Bei „Islamic Travels and Tours“ sind muslimische Touristen in Südafrika gut aufgehoben. Die Angebote der kleinen Reiseagentur sind ganz auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Neben Tauchtouren im Haikäfig, Walbeobachtung und Bungeespringen plant sie Hochzeitsreisen für muslimische Paare, organisiert Besuche in einem von Muslimen betriebenen Wildtierpark in Johannesburg und Besichtigungen von Südafrikas ältester Moschee, die 1794 in Kapstadt gebaut wurde.
Die Agentur bietet Touren durch die Township Soweto sowie Safaris an und lässt ihren Kunden bei der Reiseplanung Raum für rituelle Gebete und Mahlzeiten nach den religiösen Speisevorschriften. Sie bringt die Besucherinnen und Besucher sogar mit ortsansässigen Gastfamilien zusammen, die denselben religiösen Hintergrund haben. Die Gäste hätten damit die Gelegenheit, ihre Erfahrungen in Südafrika zu vertiefen und „zu sehen, wie das Leben für eine durchschnittliche muslimische Arbeiterfamilie aussieht“, sagt Agentur-Chef Khalid Vawda. Ausflüge zu Weingütern, Besuche in Kasinos oder Nachtklubs sucht man hingegen vergeblich auf der Internetseite von „Islamic Travels und Tours“ – die üblichen Highlights anderer südafrikanischer Reiseveranstalter dürften bei den meisten Muslimen kaum Begeisterung auslösen. Vawda, selbst gläubiger Muslim aus Johannesburg und passionierter Reisender, gründete seine Agentur 2015, nachdem er erkannt hatte, dass traditionelle Reiseunternehmen eine attraktive Gelegenheit links liegenließen.
Die wachsende Nische wird Halal-Tourismus genannt – „halal“ sind Dinge und Handlungen, die nach islamischem Recht zulässig sind. Ihr Wachstum verdankt sie einer größer werdenden muslimischen Mittelklasse, die gebildet ist, über ein gewisses Einkommen verfügt und Zugang zu Reiseinformationen hat. Laut dem MasterCard-Crescent Rating Global Muslim Travel Index, der den muslimischen Tourismus-Markt untersucht, waren 2015 schätzungsweise 117 Millionen Muslime im Ausland unterwegs. Die Experten erwarten, dass sich diese Zahl bis 2020 auf 168 Millionen Touristen erhöht und dass ihre Ausgaben auf mehr als 200 Milliarden US-Dollar steigen.
Doch wo manche Unternehmen eine Chance sehen, wittern andere eine Gefahr. Die Vorstöße von US-Präsident Donald Trump, USA-Besucher aus sechs überwiegend muslimischen Ländern an den Grenzen abzuweisen und Laptops an Bord von Flügen aus mehreren Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens zu verbieten, könnten die Vereinigten Staaten um die Chance bringen, um die Dollars muslimischer Touristen zu buhlen – auch aus Ländern, für die das Einreiseverbot nicht gilt. Der Vorsitzende des World Travel & Tourism Council, David Scowsill, sagte dem „Boston Globe“, die Umsatzeinbußen im Tourismus könnten so hoch werden wie im Jahrzehnt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Damals hätten die USA aufgrund „strikter Visavorschriften und einer gefühlten Weltabgewandtheit“ rund 600 Milliarden US-Dollar verloren.
Afrika kann davon profitieren, dass sich muslimische Reisende gastfreundlicheren Zielen zuwenden. Sie bevorzugen nordafrikanische Länder wie Marokko und Ägypten, die islamische Traditionen, Institutionen und Kulturgüter besitzen. Beide Länder sind Mitglied in der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), einer Organisation von 57 muslimischen Staaten auf vier Kontinenten.
