Wo bleibt das Geld?

Nachhaltiger Tourismus
Reisende geben jedes Jahr Milliarden Euro für Erholung und Abenteuer in fernen Ländern aus. Wissenschaftler haben untersucht, ob und wie viel Menschen in armen Staaten vom Tourismus profitieren.

2017 ist das „Internationale Jahr für nachhaltigen Tourismus“ – die Vereinten Nationen wollen damit dessen Rolle im Kampf gegen die Armut unterstreichen. Denn es gibt reichlich Geld zu verteilen: Im vergangenen Jahr gaben mehr als 1,3 Milliarden Touristen auf Reisen ins Ausland schätzungsweise 1,4 Billionen US-Dollar aus.

Der globale Tourismus ist allerdings bislang vor allem ein wirtschaftlicher Austausch zwischen reichen Staaten. In den am wenigsten entwickelten Ländern und kleinen Inselstaaten gaben Touristen 2016 nur 79 Milliarden US-Dollar aus, das entspricht einem Anteil von 5,3 Prozent. Immerhin sind die Einnahmen im Vergleich zu 2015 gestiegen.  

Wissenschaftler der australischen Griffith-Universität und der Universität im britischen Surrey haben das mit Hilfe ihres Global Sustainable Tourism Dashboard herausgefunden. Sie haben die Datensammlung angelegt, um zu zeigen, auf welche Weise und wie viel der Tourismus zum Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele beiträgt. Ihr Ergebnis: Bislang eher wenig.

Das Geld fließt zurück

Denn selbst wenn Besucher Geld in ärmere Länder bringen, verringert das nicht automatisch die Armut dort. Viele Entwicklungsländer müssten Nahrungsmittel und Generatoren importieren, Flughäfen und Straßen bauen, um den Ansprüchen der Touristen zu genügen, erklärt die Leiterin des Griffith-Instituts für Tourismus, Susanne Becken.

Dafür gäben sie einen großen Teil der Touristen-Dollars aus, bevor sie damit die lokale Wirtschaft ankurbeln können. Hinzu kommt, dass die Gewinne aus dem Tourismus häufig abfließen, weil etwa Hotels meist in der Hand internationaler Unternehmen sind. Auch bei Kreuzfahrten profitieren vor allem die Reeder und nicht die Länder, in denen die Schiffe anlegen. Ökonomen nennen das ein „Leck“ – und daraus fließen laut Becken in Indien bis zu 40 Prozent der Einnahmen ab, in Mauritius sind es sogar 80 Prozent.

Regierungen könnten das „Leck“ verkleinern, indem sie einheimische Unternehmen und die Ausbildung im Tourismusgewerbe fördern, betont die Wissenschaftlerin. Sie verweist auf das Vorbild der Südsee-Insel Samoa, der es gelungen sei, dank kluger Tourismus-Förderung den Kreis der am wenigsten entwickelten Länder zu verlassen.

Das Global Sustainable Tourism Dashboard gibt auch positive Entwicklungen wieder: So hat sich die Zahl derjenigen, die in armen Ländern in der Tourismus-Industrie beschäftigt sind, von 3,2 Millionen im Jahr 1995 auf 7,8 Millionen im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Aus den Daten ist allerdings nicht ersichtlich, ob die Jobs den Sozialstandards genügen und den Beschäftigten ein sicheres und angemessenes Einkommen bieten.

Abkehr von "ausbeuterischen" Reisen

Rund 30 Vertreter von Zivilgesellschaft und Wissenschaft aus aller Welt fordern in einer Berlin-Deklaration eine Abkehr vom „vorherrschenden, ausbeuterischen Tourismusmodell“. „Neben dem Wohlbefinden der Urlauber müssen die Bedürfnisse der Menschen in den Zielgebieten stärker beachtet werden“, betont Antje Monshausen von Brot für die Welt. Sie müssten frühzeitig an den Planungen beteiligt, lokale Tourismusinitiativen müssten gefördert werden. Es gelte, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zu stärken, die die Umwelt und das Klima schützen und die Menschenrechte achten.

Daran können sich auch Reisende beteiligen – in dem sie sich für Veranstalter entscheiden, die Öko- und Sozialstandards einhalten oder gleich bei einheimischen Unternehmen wie Kabanitour in Indien buchen, die Wert auf den Schutz der Umwelt und die lokale Bevölkerung einbeziehen. Angebote gibt es genug – und der Förderkreis fairunterwegs hilft, sich in der Vielfalt zurechtzufinden.  

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