Eine Reform des Europäischen Emissionshandelssystems (EHS) stand schon länger an. Mit der Zuteilung von kostenfreien Emissionszertifikaten an Unternehmen ist ein enormes Polster entstanden, das die Preise in den Keller geschickt hat. Derzeit entspricht diese Reserve EU-weit fast einem deutschen Jahresausstoß von Treibhausgasen; der Preis für die Tonne CO2 schwankt zwischen fünf und sieben Euro. Unternehmen, die mehr Emissionszertifikate brauchen, können die sich auf dem EHS-Markt billig kaufen, statt in klimaschonende Technik zu investieren. Damit sich das lohnt, müsste der CO2-Preis laut Fachleuten mindestens 30 Euro pro Tonne betragen.
Anfang November einigten sich die EU-Minister nun darauf, dass ab 2024 alle unverbrauchten Erlaubnisse gelöscht werden, wenn davon mehr als 800 Millionen in der Reserve stehen. Das könnte laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg den Preis der Zertifikate auf 24 Euro anheben. Die EU-Minister leiten daraus ab, dass dann rund 320 Millionen Euro jährlich aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten in einen EU-Fonds für Investitionen in bessere Technik von Unternehmen mit hohem Treibhausgasausstoß bereitgestellt werden könnten. Das soll vor allem den bisher noch zu sehr von Kohle abhängigen osteuropäischen EU-Mitgliedern helfen, ihre Klimabilanzen zu verbessern. Umweltorganisationen hingegen monieren, damit werde die Kohleverbrennung noch auf Jahrzehnte verankert, statt sie einzustellen.
Doch der Emissionshandel erfasst ohnehin nur rund 40 Prozent des Treibhausgasausstoßes in der EU. Transport (21 Prozent), Gebäude (Wärme und Licht, 15 Prozent), Landwirtschaft und nicht vom EHS-erfasste Gewerbe (je gut zehn Prozent) sowie Abfall (gut drei Prozent) sind für die anderen 60 Prozent verantwortlich. Für diese Bereiche braucht es eigene EU-Regelungen.
Eine betrifft die Emissionen aus der „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ (LULUCF). Dazu beschlossen die EU-Minister im Oktober, dass die gegenwärtigen Emissionen der EU aus diesem Bereich auf keinen Fall überschritten werden dürfen (No Debit-Regel). Wie sie das schaffen, ist Aufgabe der EU-Mitglieder. Denkbar sind laut dem Ministerbeschluss Neupflanzungen oder eine verbesserte Überwachung von Waldflächen, der Ackerflächen und des Grünlands. Allerdings dürfen EU-Staaten, die mit der No Debit-Regel Schwierigkeiten haben, eine Flexibilitätsregelung in Anspruch nehmen – solange die Emissionen aus LULUCF im Zeitraum 2021 bis 2030 EU-weit 350 Millionen Tonnen nicht überschreiten (No Debit-Regel und Flexibilitätsregelung gelten ab 2021). Mit anderen Worten: Alles bleibt vorerst weitgehend beim Alten.
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