Im Regierungsprogramm der konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ beansprucht das Kapitel über Entwicklungspolitik gerade einmal eine halbe Seite. Es beginnt mit einem „Bekenntnis“ zu einer „effizienten Entwicklungszusammenarbeit im Zusammenhang mit einem anhaltenden Migrationsdruck“. Entwicklungszusammenarbeit sei „auch ein Instrument zur Förderung eines wohl verstandenen Eigeninteresses Österreichs mit dem Ziel, insbesondere Migrationsströme zu verhindern“, heißt es dort.
„Schwarz-Blau missbraucht die Entwicklungszusammenarbeit im Regierungsprogramm, um innenpolitisches Kapital zu schlagen“, kritisiert Petra Bayr, die für die Sozialdemokraten im Nationalrat sitzt. Mit Entwicklungshilfe könnten weder Migranten noch Flüchtlinge aufgehalten werden. Ihr Ziel sei es, Lebensperspektiven zu verbessern und die Menschenrechte und die Würde von Armen zu garantieren, so die entwicklungspolitische Sprecherin der SPÖ.
Kein Bezug zu den SDGs
Die Österreichische Forschungsstiftung für Entwicklungspolitik (ÖFSE) hat das Kapitel einer kritischen Analyse unterzogen. Sie vermisst jeden Bezug zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG). Auch Auslandseinsätze des österreichischen Bundesheeres und die Handelspolitik sollen dem Ziel untergeordnet werden, Migration zu verhindern. Militärmissionen im Rahmen der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen sollen künftig vor allem dem Schutz der EU-Außengrenzen und von Migrationsrouten dienen.
Ferner bekenne sich die Regierung zu einer „aktiven Handelspolitik als wesentliche Unterstützung der österreichischen Exportwirtschaft“ und „zum Schutz unserer Konsumenten“. Der Fokus auf die eigenen Interessen sei unverkennbar. Nach Ansicht der Stiftung fällt das hinter die Handelspolitik der Europäischen Union (EU) sowie die Leitlinien der UN-Agenda 2030 zurück. Denn das Regierungsprogramm berücksichtige weder Mindeststandards bei Menschenrechten und Arbeitnehmerschutz noch internationale Umweltabkommen oder die verstärkte Zusammenarbeit im Steuerwesen.
Das neue Dreijahresprogramm zur Entwicklungspolitik, das im kommenden Jahr beginnt, hat ebenfalls zum Ziel, „in einer reduzierten Zahl an Schwerpunktländern und – regionen einen verstärkten Fokus auf das Thema Migration zu legen“. Diese „Austria-first“-Politik schlägt auch auf die Hilfsorganisationen (NGOs) durch, die regelmäßig bei der staatlichen Entwicklungsagentur ADA (Austrian Development Agency) eine Förderung ihrer Projekte beantragen.
Bewährte Partner aufgeben
Sie werden gedrängt, ihre Programme den Prioritäten der Regierung anzupassen und stärker mit der Privatwirtschaft zu kooperieren. Bei einem von der SPÖ-Abgeordneten Petra Bayr einberufenen Treffen diskutierten Vertreterinnen und Vertreter von rund zwei Dutzend NGOs, wie sie sich darauf einstellen können, ohne sich zu verbiegen und bewährte Partner aufgeben zu müssen. Einige Organisationen planen bereits interne Workshops zur künftigen Formulierung von Anträgen.
Rätselhaft und ohne konkreten Zeithorizont bleibt das „Bekenntnis zu einer stärkeren Hilfe vor Ort“ sowie zum langfristigen Ziel, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Ein verbindlicher Stufenplan, wie er in den vorherigen Regierungsprogrammen enthalten war, fehlt. Die Steigerung der Mittel soll verstärkt an die Bereitschaft von Regierungen gekoppelt werden, bei der Rücknahme abgelehnter Asylwerber zu kooperieren.
Das ist erklärungsbedürftig, denn keines der Länder, aus denen die meisten Asylwerber kommen, zählt zu den Schwerpunktländern der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Derzeit wird mehr als ein Drittel der als EZA gemeldeten Mittel für die Betreuung von Flüchtlingen im Inland verbucht.
Wird die ADA aufgelöst?
Das Außenministerium ist von der ÖVP zur FPÖ gewandert. Ihm steht die parteilose Journalistin und Nahost-Expertin Karin Kneissl vor. Die FPÖ hatte in den Regierungsverhandlungen gefordert, die als GmbH organisierte ADA, die für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist, als Sektion in das Ministerium zu holen; damit würde der Einfluss der Rechtspopulisten, die der Entwicklungspolitik generell skeptisch gegenüber stehen, noch größer.
Eine Entscheidung darüber steht noch aus. Bislang sind die meisten Posten bei der ADA mit ÖVP-Leuten besetzt. Zugleich hat die FPÖ jetzt freie Hand, zentrale Positionen in der für Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Sektion VII des Außenministeriums zu besetzen. Deren bisheriger Chef, Peter Launsky-Tieffenthal, ist inzwischen Regierungssprecher.
Nach den Vorgaben der Regierung müssen sämtliche Ministerien mit Ausnahme von Bildung, Landesverteidigung und Inneres fünf Prozent ihrer bisherigen Ausgaben einsparen. Das werde wohl auch die Entwicklungszusammenarbeit treffen, fürchtet man in der NGO-Szene. Denn ein Großteil der Mittel für das Außenministerium ist durch Gehälter und Botschaftskosten gebunden. Die Entwicklungsgelder zählen hingegen zu den Ermessensausgaben, sind also gesetzlich nicht abgesichert. Genaueres wird man erst nach Ostern wissen, wenn dem Parlament das Budget für die Jahre 2018/19 vorgelegt wird.
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