Aber auch Länder mit einer muslimischen Minderheit wie Kenia, Ghana und Tansania bringen sich als Ziele des Halal-Tourismus in Stellung. In Kenia spielt der Tourismus eine wichtige Rolle, um Arbeitsplätze zu schaffen und die Deviseneinnahmen zu steigern. Dort will die Tourismusbehörde bis 2018 Richtlinien für die Zertifizierung von Hotels und Restaurants erstellen, die muslimische Touristen nach Halal-Standards bedienen. Tourismusminister Najib Balala regte an, dass Kenia Markenbotschafter für muslimisches Reisen anheuert und als eine Art „Beobachter“ der OIC beitritt, um sich Muslimen besser zu verkaufen.
Am liebsten reisen Muslime laut der Nachrichtenagentur Thomson Reuters in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Malaysia, in die Türkei und nach Jordanien. Auch der Libanon, der Iran und Bahrain ziehen viele Besucher an. In der nicht muslimischen Welt sind Singapur, Thailand, Japan und Großbritannien besonders beliebt. Manche von ihnen haben bereits auf eine muslimfreundliche Tourismuspolitik umgestellt. Der Global Muslim Travel Index zeigt, dass viele Länder außerhalb der OIC im Ranking schneller steigen als die islamischen Ziele; das spiegelt ein schnelleres Wachstum des muslimischen Tourismus wider.
Südafrika hat sich als regionaler Dreh- und Angelpunkt für islamische Investitionen und Reisen positioniert – obwohl nicht einmal zwei Prozent seiner Bevölkerung muslimischen Glaubens sind. Es zählt bei Muslimen zu den fünf beliebtesten Reiseländern, die nicht der OIC angehören. Auf lokalen Plattformen wie „Stay Halaal“ finden Reisende Unterkünfte, Besichtigungstouren und Restaurants. Viele örtliche Niederlassungen großer internationaler Fast-Food-Ketten wie McDonald’s und Burger King sind halal-zertifiziert. Der Kapstädter Zweig des nationalen Verbands des Hotel- und Gaststättengewerbes arbeitet mit dem Halal-Akkreditierungsdienst Crescent Rating zusammen, um die Hotels und Restaurants der Stadt zu überprüfen und ihnen zu vermitteln, wie sie für muslimische Reisende attraktiver werden können.
Laut Agentur-Chef Vawda hat das südafrikanische Hotelgewerbes mit seinen Angeboten für Reisende aus verschiedenen Kulturen dazu beigetragen, das Image seines Landes bei Touristen weltweit zu verbessern. Südafrikas Großstädte – Johannesburg, Kapstadt und Durban – sind laut dem MasterCard Global Destination Cities Index nach wie vor die am häufigsten besuchten Städte in Afrika, und das Land verfügt über die meisten Hotels in Subsahara-Afrika. Dank einer Vielfalt an touristischen Dienstleistungen gibt es „für jeden Geldbeutel etwas“, meint Vawda – ob die Reisenden nun aus Malaysia, Singapur, Indien oder den USA kommen.
In anderen afrikanischen Ländern ist die Tourismusbranche noch nicht so weit entwickelt. Um der steigenden Nachfrage zu begegnen, prüfen Investoren Märkte, in denen halal-freundliche Hotels entstehen können. Chris Nader ist der stellvertretende Leiter der Entwicklungsabteilung von Shaza Hotels, einer Managementgesellschaft für Fünf-Sterne-Hotels mit Sitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Unternehmen hilft, im Auftrag von Investoren und Eigentümern halal-freundliche Hotelbetriebe einzurichten. Nach dem Nahen Osten sollen nun Südostasien, Europa und Afrika erobert werden. „Wir wissen, dass es in diesen Märkten Investoren gibt, die gerne Hotelbesitzer wären“, sagt Nader. Eine günstige Gelegenheit biete etwa die Entwicklung halal-konformer Lodges in beliebten Safariparks in ganz Afrika.
