Lasst die Kinder mitreden!

Herausgeberkolumne
Weltweit arbeiten viele Kinder für ihr Alter zu viel und gefährden so ihre Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung. In dem Projekt „Time to Talk!“ konnten Mädchen und Jungen selbst sagen, was ihre Lage verbessern würde.

Seit Jahrzehnten wird darum gerungen, wie sich die Situation arbeitender Kinder verbessern lässt. Dennoch gelingt es nicht, widersprüchliche Forderungen wie einerseits die nach einem absoluten Verbot von Kinderarbeit und andererseits die nach einem Recht auf Arbeit zum Wohl der Heranwachsenden zusammenzuführen. Die eigentlichen Betroffenen – nämlich die arbeitenden Kinder und Jugendlichen – bleiben in der Debatte außen vor. Obwohl Kinder laut UN-Kinderrechtskonvention in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, das Recht auf Beteiligung haben, dominieren Erwachsene den Diskurs.

So werden in Lateinamerika die Forderungen der arbeitenden Kinder, sie am internationalen Dialog über ihre Arbeitsbedingungen zu beteiligen, vollkommen ignoriert. Dabei könnten gerade sie als „Experten in eigener Sache“ wertvolle Beiträge zu nachhaltigen Lösungsansätzen liefern. Sie einzubeziehen würde den seit einigen Jahren erlahmenden Prozess zur Abschaffung der Kinderarbeit definitiv unterstützen.

Auf die Frage, auf welche Weise Kinder systematisch an der Debatte beteiligt werden können, gab es bisher keine Antwort. Anlass genug für die Kindernothilfe, gemeinsam mit Terre des Hommes Deutschland und Save the Children Kanada in 36 Ländern genau 1822 arbeitenden Kindern zuzuhören. In kindgerechten Befragungen haben die Teilnehmer des Pilotprojekts beschrieben, warum sie arbeiten, welche guten oder schlechten Auswirkungen ihre Arbeit auf ihre Entwicklung hat und wie sie sich eine Verbesserung ihrer eigenen Situation vorstellen. Auch haben sie erarbeitet, wer hierfür Sorge zu tragen hat und wer sie unterstützen kann. Die Ergebnisse des „Time to Talk!“-Projekts haben die Kinderrechtsorganisationen auf der vierten Globalen Konferenz zur nachhaltigen Abschaffung von Kinderarbeit in Buenos Aires im November 2017 vorgestellt. Auf der von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ausgerichteten Konferenz sind sie  bei den Teilnehmern auf großes Interesse gestoßen.

Das Recht auf Bildung darf ihnen durch ihre Arbeit nicht genommen werden

In einem Punkt sind sich die befragten Kinder einig: Die schlimmsten Formen der Kinderarbeit – wie Prostitution, Sklaverei oder das Rekrutieren von Kindern als Soldaten – müssen von Polizei und Staatsanwaltschaft strenger verfolgt werden. Es muss alles dafür getan werden, diese Formen des Missbrauchs schnellstmöglich zu beenden. Gleichzeitig finden die Jungen und Mädchen ein pauschales Verbot jeglicher Kinderarbeit unrealistisch und auch nicht immer hilfreich. Denn die Umstände, unter denen Kinder arbeiten, seien so unterschiedlich wie die Länder, in denen sie leben. Vielmehr sollten die Arbeitsbedingungen der Minderjährigen per Gesetz besser geregelt werden. Eine leichte Beschäftigung, eine angemessene Bezahlung und eine respektvolle Behandlung durch die Arbeitgeber sind den meisten befragten Kindern wichtiger.

Als entscheidend für ihr zukünftiges Leben sehen die Mädchen und Jungen den Zugang zum Lernen. Das Recht auf Bildung darf ihnen durch ihre Arbeit nicht genommen werden. Drei Viertel der Befragten kombinieren bereits Arbeit und Schule, nehmen dies teilweise aber als einen täglichen Kraftakt wahr. Ihr einhelliger Wunsch: bessere Möglichkeiten, Schulbesuch und leichtere Arbeit miteinander in Einklang zu bringen.

Die Ergebnisse des „Time to Talk!“-Projekts zeigen, wie wichtig es ist, die betroffenen Kinder ernst zu nehmen und ihnen Möglichkeiten zur Teilnahme anzubieten. Einerseits, um genau zu hören und zu verstehen, was sie brauchen, andererseits aber auch, um Kindern und Jugendlichen als Teil einer demokratischen Weltgesellschaft eine altersgerechte Beteiligungsmöglichkeit zu bieten. Auch die Internationale Arbeitsorganisation könnte durch die Einbeziehung von arbeitenden Kindern neue Erkenntnisse gewinnen und konkret umsetzbare Verbesserungsvorschläge erhalten.

 

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erschienen in Ausgabe 2 / 2018: Diaspora: Zu Hause in zwei Ländern
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