, seine neue Barbie-Serie mit weiblichen Rollenbildern wie der mexikanischen Malerin Frida Kahlo oder der US-Mathematikerin Katherine Johnson anzupreisen. Dabei ist es offensichtlich, dass es ihnen nicht um die Gleichberechtigung der Frau, sondern um zusätzlichen Profit geht. Das Thema ist jedoch zu wichtig, um es als Werbestrategie, Quelle für Spendeneinnahmen oder als Begründung für alle beliebigen Ziele zu nutzen.
Selbst wenn alle Fakten stimmen und Frauen mehr von Armut, Krankheiten und Kriegen betroffen sind, führt die Vermarktung und Ritualisierung des Weltfrauentages eher dazu, dass E-Mails mit dem Betreff: „Frauen besonders betroffen“ Abwehr auslösen und ungelesen gelöscht werden.
Weltfrauentag
Sind es wirklich die vielen Emails, die nerven - oder ist es nicht eher die Tatsache, dass selbst im 21. Jahrhundert Frauen in vielen Entwicklungsländern noch immer einen schlechteren Zugang zu Gesundheit und Bildung haben als Männer, dass sie eher Opfer von sexueller Gewalt werden als Männer, dass für sie in vielen Gesellschaften ein eigenständiges Leben ohne Männer kaum möglich ist?
Weltfrauentag
Ich stimme der Autorin zu: Betreffzeilen mit "Frauen besonders betroffen" sind nicht sehr einfallsreich und werden vielleicht Männer nicht dazu motivieren, so eine E-Mail zu öffnen. Und auch Frauen nicht, die meinen, Emanzipation sei nicht mehr notwendig - und mit unangenehmen Dingen will man sich sowieso nicht so gern beschäftigen.
Ich finde es aber gut und richtig, diesen speziellen Tag dafür zu nutzen, aufmerksam zu machen, wie es in vielen Teilen der Welt um die Rechte und Möglichkeiten für Frauen steht - ungleich schlechter, so dass wir uns das aus unserer ersten Welt-Sicht gar nicht vorstellen können/mögen.
Lieber als dass nichts passiert ist mir Mattel mit neuen Barbiepuppen, die Geschlechterstereotype aufzubrechen versuchen, auch wenn sie damit Umsatz machen wollen - dann sind sie eben auf den längst fahrenden Zug aufgesprungen und regen Diskussionen an - sowie Spendenorganisationen, die berichten, dass sie sich für Frauen engagieren, zumindest es versuchen. Wieso ist eigentlich die neue Barbie-Serie mit einem Link versehen und die Apotheke Rossmannfrau nicht?
Wozu ist so ein Tag sonst da? Und wenn eine Drogeriekette mit einem zwinkernden Auge Rossmann in Rossfrau umtauft, finde ich das gut. Frauen auch in der Sprache sichtbar zu machen, stößt denenauf, die immer "Wir haben doch wirklich andere Probleme" sagen. Doch ist es notwendig, bis es selbstverständlich in den Alltag übergeht.
Im aktuellen System die gleichen Rechte und Möglichkeiten zu verlangen, erfordert, oft (scheinbar) utopische Forderungen zu stellen, um zumindest einen kleinen Schritt vorwärts zu kommen.
In diesem System.
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