Seit dem Frühjahr stellt ein Start-up-Unternehmen namens Muzbnb einen Onlinedienst zur Verfügung, über den muslimische Eigentümer ihre Wohnungen oder Häuser an muslimische Reisende vermieten können. Die Plattform bietet Reisenden eine Orientierungshilfe für Unterkünfte mit Gebetsraum oder einer nahegelegenen Moschee und hält Empfehlungen für halal-konforme Restaurants bereit. Mitbegründer und Geschäftsführer Hali Shakur hofft, muslimischen Reisenden das Gefühl zu vermitteln, dass sie nicht „als Belastung, sondern als Gewinn“ behandelt werden. Muzbnb hat nach eigenen Angaben Anfragen von verschiedenen afrikanischen Ländern, darunter Nigeria, Elfenbeinküste, Ägypten, Tunesien, Tansania und Südafrika, erhalten.
Um lukrativer zu werden, muss der Halal-Tourismus in Afrika allerdings noch einige Hürden überwinden. Die Zertifizierung, der Umbau der Gebäude und die Unterweisung von Hotelangestellten und Köchen im Umgang mit muslimischen Gästen – all das kann für Hotelbetreiber und Dienstleister zu kostspielig sein. Zudem verdienen sie mit diesen Gästen weniger Geld, weil sie ihnen keinen Alkohol verkaufen können. Problematisch ist zudem, dass es keine einheitlichen globalen Halal-Standards gibt. Ohne anerkannte Richtlinien und den Nachweis, dass sie streng befolgt werden, könnten sich orthodoxe Reisende abschrecken lassen. „Die Halal-Zertifizierung betrifft nicht nur das Produkt, sondern auch den Prozess“, sagt Anna Maria Aisha Tiozzo, Leiterin des World Halal Development Certification Centers in Italien. Restaurants müssen nicht nur darauf achten, dass sie die Speisen nach islamischem Recht zubereiten. Sie müssen auch nachweisen, woher sie ihr Fleisch und andere Zutaten beziehen. Ohne universelle Standards ist es für die Aufsichtsbehörden in unterschiedlichen Ländern schwierig, die Zertifizierungskriterien zu befolgen – ganz zu schweigen davon, die Unternehmen zu kontrollieren, wie sie ihre Geschäfte führen.
###autor###Heftig zugesetzt hat der Reisebranche in Tunesien, Ägypten und Kenia die latente Bedrohung durch den Terrorismus. Und es fehlt an Geld. Unternehmen, die sich in Afrika südlich der Sahara im Halal-Tourismus engagieren wollen, haben es schwer, Investoren von diesem Markt zu überzeugen und die Finanzierung sicherzustellen. Chris Nader von Shaza Hotels hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Investoren, die an halal-konformen Angeboten interessiert sind, „ihr Geld in bereits gesättigte Märkte“ im Nahen Osten oder Nordafrika stecken wollen. Das mache es schwierig, so Nader, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage in anderen Ländern zu schließen.
Regierungen können sich auf der Suche nach Investitionen an die islamische Finanzwirtschaft wenden. Sie arbeitet statt mit Zinsen mit Gewinnbeteiligung und hat sich laut Weltbank als wirksames Instrument bei der Kapitalbeschaffung und Finanzierung von Entwicklungsprojekten erwiesen. Länder in Subsahara-Afrika wie Kenia, Südafrika, Nigeria, Senegal und Togo haben sich den islamischen Finanzmarkt erschlossen; manche geben sogar islamische Anleihen aus, sogenannte Sukuks, bei denen keine Zinsen auf das angelegte Kapital gezahlt werden.
Falls man dem raschen Erfolg der südafrikanischen Agentur „Islamic Travels and Tours“ trauen kann, ist in Afrika mit Halal-Tourismus durchaus Geld zu machen. Eigentümer Vawda erklärt, sein vor zwei Jahren gegründetes Unternehmen habe von Anfang an Gewinn eingebracht und erhalte immer mehr Anrufe von Reisenden und Agenturen aus dem Ausland. „Die Branche steckt noch in den Kinderschuhen“, sagt Vawda, „aber das Potenzial ist ungeheuer groß.“
Aus dem Englischen von Juliane Gräbener-Müller.
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