„Ich habe noch nie mit einer Arbeit so viel Geld verdient“
Ich habe vor drei Jahren begonnen zu zeichnen, mehr aus Spaß, als um damit Geld zu verdienen. Ich stellte meine Arbeiten auf „Facebook“, dann auch auf „Instagram“, und plötzlich interessierten sich viele Leute dafür. Ich bekam eine Menge Rückmeldungen. Nach einem Jahr verkaufte ich meine ersten Arbeiten – Interessierte hatten danach gefragt. Anfangs machte ich Drucke, Sticker und bunte Knöpfe. Ich arbeite gern mit phantasievollen Formen und immer mit grellen Farben. Eines Tages bekam ich dann eine Anfrage von einer großen Softwarefirma, die über soziale Netzwerke auf mich gekommen war. Ich sollte als Illustratorin an einem Bildungsprojekt teilnehmen, das sie sponserten. Erst hielt ich das für einen Witz, aber sie meinten es ernst.
Ich habe mit einer Arbeit noch nie so viel Geld verdient. Inzwischen habe ich auch schon für eine japanische Autofirma und für einen internationalen Getränkekonzern gearbeitet. Im vergangenen April wurde ich zu einem Festival für Illustratoren nach Dubai eingeladen und kürzlich nach Costa Rica. Ich habe inzwischen mehr als 400 Arbeiten verkauft, sogar nach Russland, Japan und Australien. Alle meine Kunden sind durch soziale Netzwerke auf mich aufmerksam geworden. Wäre ich in einer Werbeagentur angestellt, könnte ich vielleicht 600 US-Dollar im Monat verdienen. Da geht es mir heute besser.
Aufgezeichnet von Cecibel Romero.
Bürgerreporter auf heißem Pflaster
Seit sieben Jahren bin ich Bürgerreporter im Netzwerk „reporte ya“ (Berichte jetzt). Die Zeitung „El Nacional“ hat es 2010 ins Leben gerufen, um die Bevölkerung journalistisch fortzubilden. Ich hatte damals ein Handy, das ich privat nutzte. Ich lernte, welche Informationen wichtig sind und wie ich mich kurz fasse. Seither twittern und facebooken meine 17 Kollegen und ich unter @brigadahelice. Wir informieren über Brände, nahende Tropenstürme, Unfälle, neue Medikamente am Gesundheitsposten, Überfälle und Straßensperren von oppositionellen Demonstranten. Der Regierung gefällt das nicht, denn wir machen ja auch Unschönes sichtbar. Aber wir halten entgegen, dass wir eine Informationspflicht gegenüber der Bevölkerung haben.
Weil die Medien größtenteils gleichgeschaltet sind und ausländische Sender zensiert werden, informieren sich viele Venezolaner über soziale Netzwerke. 30 der 31 Millionen Venezolaner besitzen ein Handy, zwölf Millionen von ihnen ein Smartphone. Für „reporte ya“ sind unsere Tweets und die der anderen 7000 Bürgerreporter im Land so etwas wie ein Fieberthermometer, mit dem sie die allgemeine Stimmungslage messen. Oft finden die Tweets ein internationales Echo und zwingen die Machthaber zu reagieren.
Unser berühmtester Follower ist Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto. Die Solidarität über die Netzwerke ist sehr wichtig für uns. Vor zwei Jahren nahmen regierungsnahe bewaffnete „colectivos“ den Sitz unserer Rettungsbrigade ein und schlugen alles kurz und klein. Sofort lief eine Protestaktion über Twitter und Whatsapp an. Die Bevölkerung solidarisierte sich mit uns, und die Schläger zogen am Ende wieder ab.
Aufgezeichnet von Sandra Weiss.
„König der Fotoshopper“
Viele nehmen alle Fotos für bare Münze, die ich in den sozialen Medien poste. Sie versuchen noch nicht einmal, etwas über die wahren Hintergründe herauszufinden. Dabei mache ich ausschließlich Collagen: Mal zeige ich den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-Un im weißen Gewand der muslimischen Hadsch-Pilger, mal im Herz-Jesu-T-Shirt. Auf einer anderen Fotomontage umarmen sich Trump und Putin, eingehüllt in Hochzeitsgewänder des Batak-Volkes aus Nordsumatra, dem ich selbst angehöre. Wenn die Nutzer sozialer Medien hitzig über solche Posts diskutieren, dann befriedigt mich das ungemein.
