"Eine neue Welle der Schiitenverfolgung"

Kirchentag
Wie lässt sich die Religionsfreiheit im Nahen Osten stärken? Zumindest nicht mit militärischen Mitteln und Waffendeals mit Saudi Arabien, warnten Teilnehmer einer Diskussion in Berlin.

Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, hat Waffenlieferungen an Saudi-Arabien scharf kritisiert. "Die Aufrüstung der konservativ-sunnitischen Golfstaaten als Beitrag zum Frieden - was für eine absurde Idee", sagte der katholische Theologe am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Berlin. Zugleich warf er Russlands Präsident Wladimir Putin eine Beteiligung an Kriegsverbrechen in Syrien an der Seite des Assad-Regimes vor. Er nannte die Bombardierung von Krankenhäusern.
 
Bielefeldt beklagte die Situation von Christen im Mittleren Osten angesichts von Gewalt und Terror. Aber auch die Religionsfreiheit von Jesiden, Bahai und Muslimen selbst werde verletzt. "Wir erleben eine neue Welle der Schiitenverfolgung in der Welt", sagte der Erlangener Professor unter anderem mit Blick auf Bahrain. "Religionsfreiheit ist mehr als Toleranz", unterstrich Bielefeldt, der von 2010 bis 2016 Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrats für Religionsfreiheit war. "Menschen sollen nicht darum betteln müssen, einen Platz am Rand der Gesellschaft zu bekommen." Vielmehr gehe es um Staatsbürgerrechte auf Augenhöhe. Religionsfreiheit umfasse auch das Recht, nicht zu glauben, den Glauben zu wechseln, zu zweifeln und Partner anderen Glaubens zu heiraten.

Im Irak und Syrien stellt sich laut Bielefeldt die bange Frage: "Wird es eine Pluralität der Religionen in Zukunft in der Region geben?" In der Gegend um Mossul frage man, ob sich Christen wieder in Dörfern ansiedeln könnten, in denen der sogenannte Islamische Staat sein Terrorregime errichtet hatte. Ursache der Gewalt im Mittleren Osten seien nicht nur religiöser Fundamentalismus, sondern auch politische Stellvertreterkriege und Korruption. Wo die Menschen das Vertrauen in staatliche Institutionen verlören, könnten religiöse Netzwerke und dämonisierende Hassbotschaften Fuß fassen.

Rache ist keine Antwort auf Anschläge

"Hass ist Sünde", betonte der koptische Bischof Anba Angaelos. Der in Ägypten geborene Geistliche rief die Christen dazu auf, sich für die Religionsfreiheit von Menschen aller Glaubensrichtungen einzusetzen, auch für die, die nicht glaubten. "Religionsfreiheit ist ein von Gott gegebenes Recht", sagte Angaelos, der seit 1999 Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Großbritannien ist. Er wandte sich gegen Rache als Antwort auf Anschläge. "Wir beten für unsere Verfolger", sagte er. Zugleich bedauerte er, dass Christen heute nur noch fünf Prozent der Bevölkerung im Mittleren Osten ausmachten. Vor 30 Jahren seien es 25 Prozent gewesen. Christen litten unter Gewalt, aber sie seien stark und "eine Quelle der Hoffnung". Weltweit wird die Zahl der koptisch-orthodoxen Christen auf rund 15 Millionen geschätzt, die meisten leben in Ägypten.
 
Die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, wandte sich gegen Militär zur Verteidigung zur Religionsfreiheit. Es werde in Syrien und im Irak keine friedliche Zukunft geben, wenn es nicht gelinge, alle Teile der Bevölkerung am politischen Geschehen zu beteiligen, sagte die Pfarrerin. Ziel müsse eine Gesellschaft sein, in der alle Religionen ihren Platz haben. "Alle militärischen Interventionen haben das Chaos nur vergrößert", betonte sie. Als positiv würdigte sie, dass Christen in Jordanien und im Libanon verbriefte Rechte für politische Vertretung hätten. Religionsfreiheit müsse aber auch in Deutschland gelten: "Wenn wir sagen, Christen sollen Kirchen bauen dürfen, dann müssen auch die Muslime auch Moscheen bauen können."

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