Für indonesische Medien bin ich der „König der Photoshopper“, mein Instagram-Account hat 65.000 Follower. Ich habe aus Spaß damit angefangen: Ich setzte mich selbst per Photoshop in Bilder mit berühmten Showgrößen ein und postete das dann für Freunde auf Facebook. Damals habe ich noch als Grafikdesigner in einer Werbeagentur gearbeitet. Weil die bearbeiteten Bilder so gut ankamen, begann ich damit, provokativere Ideen mit Politikerfotos umzusetzen. Instagram ist wie gemacht dafür, solch visuelle Botschaften zu verbreiten. Heute lädt man mich mit meinen Fotomontagen auf internationale Kunstausstellungen ein.
Aber ich habe auch schon Drohungen von islamistischen Gruppen bekommen, und einmal haben mich sogar Leute vom Geheimdienst gewarnt, nicht zu weit zu gehen. Collagen werde ich trotzdem weiter posten – aber wie weit ich dabei gehe, hängt von der politischen Situation in Indonesien ab. Schließlich habe ich eine Familie.
Aufgezeichnet von Christina Schott.
Eine Brücke zwischen Volk und Regierung
Vor fünf Jahren habe ich begonnen, das Internet – vor allem Facebook und Twitter – aktiv zu nutzen. Ich habe ländliche Kommunen dokumentiert, denen ich eine Stimme geben wollte. Entstanden ist die Plattform www.followthemoneyng.org, die noch heute besteht. Für sie reisen wir durch die Dörfer, fotografieren und produzieren kurze Videos. Damit wollen wir erreichen, dass sich die Regierung um Missstände vor Ort kümmert. In einigen Fällen hat sie dafür schon ein Budget zugesagt. In den anderen setzen wir uns dafür ein, dass der jeweilige Ort Zugang zur Gesundheitsvorsorge, Bildung und Wasser erhält. So verschafft das Internet örtlichen Stimmen auch über die Region hinaus Gehör. Das Internet ist ein globales Dorf und kostenfrei. Wir hätten gar nicht das Geld, unsere Ergebnisse im Fernsehen oder in Zeitungen zu veröffentlichen. Wir twittern oder nutzen Facebook. Das bringt uns täglich etwa 5000 Besucher ein.
Zu Beginn war die Regierung skeptisch, weil es hieß, wir würden Korruption aufdecken. Im Laufe der Zeit hat sie aber verstanden, dass wir sie unterstützen: Wir bringen ihr die Stimmen der Menschen zu Gehör. Trotzdem belästigen uns Regierungsvertreter manchmal noch immer. Aber es ist uns gelungen, vor Ort sogenannte Townhall-Meetings, zu organisieren, bei denen die Regierung und die Bevölkerung in Kontakt miteinander kommen.
Aufgezeichnet von Katrin Gänsler.
„Ich spreche Tabuthemen offen an“
Ich blogge, seit ich 18 bin. In diesem Jahr habe ich mit Videos angefangen, weil ich mehr Leute erreichen will. Ich glaube, mein Blog ist ziemlich einzigartig, weil ich mich mit Tabu-Themen befasse: Selbstbefriedigung, Menstruation, Abtreibung, Jungfräulichkeit und Depressionen – über solche Dinge reden wir in Kambodscha nicht. Mein Videoblog zieht alle möglichen Leute an, sie sind teils gebildet, teils konservativ, manche auch voller Hass.
Ich bekomme viel Kritik. Bei meinem Blog über die Frage, ob Jungfräulichkeit den Wert einer Frau bestimmt, warfen mir viele junge Männer vor, ich ermutige junge Frauen zum Sex und befürworte sexuelle Freizügigkeit. Sie sagten, Männer wollten keine „Reste“.
Ich möchte eine offene Diskussion über Themen, über die wir nicht reden sollen, weil sie Frauen unterdrücken. Das gibt mir die Chance, die Welt ein wenig zu prägen und meinem Leben einen Sinn zu geben. Das Internet ist in Kambodscha sehr weit verbreitet und viele Frauen in ländlichen Gegenden haben Smartphones. Weil ich auf Khmer spreche, erreiche ich viele Menschen. Anders als manche Hilfsorganisationen muss ich keine Richtlinien befolgen. Ich kann über alles reden, mit dem ich mich wohlfühle. Der traditionelle Weg der Sexualaufklärung mit Faltblättern funktioniert nicht. Man muss die Aufmerksamkeit der Menschen fesseln, indem man sie unterhält, während man ihnen Wissen vermittelt – in einem Raum, in dem sie gerne sind; und das sind das Internet und Facebook.
Aufgezeichnet von Marta Kaszetlan. Das Protokoll entstand mithilfe eines Stipendiums des European Journalism Centre (EJC).
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